Lüneburg nach Bienenbüttel
14 km
13.9.15
Wer hätte gedacht, dass das Pilgern mal so eine Passion für mich werden würde? Ich jedenfalls nicht. Nun, vielleicht lässt sich der ein oder andere Inspirieren auch mal pilgern zu gehen. Ich hoffe ich kann ein wenig dazu beitragen, denn es ist etwas ganz wunderbares. Wie sage ich immer so schön? Pilgern ist das Leben, nur komprimiert. Es gibt Höhen und Tiefen, Regen und Sonne, Schönes und Doofes, Dualitäten eben, wie es das Leben auch bereithält. Das macht das ganze sehr spannend, emotional und absolut Horizont erweiternd und zu sich selbst kommend. Ich persönlich pilgere alleine. Ab und zu gesellt sich ein anderer Pilger für einen Abschnitt zu mir, dann trennen sich die Wege wieder, so wie eben im wirklichen Leben. Pilgern ist Leben und das Leben ist ein Pilgerweg.
So wie es früher gewesen war, als man vor der Haustür startete und sich nach Santiago aufmachte, so machte ich es auch. Lüneburg ist letztes Jahr meine Heimat geworden und somit starte ich von hier aus. Ich habe nach meinem Umzug das Pilgern für 10 Tage ausprobiert und war im Allgäu unterwegs. Dass mich das in so eine Passion bringen würde, hätte ich niemals gedacht. Nun es kommt eben im Leben oft anders, als man denkt.
An einem sonnigen Sonntagmorgen begann ich meine Pilgertour nach dem schönen Gottesdienst, Thema: Sich sorgen contra Vertrauen in Gott. Toll. Dass es das Hauptthema meiner Tour werden sollte, ahnte ich noch nicht. Nach dem Pilgersegen des Pastors und einem wunderbaren Lied gesungen von meinen Freunden ging es los.
"Möge die Straße uns zusammenführen und der Wind in deinem Rücken sein.
Sanft falle Regen auf deine Felder und warm auf dein Gesicht der Sonnenschein.
Und bis wir uns wiedersehen halte Gott dich fest in seiner Hand.
Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott dich fest in seiner Hand."
Ich verabschiede mich von meinen Freunden und meiner Schwester und gehe über die Straße in den Lüneburger Wald hinein, hier verläuft der Jakobsweg direkt aus dem Norden kommend Richtung Süden und heißt Via Scandinavica, da aus Skandinavien kommend. Er ist gut ausgeschildert mit der stilisierten gelben Muschel auf blauem Grund oder aber mit gelben Pfeilen an den Bäumen, die es wohl auch so in Spanien geben soll. Und ganz besonders ist, dass die zusammenführenden Strahlen der Muschel die Richtung des Weges anzeigen. Das ist hier wirklich ganz wunderbar gemacht, da kann man sich gar nicht verlaufen. Mitunter fehlt aber auch mal ein Schild, weil irgendwelche Vollidioten das mitgenommen haben, also muss man immer achtsam sein. Es ist zu erwähnen, dass Lüneburg selbst eine Reise wert ist, denn es hat eine wundervolle Altstadt, drei sehr unterschiedliche und beeindruckende Kirchen und sowieso heißt es im Lüneburger Lied: Die schönste Stadt der Welt liegt an der Ilmenau :-) Es ist spannend so ganz alleine unterwegs zu sein, durch Ecken, die ich noch kenne, was sich aber alsbald ändern wird.
Los geht's und der Hasenburger Mühlenbach schlängelt sich durch den Wald
Ich überquere den Hasenburger Mühlenbach, der sich durch den Wald schlängelt und später die schöne Ilmenau an der Roten Schleuse, laufe eine Weile durch das mondäne Viertel Am Petersberg von Deutsch Evern und tauche dann wieder in den Wald hinein, einen schmalen Weg am Ufer und später am Steilufer der Ilmenau entlang, um später dann an den Ilmenauwiesen anzukommen. Meine erste Rast mache ich auf der Wiese an der Ilmenaubiegung gegenüber Melbeck, wo ich wohne.
Unten geht es an der stillen Ilmenau entlang, ein kleiner Seitenarm, und wenig später an die Ilmenaubiegung gegenüber Melbeck
Die beiden Schwäne, die ich auch schon kenne, schwimmen in Gegenrichtung der Strömung an mir vorbei. Ich finde es bewundernswert, wie die das machen, denn die Ilmenau hat eine ordentliche Strömung, die ich auch schon mal in ihr badend erleben durfte, als ich von Melbeck nach Deutsch Evern geschwommen bin, da ist man ziemlich schnell unterwegs. Sie schlängelt sich durch die Wiesen, geht dann mitten durch Lüneburg, um dann irgendwann später bei Hoopte in die Elbe zu münden.
Nach einer Weile überquere ich den Dierksbach und es geht wieder einen schmalen Weg an den Wiesen entlang. Rechts in einiger Entfernung die B4 mit viel Verkehr und von links höre ich den ICE aus Hamburg nahen. Da haben die sich hier ja was ausgedacht! Ich komme am Ilmenauufer raus, wo ein eiserner Herr auf einer Bank sitzend auf mich wartet. Ich setze mich neben ihn und mache Pause. Es ist der "Fischer vom alten Goethe", ich befinde mich auf dem Skulpturenpfad von Bienenbüttel, welches heute auch mein Tagesziel sein wird.
Auf meinem weiteren Weg gibt es noch die ein oder andere Skulptur zu bestaunen und so lande an der Hohenbosteler Holzbrücke, neben der eine Frauenskulptur steht: Der Ruf. Vor der Brücke geht es den schmalen Pfad an der Ilmenau entlang, der von wunderbar aussehenden drüsigem Springkraut bewachsen ist (was für ein blöder Name für so eine schöne Blume, fast wie eine Orchidee aussehend) in zartrosa und pink. Sie wachsen hier viel an der Ilmenau, da sie es feucht brauchen.
Das schöne drüsige Springkraut und "der Ruf" an der Hohenbosteler Brücke
Es geht rüber in die Innenstadt. Bienenbüttel kenne ich auch schon, mich jetzt hier einzuquartieren finde ich besonders. Die Kirche ist offen, hat aber keinen Stempel, so hole ich mir den im Rathaus, auch gut. Glücklicherweise komme ich vor dem Einsetzen des leichten Regens an und gehe später im Trockenen rüber ins Restaurant was essen. Während meiner Tour höre ich das Hörbuch von Hape Kerkeling: "Ich bin dann mal weg". Und als er in Santiago ankam, kam ich in Hannover an, ist doch auch was :)
Und so erstelle ich nun auch eine:
Erkenntnis des Tages:
Aller Anfang ist nicht so leicht und braucht Geduld. Ich muss mich erst mal ins Pilgern rein finden, raus aus dem Alltag und eintauchen in die Welt des Pilgerns.
Bienenbüttel nach Bad Bevensen
17 km
14.9.15
Ich habe mich lange verweigert mir ein Smartphone zuzulegen, habe es aber aufgrund des Wanderns dann doch gemacht. Es sollte auf meinen Pilgertouren mein sehr nützlicher Begleiter werden, da die Beschilderung des Weges im weiteren Verlauf teilweise sehr zu wünschen übriglässt und man mit einer Wanderapp gut beraten ist. Ich habe aber auch einen Wanderführer dabei, der gerade neu rausgekommen ist und mir eine gute Hilfe ist.
Die zweite Etappe führt mich heute wieder über und an der Ilmenau entlang. Die Sonne kommt durch mein Fenster der Pension, was sich aber im Laufe der Wanderung ändern sollte und in meine Annalen als die Sintflut von Bad Bevensen eingehen sollte. Später sollte ich diesen Abschnitt mit einem Freund noch einmal bewandern, aber bei strahlendem Sonnenschein, denn es ist ein sehr schöner Abschnitt. Am Frühstückstisch komme ich mit einer Frau ins Gespräch, die mein Pilgern toll findet, finde ich auch.
Mein Start war ein guter. Ich ging einen netten Weg aus Bienenbüttel raus, an einem Maisfeld vorbei und die kleine Kirche in Wichmannsburg wurde just in dem Moment geöffnet, als ich ums Eck kam. Zeit für ein kleines Gebet.
Start am Maisfeld entlang aus Bienenbüttel raus und die kleine Kirche von Wichmannsburg
Es war ein tolles Beeren-und Pilzjahr, denn es hat einiges geregnet und war immer noch recht warm, so dass ich teilweise im T-Shirt rumlief. Ich hatte meine wahre Freude an den roten Hagebutten, den Schlehen und Knallerbsen. Der ein oder andere Pilz kam schon in Sicht und vor allem die großen Parasole (Riesenschirmlinge) waren beeindruckend und nicht zu übersehen.
Ich passierte die Bahnstrecke über eine Brücke und landete kurze Zeit später in Bruchtorf, ging über die Ilmenaubrücke auf die andere Seite und genoss den letzten Sonnenstrahl Mars-essend auf einer Bank, dann fing es an zu pieseln. Nun, Buchen musst du suchen, jedenfalls wenn es um Regen geht, da sie durch ihr dichtes Blätterdach einen guten Schutz bieten. Aber nun konnte ich ja nicht stundenlang unter der Buche stehen und musste mit Regenkluft weiter. Meine Wetterapp teilte mir mit, dass das so bald auch nicht wieder aufhören wird, irgh! Da muss man dann durch, hilft alles nichts. Mittlerweile schüttete es aus Eimern, der Pegel der Ilmenau sollte noch bedenklich steigen und so langsam wurden die Füße auch feucht. Letztendlich lief das Wasser die Schuhe rein und es machte komische quatschende Geräusche beim Gehen und eine Sorge machte sich breit: Werden die Schuhe bis morgen wieder trocken sein? Werde ich mir Blasen laufen?
Der Weg ist ein ganz wunderbarer, eigentlich. Er geht oben auf dem Berg entlang, unten schlängelt sich die Ilmenau dahin. Frustig stand ich wenig später Schutz suchend neben einem Schafstall und sang den Schafen etwas vor, was ihnen scheinbar gefiel, da sie ruhig und mit leichtem Schlafblick so da standen und mir zuhörten. Zu allem Überfluss habe ich mich noch verlaufen, ich stand in einer nassen Wiese und es ging nicht weiter, Mist, der Frust war riesengroß. In Medingen angekommen, bog ich ab nach Bad Bevensen, welches eigentlich nicht auf dem Pilgerweg liegt, aber die Unterkunft hier war mir zu teuer und außerdem wollte ich noch in die tolle Therme. So lief ich also einen Kilometer weiter die Ilmenau runter, die fast schon über den Wanderweg schwappte. Nun ist jetzt auch egal!
Im Kurpark und an der schönen Ilmenau, die hier durchfließt
Als ich endlich in Bad Bevensen ankam war nichts mehr zu retten gewesen. Ich flüchtete im Kurpark auf ein Klo, um mir wenigstens im trockenen anschauen zu können wo ich jetzt überhaupt hin muss, und suchte meine Pension. Aber wie ist es doch immer so schön im Leben als auch beim Pilgern, am Ende wird alles gut! Das Pärchen, das die Pension betrieben, nahmen mich herzlich auf und kümmerten sich, dass es auch wirklich zur Trocknung der Klamotten kommen sollte, denn es gab eine Heizung, die gut funktionierte. Überhaupt sollte das Thema Heizung mich auf meinen Pilgertouren begleiten und häufig sehr wichtig werden.
Die Schuhe und alles andere wurden trocken, ich habe mir keine Blasen gelaufen und verbrachte noch zwei Stunden in hiesiger Therme und wärmte mich mit Sauna schön auf. Es gab lecker Essen im Ort und nach einem Telefonat mit meiner Mutter mit der Frage, ob sie nicht morgen vorbei kommen könne und mir ihre Regenhose mitbringt, denn sowas hatte ich nicht mit dabei, war alles gut. Sogar die Sonne kam noch raus, Hammer! Ich sollte nach diesem Tag nie wieder ohne kompletter Regenklamotte unterwegs sein :-) Es lohnt sich nicht, damit zu sparen. Ja, man macht so seine Erfahrungen!
Erkenntnis des Tages:
Immer alle Regenklamotten dabei haben.
Bad Bevensen nach Ebstorf
20 km
15.9.15
Meine Mutter kam dann morgens nach Bad Bevensen, brachte mir die Regenhose und ging mit mir das Stück gemeinsam nach Medingen. Wir verabschiedeten uns am Kloster und ich ging weiter meiner Wege, mit Regenhose -:)
Ein Besuch der Heideklöster kann ich nur anraten, davon gibt es ja einige: das Kloster Lüne in Lüneburg selbst ist ganz wunderbar und gut erhalten und beinhaltet das sehenswerte Teppichmuseum, das Kloster in Medingen mit der tollen Kirche, als auch später in Ebstorf mit der einmaligen Weltkarte und in Wienhausen mit den tollen Deckenmalereien im Nonnenchor.
Die meisten Nonnen waren Töchter der Lüneburger Patrizierfamilien, die mit reichem Hausstand in den Konvent eintraten und so den Besitz der Klöster mehrten, welche auch heute noch zu bewundern sind. Das Kloster Medingen (Gründung um 1200) ist mit 14 Konventualinnen der größte evangelische Konvent in Niedersachsen. Heute leben in den Heideklöstern allein stehende Damen des evangelischen Glaubens in einer christlichen Lebensgemeinschaft. Geleitet werden die Klöster jeweils von einer Äbtissin. Die Klosterdamen sind für die Pflege der Klosterschätze zuständig und führen Gäste durch die Klostergemäuer.
Nach der Führung im Kloster Medingen ging es weiter, unter der Bahntrasse hindurch und über die sehr befahrende B4, über Felder, durch Wälder nach Ebstorf. Sonne und Regen wechselten sich ab, es ist Herbst in seiner besten Form und es ist Erntezeit, die Kartoffeln und Zwiebeln auf den Feldern werden geerntet und der ein oder andere Apfel verschwindet in meinem Magen. Es wird hügelig, das Uelzener Becken, hält sich aber alles in Grenzen, wir sind ja noch nicht in den Alpen.
Ein Jägerhochstand kommt in Sicht und wurde für mich zum Segen, da ich dort meine Picknickpause im Trockenen machen konnte, als mal wieder Pieselregen einsetzte. Ich bin generell abends essen gegangen, tagsüber gab es Picknick mit Stulle und co. Im Trockenen kam ich in Ebstorf an, hier beginnt der Schöpfungsweg und das erste Bild darf ich heute schon bewundern, morgen kommt der Rest.
Das Ebstorfer Kloster (Gründung um 1160) mit der größten mittelalterlichen Weltkarte, ehemals auf Tierhäuten gemalt, ist schon beeindruckend. Mit einer Größe von 13 qm war es die größte und bedeutendste mittelalterliche Weltsicht, die es gab. Sie stammte aus dem 13. Jahrhundert und zeigte die Welt als Scheibe mit Jerusalem als Mittelpunkt und umgeben von den im Mittelalter bekannten Ländern und Städten. Wer hätte gedacht, dass in diesem kleinen, doch unscheinbaren Ort, solche Schätze liegen? Das schaue ich mir dann morgen an. Ich bezog mein Zimmer mit sogar angrenzendem Wohnzimmer und ging mir was zu essen auftreiben. Manch ein Gasthof, manch eine Pension hat es nicht mehr gehalten und war geschlossen. Ich fand aber noch ein typisch niedersächsisches Gasthaus, da ließ ich mich nieder.
Das Kloster Ebstorf mit Klosterkirche (leider zu wegen Renovierung), Klostergang und Weltkarte
Ebstorf nach Böddenstedt
18 km
16.9.15
Ich machte hier die Führung morgens um 10 Uhr mit, die wirklich spannend war. Die Klosterkirche war leider im Bau, wurde renoviert und konnte somit nicht besichtigt werden, was ich aber später nachholte und wo ich nur sagen kann, es lohnt sich. Im gotischen Stil gehalten und wunderbar renoviert erstrahlt sie nun im neuen Glanz.
Ich nahm noch den Ebstorfer Reisesegen mit auf den Weg:
Gott segne und behüte dich
Gottes Geist beflügle deine Schritte
Gottes Liebe trage dich, wenn der Weg zu beschwerlich wird
Gott begleite dich, heute,
morgen und alle Tage
Amen
Nun ging es weiter. Ab hier verläuft der Jakobsweg mit dem Schöpfungsweg gemeinsam, ein Weg mit wunderbaren ausgestellten Malereien und eben der Schöpfungsgeschichte, angefangen mit: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde und endend mit: ...und Gott ruhte am siebenten Tag. Das macht den Wanderweg spannend und bunt. Der Regen der ab und zu leicht vom Himmel fiel wurde von den Buchen des Waldes abgehalten, auf dem freien Feld später war es jedoch weniger erheiternd. Dazu wehte ein kräftiger Wind. Es kam aber auch immer wieder die Sonne raus.
Ich schleppte mich Richtung Arboretum und kehrte dort auf ein Heißgetränk und ein tolles Stück Kuchen ein, welches ich bekam, obwohl der Laden noch nicht geöffnet hatte, das fand ich ja nett. Hier wurden rund 800 verschiedene Pflanzen aus aller Welt zusammengetragen, die es zu bestaunen gibt und es gibt dazu eben ein Café, in dem ich nun sitze. Gestärkt und wieder guter Dinge ging es weiter. So landete ich im Ort Gerdau an der Gerdau gelegen, die später in die Ilmenau fließt.
Eine tolle Kirche steht da, die aber leider mittwochs geschlossen hat, warum auch immer, so gibt's keinen Stempel für mich. Schade, aber ich sollte noch einen bekommen, dazu später. Über Wälder, Felder und sanfte Hügel ging es auf meinen Zielort zu: Böddenstedt, welches zum schönsten Dorf im Kreis Uelzen gekürt wurde, 1988 und auch 1990.
Böddenstedter Ansichten
Kurz vor dem Ziel, die einzige Pilgerherberge, die ich bei dieser Tour zu Gesicht bekommen werde (davon gibt es nicht viele in Norddeutschland) fing es noch einmal aus Kübeln an zu schütten. Zum Glück fuhr gerade Herr Hinrichs (aus der Herberge) an mir vorbei und zeigte mir den Weg. Was für eine wunderbare Herberge, ich fühlte mich bei Familie Hinrichs sehr wohl und erfuhr noch einiges über den Zwiebelanbau und der Weiterverarbeitung, da es sich um einen Bauernhof handelte, der eben Zwiebeln anbaut, die in einer großen Scheune mit großem Getöse des Trockners getrocknet wurden, bevor es weitergeht für sie in den Handel.
Ich beziehe meine Wohnung für sage und schreibe 10 Euro und hänge erst mal alles zum trocknen auf, das sollte meine Dauerbeschäftigung nach fast jedem Wandertag werden. Nun denn.
Wir redeten lange übers Pilgern und die Sehnsucht danach. Tolle Unterkunft, wunderbare Menschen, das tut gut. Abends kam die Sonne raus und so schaute ich mir das schönste Dort an mit seinen alten Gehöften und ging im einzigen Restaurant essen. Toll dass es das hier überhaupt gibt, ich sollte noch andere Überraschungen erleben.
Abends sitze ich noch bei eigens gemachtem Tee, denn es gibt hier einen Wasserkocher (ja eine kleine Küche ist auch mit dabei) und ich habe ein paar Teebeutel mit und schreibe was in das bereitliegende Buch. Später liege ich noch im Bett und höre mir drei Kapitel aus dem Hörbuch von Hape Kerkeling an. Das mache ich jeden Abend. Schön ist das.
Erkenntnis des Tages.
Viele sind begeistert von meinem Pilgern und sie überkommt die Sehnsucht. Es ist toll, dass ich meine Träume verwirkliche und ich möchte irgendwann mal in Santiago landen. Es belastet, wenn ich nur Freude empfinde, wenn die Sonne scheint. Alles ist gut so wie es ist, auch wenn es morgens grau ist. Annehmen und vertrauen.
Böddenstedt nach Hösseringen
15 km
17.9.15
Auf meinem Frühstückstisch lag morgens der Psalm 23:
Der Herr ist mein Hirte. Ich war zu Tränen gerührt, denn den kann ich auswendig und mit dem kann ich unheimlich viel anfangen. Da die Kirche in Gerdau ja nun geschlossen hatte, ich somit keinen Stempel haben konnte, fuhr Frau Hinrichs mit mir heute noch einmal hin. Die St. Michaelis ist recht dunkel in dunklem Holz gehalten, aber sehr interessant mit dem gewölbten Holzdach. Wir fuhren wieder nach Böddenstedt. Sie gab mir noch einen Schrieb über das Thema "Achtsamkeit" mit auf den Weg, wir umarmten uns und nun war es Zeit zu gehen.
Trotz einiges an Regen war es recht mild und der lauwarme Wind gibt ein Gefühl von Freiheit. Die Sonne, die nach dem Regen immer wieder durchkommt macht glücklich und wärmt doppelt. Es geht über hoch gewachsene Wiesen, teilweise ist der Weg gar nicht zu erkennen, nur ein Muschelschild besagt, dass es hier langgeht. Zum Glück sind meine Schuhe wasserdicht, dann bleiben sie bei den feuchten Wiesen wenigstens trocken.Es geht unter einer Bahnunterführung vorbei Richtung Suderburg. In Suderburg angekommen gibt es eine wunderbare und auch offene Kirche mit Stempel. Es ist die St. Remigius. Sie stammt aus dem 18. Jahrhundert, der aus Feldsteinen gebaute Rundturm jedoch aus der Zeit nach 1000, ganz schön alt. Süß sieht sie aus.
St. Remigius Suderburg
Lange sitze ich darinnen beim Gebet, zwei Kerzen zünde ich an, draußen pieselt es leicht aufs Kirchendach. Es ist still, ganz still, ich kann meinen Herzschlag hören. Schön! Ich sitze lange im Gebet versunken. Als ich aus der Kirche trete ist mein Herz leicht, als ob alle Schwere, die zuvor noch vorhanden war, der Alltag, der anstrengend war, alles abgefallen war. Das sollte auch die ganze Tour erhalten bleiben. Es ist schon eigenartig mit dem Pilgern. Es sollte bei meinen weiteren Pilgertouren ein jedes Mal anders sein, aber dazu ein anderes Mal.
Eigentlich geht der Weg fast an Suderburg vorbei, ich muss aber noch was einkaufen. An der Kasse bei Edeka traf ich einen Expilger, der mich ansprach. Überhaupt sprechen mich viele Leute an und fragen wo ich hingehe, wo ich herkomme, ob ich keine Angst alleine habe oder erzählen, dass sie schon mal in Santiago waren, so wie der junge Mann an der Kasse. Spannend!
Carpe diem steht da an einem Restaurant, ja: Lebe den Tag. Mach ich! Ich bin jetzt hier und ganz bei mir, habe das Gefühl zu schweben. Irgendwas ist in dieser Kirche mit mir passiert, ich liebe es. Hinter der Kirche geht's über eine Wiese zu einer Schutzhütte des Wandervereins hier in der Ecke. Die nehme ich gerne an, da es gerade wieder anfängt zu pieseln. Kekse essend und Füße kühlend sitze ich und bin einfach so da. Schön! Wenig später überquere ich nach einem schönen schmalen Feldweg die Hardau, viel Wasser gibt es hier überall, die ebenfalls später in die Ilmenau fließt.
Pause in der Wanderhütte
und die Brücke über die Hardau
Im Wald traf ich, ich nenne sie jetzt einfach mal Pilz-Martina, die mir einiges über Pilze erzählte und am nächsten Tag wohl eine Tour leiten wollte. Wir standen lange gemeinsam über Pilze redend im Wald. Ich fragte sie, ob sie denn auch Fliegenpilze gesehen hätte, die liebe ich so. Sie bejahte, dass ich noch gaaanz viele sehen sollte. Es sollte lange dauern, bis ich den Wald verließ, es war ein einziges Pilz-Schlaraffenland, inklusive Fliegenpilz. Einfach nur toll. Ich komme an den Hardausee und gehe ihn entlang nach Hösseringen, werde auch hier von einer kleinen Gruppe gefragt, ob ich denn keine Angst so alleine hätte. Nö sage ich. Gerade die Frauen schauen mich erstaunt an. Ich sollte sie am nächsten Tag beim Frühstück wieder treffen. In Hösseringen angekommen bezog ich meine Bleibe, duschte (es gibt sogar einen Föhn, das muss ausgenutzt werden) und machte mich auf den Weg in den Ort um was zu essen.
Pilz-Ensemble Im Wald vor Hösseringen
Ich suchte und suchte. Ein Gasthof war gänzlich geschlossen, den gab es gar nicht mehr, der andere leider nur am Wochenende geöffnet, das Café war schon zu, da war ich zu spät. Na toll. Und ich hatte Kohldampf!
Merke: immer vorher schauen ob Restaurants auf haben oder eben immer was zu essen dabei haben!
Ich stand ratlos an der Bushaltestelle und fragte eine Frau, die dort stand, sie wusste auch nichts. Auch die beiden Jugendlichen daneben konnten mir nichts sagen. Just in diesem Moment kam der Bus ums Eck und ich entschied mich einfach einzusteigen und zurück nach Suderburg zu fahren. Da war doch dieses Carpe diem! Er brachte mich zurück nach Suderburg. Es war der letzte Bus und ich der einzige Fahrgast. Ich saß vorne und wir unterhielten uns die ganze Zeit. Er setze mich dann auch direkt vor die Tür eben dieses Restaurants ab, lecker Pizza, das tat gut. Der Taxifahrer, den ich dann erreichte, fuhr mich zum halbem Preis zurück nach Hösseringen. Es ist schön so wunderbare Menschen zu treffen. Wenn du Frust mit Menschen hast, geh' pilgern, hier triffst du die guten, denn die gibt es auch :)
Und zu essen gibt es auch immer irgendwas :)
Erkenntnis des Tages:
Der Alltag lässt mich zumachen und es braucht langes Wandern in der Einsamkeit, bis ich mein Herz öffnen kann und gelassener werde und ich kann nichts erzwingen, sondern brauche Geduld. Kontakte verändern sich, wenn mein Herz offen ist.
Es gibt immer irgendwo was zu essen, auch wenn es tatsächlich mal nicht so aussieht. Es gibt immer einen Weg, immer...
Hösseringen nach Eschede
25 km
18.9.15
Es scheint die Sonne, aber sowas von. Und es sollte den ganzen Tag so bleiben. Ich sitze am Frühstückstisch und treffe dort auf die Truppe von gestern vom Hardausee. Wir unterhalten uns noch ein wenig. Die Gastgeberin will mir noch tonnenweise Äpfel mitgeben, die ich leider dankend ablehnen muss, muss sie ja alle schleppen. Einen nehme ich jedoch mit und natürlich das obligatorische Pausenbrötchen für später. Frohgemut ging ich noch mal in den Ort zur Touriinfo, holte mir von Pilz-Martina, die dort am Tisch saß, einen Stempel und wanderte nach langem Gespräch mit ihr los, den langen, langen Weg durch die Südheide auf dem ehemaligen Postweg Lüneburg-Celle. Aus Hösseringen raus begrüßt mich ein Pilgerbaum mit alten Schuhen dran und Jakobsmuschel-Wegweiser. Süß!
Es geht ordentlich den Berg hoch, die "Hohe Heide von Hösseringen" und weiter in den Wald, wo ich wenig später am Landtagsplatz ankomme. Hier haben die Lüneburgischen Landstände vom 13. Jahrhundert bis 1652 getagt. Jede Gemeinde hat ihren eigenen Stein, toll sieht das aus. Ein Holzwegweiser teilt mit: "Wanderer, du betrittst eine der ältesten geschichtlichen Stätten des Lüneburger Landes, den Landtagsplatz im Schoß zu Hösseringen." Aha!
Landtagsplatz bei Hösseringen
Es geht am Museumsdorf vorbei, welches man auch besuchen kann, was ich aber nicht mache, habe noch einen langen Weg vor mir durch die Südheide. Sie war mal aufgrund des enormen Brennstoffbedarfs der Lüneburger Saline komplett abgeholzt (Lüneburg ist damals durch seine Salzvorkommen reich geworden und leider auch ein paar Meter nach unten abgesackt), ist nun aber eine der waldreichsten Gegenden Deutschlands geworden. Einzelne Heideflächen bestehen noch, die von den Heidschnucken, die von Schäfern hier durchgeführt werden, gepflegt werden, da sie die Baumtriebe fressen. So langsam wird auch der Wolf wieder heimisch, was den ein oder anderen dazu veranlasste mich nicht nur zu fragen ob ich nicht Angst habe (vor üblen Typen), sondern auch Angst vorm Wolf. Nein, hab ich auch nicht. Ich habe bisher auch noch keinen gesehen. Außer Hase und Reh nix.
Ich glaube es sind geschlagene 13 Kilometer geradeaus auf einem breiten sandigen Weg bis nach Dalle. Ich freute mich sehr auf den Weg, denn so muss man sich nicht um Wegezeichen kümmern und kann total in sich gehen, nachdenken, beten, singen, mit sich selbst quatschen und einen Fuß vor den anderen setzen.
Das ein oder andere Heidekraut blühte noch, hie und da gab's noch Preiselbeeren und es war angenehm warm. Ich bin happy über meine eigene Fitness, so hatte ich doch etwas Bedenken ob der Länge des Weges heute.
Ich durchquere Dalle und erreiche darauf die Aschauteiche, wo es viele verschiedene Vögel gibt und natürlich auch Fische, die später zum Räucherfisch werden, die armen. Ich legte mich noch auf die Wiese am Teich in die Sonne und machte ein Nickerchen, heute war die Möglichkeit dazu. An der Aschau ging es auf schmalem Pfad im Wald entlang, da schlängelt eine kleine Ringelnatter an mir vorbei, toll.
An den Aschauteichen lässt es sich gut entspannen
Ich laufe in Eschede nach einigen Wirrungen direkt auf die Pension zu und beziehe hier mein Zimmer. Wenig später telefoniere ich noch mit dem Pfarrer der Kirche nebenan, da sie geschlossen ist. Morgen wollen wir uns treffen und ich bekomme einen Stempel.
Später besuchte ich noch die Gedenkstätte von Eschede, die an das verheerende ICE-Zugunglück vom 3.6.98 erinnerte, welches den Ort überregional bekannt machte, ein emotionaler Moment, eine schöne Gedenkstätte. Für jedes der Opfer, und das waren ja viele, wurde ein Baum gepflanzt. Ich sitze abends noch auf der Bank vor der Kirche und bin sehr bewegt.
Erkenntnis des Tages:
Ich bin kerniger, als ich glaube, schaffe mehr, als ich oft denke.
Sich sorgen bringt Unentspanntheit und Energieverlust und macht keinen Sinn, denn ich weiß ja nicht ob das Besorgte auch eintreffen wird. Der Grat zwischen Weitsichtigkeit und sich Sorgen ist mitunter schmal.
Eschede nach Wienhausen
25 km
19.9.15
Ich saß lange mit der Wirtin beim Frühstück, hatte so gar keine Lust rauszugehen, denn es regnete, mal wieder. Es sollte tatsächlich meine bisher regenreichste Tour werden. Nun denn, hilft alles nichts, irgendwann muss ich ja mal los. Der Pastor der St Johannis gab mir noch einen Stempel und einen Reisesegen, das war ganz wunderbar.
Es geht im Ganzkörperkondom (meine Regenkluft) über die Brücke und dann links runter, weiter die Aschau entlang. Das Muschelzeichen sieht nun anders aus, wir befinden uns im Celler Land. Es geht auf Wirtschaftswegen vorzugsweise durch Wälder. Irgendwann fand ich mich unter einer Eiche bei einfallenden Sturzbächen vom Himmel wieder, was nicht viel bringt, denn Eichen bringen's bei Regen nicht, die sind zu durchlässig. Ich brach durchnässt unter der Eiche in Tränen aus und so weinte ich mit dem Regen um die Wette. Irgendwann fing ich an zu singen (man wird mitunter sonderbar, wenn man so alleine unterwegs ist und es in Strömen gießt).
Kurze Zeit später hörte es auf und ich brach auf Richtung Beedenbostel, um dort schnurstracks in das mich vor der nächsten Sintflut rettende Café an der Mühle, welches gerade öffnete, reinzustürzen. Die Gastgeber waren sehr hilfsbereit, die nassen Klamotten wurden überall hingehängt und es gab erst mal einen schönen heißen Kaffee mit leckerem Pflaumenkuchen. Lange saß ich dort mit Blick aus dem Fenster zur Mühle und zum Grau des Himmels und aß einfach noch einen zweiten Pflaumenkuchen und bestellte einen zweiten Milchkaffee. Nun ist es aber wieder Zeit, die Sonne lässt sich nun auch wieder blicken und ich brach auf nach Lachendorf, wo ich eigentlich unterkommen wollte, entschied mich aber kurzerhand nach Wienhausen weiterzuwandern, damit ich morgen zum Gottesdienst in dortige Klosterkirche gehen konnte.
Ich überquerte wenig später noch die Lachte und kam dann in den Ort, den ich irgendwie doof fand, setzte mich dort auf einen Bank, aß Gummibärchen, machte meine Unterkunft in Wienhausen klar und sagte meine hier ab. So langsam hörte die hügelige Landschaft auf, die Südheide macht dem flachen Land der Allerwiesen Platz.
Die beginnende Abendstimmung an der Aller, die ich überquerte war ganz wunderbar, der völlig durchnässte Weg, wo ich bis zum Knöchel im Matsch versank, weniger. Aber es geht doch nichts über gute Wanderschuhe, sie blieben innen trocken. Das Reinigen war jedoch eine Herausforderung, Bürste wäre nicht schlecht, merken! Ich habe eine schöne Unterkunft gefunden, hänge mal wieder meine nassen Klamotten auf, schrubbe irgendwie umständlich meine Schuhe, die nur noch aus Matsch bestanden und ging duschen. Und es gibt einen Föhn, toll. Abends ging ich noch in den Ort, ich wohnte etwas abseits, in eins der Restaurants. Es war ordentlich was los und ich genoss das Miteinandersein mit anderen Menschen, das Geraune ihrer Stimmen und ein schönes Bier.
Erkenntnis des Tages:
Immer eine Bürste zum Waschen von Kleidung und Schuhen mitnehmen.
Ich habe echt mehr Power als ich denke. Singen kann helfen und Kraft geben beim Wandern, man kommt mitunter besser voran und es macht ein sonniges Gemüt.
Ich nenne mich nun immer Madame Souci (Frau Sorge), wenn ich mir wieder Sorgen mache. Ich singe dann ein Lied darüber und muss dann lachen über mich, das tut gut.
Fazit: Über sich selber schmunzeln hilft gelassener zu bleiben und die Dinge nicht so ernst zu nehmen.
Wienhausen nach Celle
18 km
20.9.15
Nach einem guten Frühstück ging ich dann mit Sack und Pack zur Klosterkirche und in den Gottesdienst und mit schönen Erkenntnissen (Thema Sterben und Auferstehen im täglichen Leben) wieder raus. Ich besuchte den schönen Klostergarten und nahm dann an einer Führung teil, was man sich auch nicht entgehen lassen sollte, denn das Kloster hat viel zu bieten. Hier waren im Gegensatz zu den anderen beiden Klöstern viele Menschen zugegen, die mitgingen.
Kloster Wienhausen
Das ehemalige Zisterzienserinnen-Kloster aus dem 13. Jahrhundert ist heute ein evangelisches Frauenkloster. Es beinhaltet viele alte Schätze, Teppiche und den herausragenden Nonnenchor mit geschwungener, schön bemalter Decke mit Szenen aus der Schöpfungsgeschichte, aber auch aus dem neuen Testament. Ansonsten ist es aus Backstein gehalten, wie die meisten Heideklöster, hat einen tollen Innenhof und einen gut erhaltenen Klostergang. Das Fotografierverbot ließ ich einfach mal außer Acht, fand ich doof :)
Szenen aus dem Nonnenchor
Ich entschied mich kurzerhand heute nach Celle zu wandern. Normalerweise geht der Weg an Celle vorbei, was aber sehr schade ist, denn Celle hat eine wunderbare Fachwerk-Altstadt, ein tolles Schloss, eine tolle Kirche und überhaupt toll. Was Lüneburg mit hanseatischen Giebelhäusern ist, ist Celle mit Fachwerk. Auf der Bank vor dem Kloster sitzend, machte ich also meine nächste Unterkunft in Celle klar.
Die Allerwiesen
Bei Sonnenschein ging's über die Allerwiesen und später an der Aller entlang. Flach war es hier und sollte sich bis Hannover auch nicht mehr ändern. Der dunkelblaue bis graue Himmel, der langsam auf mich zukam, verhieß nichts Gutes und just als ich auf die große Allerbrücke trat schüttete es in Strömen waagerecht ob des Sturmes, der diesmal dazukam, von rechts kommend. Nun, ich habe Regenhose und mein sogenanntes Ganzkörperkondom, ist mir alles egal.
Mit großer Erschöpfung (und auch leicht genervt ob der vielen Regnerei und weil ich echt Hunger hatte und da kann ich sehr ungnädig werden) und Hoffnung, dass die Gertrudenkirche jenseits der Brücke auf haben könnte, marschierte ich ihr entgegen um leider festzustellen, dass dem nicht so ist. Leider ist es mit den evangelischen Kirchen und deren Öffnungen nicht weit her, was sich später in katholischen Gebieten Gott sei Dank änderte. So kann man auch mal bei schlechtem oder kalten Wetter eine Pause im trockenen einlegen. Nun hinter der Kirche ging es eine Wiese runter, da stand ein Bauwagen. Sollte ich Glück haben? Oh ja, der war offen und drinnen sogar ein Sofa mit Tischchen und Herzchenkissen. Wie geil ist das denn? Ich sage ja: Dualitäten.
Nach einem ausgiebigen Picknick im Trockenen ging es gut gesättigt bei strahlendem Sonnenschein an den Allerwiesen entlang nach Celle hinein. Die Celler Kirche St Marien aus dem 13. Jahrhundert beeindruckte mit ihrer tollen gelb-blauen Beleuchtung, den Balkonen links und rechts und der tollen Barockorgel. Ich bekam vom Pastor, der gerade zugegen war einen Stempel. Gleich sollte hier ein Konzert stattfinden, da habe ich ja noch mal Glück gehabt. Die Altstadt ist einfach nur klasse mit den ganzen Fachwerkhäusern.
St. Marien, Celle
Das große Celler Schloss war eine der Residenzen des Hauses Braunschweig-Lüneburg. Es ist das größte Schloss in der Region der südlichen Lüneburger Heide. Ich umrundete es, wollte es morgen besuchen und setzte mich im Schlosspark auf eine Bank, einfach so dasitzen. Hinter mir die Pferde-Bronzeplastik "Hengst Wohlklang in der Freiheitsdressur". Aha, soso. Ich lief den Park runter und landete erst mal vor dem Knast, auch schön.
Celler Altstadt-Ansichten
Meine Unterkunft befand sich in der Nähe des Bahnhofs. Ich bezog mein Zimmer und wollte meine Sachen zum Trocknen hinpacken, Heizung geht nicht! Das geht gar nicht, grmph! Nach ein wenig Gezeter und deren Versprechen, dass sie später gehen wird, wartete ich ab und sie sollte recht behalten. Schön, Gemüt wieder beruhigt. Zum Essen ging's noch mal die Straße runter zu einen netten Griechen. Hier entschied ich mich bis Hannover weiterzuwandern, das war anfangs noch nicht ganz klar gewesen. Aber ich möchte trotz aller Widrigkeiten nach Hannover. Nun denn.
Erkenntnis des Tages
Wenn man glaubt: Nichts geht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her (oder ein Bauwagen mit Sofa).
Celle nach Burgwedel-Engensen
18 km
21.9.15
Leider hatte das Schloss zu, es ist Montag. Aha, bedenke: montags haben Museen, Schlösser, Kirchen mitunter zu!
Nun denn. Ich frühstücke beim Bäcker am Marktplatz und haute mir lecker Nutellabrötchen rein. Neben mir telefonierte eine völlig fertig aussehende Frau mit ihrem Mann oder Freund, der sie scheinbar zuvor geschlagen hatte. Es war unerträglich das anzuhören. Sie überlegte wieder zurückzugehen. Als ich aufbrach wendete ich mich ihr zu und meinte, dass sie etwas besseres verdient habe als so einen Typen. Sie schaute mich entgeistert an, lächelte und bedankte sich dafür. Ich hoffe sie geht nicht wieder zu ihm zurück. Aufgewühlt machte ich mich auf den Weg zum Bus, der mich aus Celle rausbringen wird an den Stadtrand nach Westercelle, um dort wieder an den Wanderweg anknüpfen zu können, den Fuhsekanal runter. Überhaupt entschied ich mich nach meinem Erlebnis zwei Tage später in Hannover, aus Städten rein-oder rauszufahren, wenn es sich um Gewerbegebiete, endlose Wohngebiete oder extrem befahrene Straßen handelt, denn das nervt und ist nicht gut fürs Pilgerherz.
Nach einem netten Gespräch mit dem Busfahrer und einer Mitfahrenden stieg ich aus und tauchte sogleich in den Wald ein, die Ruhe tut gut. So schön Celle auch war, ist halt einiges los in der Stadt. Kurze Zeit später lief ich durch Großmoor und kam am Kurfürstendamm an, na das ist ja mal was. Der Kurfürstendamm war ein kleiner Wirtschaftsweg, nichts mit viel Verkehr wie ich ihn ja von Berlin her kenne. Speziell.
Riesenparasole
Es ging über absolut platte Weiden, hie und da gab es wieder einige der Riesenpilze und immer wieder Bänke, auf denen man sich ausruhen konnte. Ansonsten plattes Land mit viel, viel Wiese.
The magic leave und der Künstler, der für das schwebende Blatt verantwortlich ist :)
Es war tatsächlich trocken, die Sonne kam immer wieder mal hervor und so legte ich mich in einem angrenzenden Waldgebiet abseits des Weges in das weiche Moos, Mittagspause mit Brot, Wasser und Füße lüften. Die brauchen auch immer mal wieder Pause und Luft. Auch habe ich mir angewöhnt Strümpfe zu wechseln, die werden ja auch leicht feucht mit der Zeit und das fördert Blasenwuchs, was tunlichst zu vermeiden ist.
Unterwegs sein und Pause machen wechseln sich ab
Im speziell gestalteten Zimmer in der einzigen Pension in Engensen mit seinem 50er, 60er und 70er-Jahre-Mix-Ambiente inklusive "Röhrender Hirsch", topaktuellem Radio aus den 50ern und Röhrenfernseher richtete ich mich häuslich ein. Nebenan gab's ne Kaffeemaschine, erst mal einen schönen Kaffee kochen. Mit mir waren hier noch ein paar Handwerker stationiert, ich hatte aber das Zimmer und auch das Bad für mich.
Ich muss einfach mal das topaktuelle Zimmer vorstellen. Hammer!
Ich wollte gerne hiesige kleine Kapelle besuchen, welche leider zu war, aber mit ein wenig telefonieren wusste ich wo ich morgen den Kirchenschlüssel herbekomme, das ist doch mal gut. Wenig später bekam ich leider schon sehr hungrig mit, dass das hiesige Restaurant Urlaub macht. Oh nicht gut, Maika hat Hunger! Mit Taxi und einem netten Taxifahrer ging's ins 5 km entfernte Großburgwedel in die Pizzeria. Die Pizza war der Hammer, das Bier toll und ich entspannte mich wieder und verbrachte hier noch eine Weile. Der Taxifahrer holte mich dann auch wieder ab und schüttete mir während der Fahrt sein Herz aus, erzählte von seiner Depression und seinen Problemen. Wir saßen vor der Haustür noch lange im Taxi und redeten. Es ist schon spannend, was einem alles so widerfährt, wenn man offenen Herzens unterwegs ist. Schön ist das. Ich verbrachte eine doch etwas kühle Nacht in meinem Antiquariat (die Heizung ging nicht), war aber auszuhalten.
Ich packte wieder meine Ohrstöpsel in die Ohren und hörte die letzen beiden Kapitel des Hörbuchs: Ich bin dann mal weg, von Hape Kerkeling. Er kommt in Santiago an und ich morgen in Hannover. Na Hannover ist doch auch immer eine Reise wert :-)
Naja, geht so!
Erkenntnis des Tages:
Gleichmut hilft bei Schwierigkeiten, müden Füßen und ähnlichem, wenn's denn klappt, braucht Übung. Alles was ist so annehmen wie es ist, wenn was nicht sein soll, geht die Welt nicht unter.
Freundlichkeit hilft, entspannt und erfreut auch den nächsten.
Burgwedel-Engensen
nach Hannover
20 km
22.9.15
Nach einem guten selbstgemachten Kaffee und Brötchen ging es noch in hiesige kleine St. Marcus Kapelle zum Gebet. Ich stand da alleine in der kleinen Kapelle, es war ein ganz besonderer Moment und still. Ich sang noch ein Lied, schloss sie wieder zu und steckte den Schlüssel nebenan in den Briefkasten.
Es ist mein letzter Tag und ein mulmiges Gefühl macht sich breit. Trotz aller Widrigkeiten würde ich gerne einfach weiterlaufen. Es macht sich so ein Forrest Gump-Gefühl breit, einfach weiterlaufen und nicht mehr aufhören. Die Sonne scheint, obwohl die Wetterapp was anders voraussagte. Nun, ich freue mich darüber. So ein wenig habe ich Bammel, dass der Hannoversche Trubel mir meine erworbene Gelassenheit nehmen könnte, aber ich schreite frohgemut voran. Ich laufe mal wieder über diverse Wiesen, tatsächlich gibt es nach langer Zeit mal wieder einen gelben Pfeil am Baum, komme am Campingplatz von Lohne vorbei und trete wenig später auf einen geraden Waldweg, der mich direkt auf die A7 zuführt und drunter durchleitet.
Kurz vor Hannover gibt es nur noch kleine geheime Wegemarkierungen, die Stadt hat sich wohl geweigert welche anzubringen bzw. das welche angebracht werden. Somit ist man mit Wanderapp besser beraten, aber auch der Wanderführer versucht einen durchzulotsen, was fast immer gelingt. Und so kam ich in Hannover an und stand neben dem Ortsschild, auch klasse, finde ich.
Autobahnen, Schnellwege, Mittellandkanal: ist alles mit dabei
Hannover ist schon speziell und ich denke so bei mir, was haben sie hier nur veranstaltet, das ist schon der Hammer: Ich passiere die erste Autobahn, die A7, um wenig später noch die A2 zu passieren, nicht zu vergessen unter dem Messeschnellweg hindurch und über den Mittellandkanal. Eingebaut von Schnellstraßen, krass! Nach dem Mittellandkanal ging ich die Variante über Groß-Buchholz, die im Wanderführer empfohlen wurde. Es ist ein sehr alter Ortsteil von Hannover und hat neben den alten Häuschen auch einen netten Brunnen. Bis dahin fand ich alles noch amüsant, dann wurde es aber stressig mit viel Verkehr und Lärm. Kurzerhand entschied ich mich ab Steuerdieb ein Taxi zur Marktkirche zu nehmen, damit mir nicht doch noch die Gelassenheit und Entspannung abhandenkommt. Wenngleich ich sagen muss, dass es ab hier ein gutes Stück durch die Eilenriede, ein Waldgebiet, geht, also sicher nicht so schlecht ist. Ich entschied mich aber anders. Im Regen, der dann später noch einsetzte stieg ich aus und sprang gleich in die Marktkirche St. Georgii et Jacobi rein. Am Eingang steht ein aus Stein gehauener Jakobspilger, innen ist sie eher schlicht.
Nach einem langen Gespräch mit der Kirchendame und einem schönen Stempel setzte ich mich abseits, zündete zwei Kerzen an, ließ alles Revue passieren und ging in mich. Durch die Fußgängerzone ging's dann zum Bahnhof, da steht schon ein schöner warmer Zug, den nehme ich. Mein Stiefvater holte mich ab und brachte mich heim. Meine Mutter hatte einiges für mich eingekauft. Schön ist das, ich bin gerührt.
Ich sitze in meinem Wohnzimmer und weiß, ich werde weiter wandern, irgendwann, aber das ist eine andere Geschichte, die soll ein anders mal erzählt werden.
Annehmen und Vertrauen, dass alles gut so ist wie es ist, dass ich da wo ich gerade bin richtig bin, dass Dinge, die mir nicht gefallen, Wetterkapriolen, körperliche Beschwerden, geschlossene Gaststätten, fehlende Frühstücks, Hochs und Tiefs, aber auch In-sich-Gehen, beten, singen, sich mühsam fortschleppen, Entscheidungen treffen, müde sein, hungrig und gesättigt, durstig und erfüllt, zum Pilgern dazugehört und richtig ist so wie es ist.
Alles hat seine Zeit.
Erkenntnis des Tages:
Wir sind immer auf dem Weg,
dem Pilgerweg,
dem Lebensweg,
dem Weg zur Arbeit,
dem Weg nach Hause,
dem Weg zu uns ,
dem Weg zu Gott...