Figeac nach Saint-Jean-Pied-de-Port 3

Wenig später geht’s wieder krass bergab, auf einen kleinen See zu, schön sieht das hier aus. Zeit für das erste gemeinsame Pilgerinnen-Foto von Elisabeth und mir. Wir umrunden den See auf einem schmalen Fußweg, bis wir von ihm weg die Felder erreichen. Links Mais, rechts Mais, vorne Mais, hinten Mais. Oben Mais? Nee, da haben wir blauen Himmel:-) Und unter uns den Asphalt. Wir können ja froh sein, dass der noch so klein ist, da kann man wenigstens in die Weite schauen. Wenn der voll ausgewachsen ist, dann läuft man an Mais-Wänden vorbei. Somit haben wir einen schönen Blick in die Ferne und schreiten quatschend voran. Es gibt viel zu erzählen, das ist schön. Ab und an kommen wir von der Straße ab auf kleine steinige Waldwege mit etwas Schatten, ein leichter warmer Wind weht. Wir machen Pause auf der Wiese.

Wir kommen recht früh in Miramont-Sensacq an, sind aber doch gut k.o., denn der Weg mit dem vielen Asphalt zollt seinen Tribut. Mit Miramont sagt es schon aus, dass der kleine Ort sich auf einen Berg mit Aussicht befindet. Es macht alles einen schönen Eindruck, sehr gepflegt, nette mediterran gestaltete Häuser mit roten Dächern, schöne Gärten, ein äußerst süßes Stoppschild mit Efeu umrangt. Das ist ja mal kreativ:-)

Die Kirche Saint-Jacques oben auf dem Berg ist in einem hübschen zartgelben Farbton gehalten und innen renoviert, ebenfalls in gelben Tönen. Und sie hat schöne Kirchenfenster. Der Wasserturm daneben sieht speziell aus, originelles Ambiente, würde ich mal sagen. Es gibt eine tolle Tafel, auf der sämtliche Berge der von hier aus zu sehenden Pyrenäen aufgezeichnet sind. Wir schauen angestrengt in die Ferne, können vielleicht einen Hauch von Berg entdecken, aber so richtig überzeugend ist das nicht. Wir wollen später nochmal vorbei kommen. 

Ein Stein besagt, dass es von hier aus noch 1000 km nach Santiago sind, aha, das hatten wir schon zweimal gehabt :-) Man könnte meinen, man kommt nicht wirklich voran :-) Eine kleine Gruppe Pilger wurde vom hiesigen Pfarrer aufgehalten, ein älterer Herr, dessen Lebensinhalt es scheinbar ist Pilger zuzutexten, denn sie stehen dort eine ganze Weile, und man hat das Gefühl, dass sie es nicht so richtig hinbekommen sich abzugrenzen. Einer ruft uns zu und oh je, nun sind wir auch mit dabei. Er ist derjenige, der den Stempel verteilt. Die anderen nutzen die Chance und verabschieden sich. Nun hängen wir mit ihm rum, er redet viel, aber als er bemerkt, dass wir keine Franzosen sind und der Sprache nun mal nicht so mächtig, lässt er uns dann doch ziehen. 

Wir suchen unser kleines Hotel auf. Die Dame des Hauses teilt mir mit, dass sie mich erst morgen erwartet hätte. Oh je, das ist übel, ist dann aber kein Problem, da es nicht voll ist. Das wäre mir ja sonst peinlich gewesen, denn ich habe Elisabeth ja hier mit eingebucht. Somit haben wir zusammen ein Zimmer, das ist für uns beide neu, aber okay. Wir machen uns soweit fertig mit duschen und co, sitzen auf ein nettes Bier und ein paar Brote im Garten und gehen dann nochmal nach oben auf den Berg zum Pyrenäenschauen. Ja man kann sie schon im Dunst gut erkennen, aber eben nur im Dunst. Egal, das Wetter ist schön, wir packen uns auf die Wiese und ich schlafe fast ein. Wir haben wenig später dann noch ein schönes Ins-Land-schauen-mit-Palmen-bei-untergehender-Sonne-Ambiente, schön! Lange verweilen wir dort, bis wir uns wieder auf machen zum Hotel. Im netten Garten können wir zu Abend essen. Neben uns eine Frau mit zwei Männern, die auch pilgernd unterwegs sind und die uns auch eine Weile hold bleiben sollten. Das Essen ist gut und reichhaltig und ich genieße es sehr mit Elisabeth jetzt hier zu sitzen und zu schnacken. Die Dame des Hauses versichert uns, dass wir auf alle Fälle die Pyrenäen noch richtig sehen werden, da ich schon wieder Zweifel bekomme. Aber auch hier sollte ich mich irren, genauso wie damals in der Schweiz, irgendwann laufen wir einfach dagegen, beziehungswiese befinden wir uns mittendrin, zumindest in den Ausläufern. So heißt es also noch Geduld haben. Wir gehen ja nun stetig nach Südwesten, somit sollte das kein Problem sein. 

3.6.21

Miramont-Sensacq nach Labalette

19 km

Heute ist es bedeckt und wir haben Zeit. Wir machen uns fertig und gehen entspannt nach einem guten Frühstück los. Es geht weiter die Straße entlang, geht dann aber scharf rechts in einen Feldweg über. Es ist noch kühl an diesem Morgen, somit haben wir unsere Jacken angelassen. Nach kurzer Zeit kommen wir wieder an einen Kilometerstein an, jetzt sind es nur noch 953 km, das ist beeindruckend. Ist mir gar nicht aufgefallen, dass wir schon so weit gegangen sind heute :-) Wir sind rasant :-) Nun gut, ich freue mich den ersten Stein mit einer dreistelligen Zahl zu Gesicht zu bekommen und das muss natürlich fotografisch dokumentiert werden. Wenig später sind es sogar nur noch 911 km, wir fliegen, toll :-) 

Nach fünf Kilometern erreichen wir die kleine Chapelle Sensacq, die wir auch sogleich besuchen. Sie befindet sich in the middle of nowhere und ist aus grauem Gestein, innen schlicht gehalten, mit freier Glockenarkade. Aber im Besondern soll sie ein Taufbecken zum vollständigen Eintauchen beinhalten, das schauen wir uns doch mal an, spannend. Ich hole mir ne Runde Wasser vom Wasserhahn und weiter geht’s über sanfte grüne Hügel, teilweise nette schmale Wege an und in kleinen Wäldchen mit angenehmen Waldböden. Die Wegweisung hat sich hier im Département geändert, statt des GR65-Wegweisers mit seinem rot-weißen Strich, ist nun wieder die Muschel, die gelbe, auf blauem Grund zugegen. Die Strahlen zeigen auch die Richtung an. Das finde ich klasse, das hatten wir ja schon lange nicht mehr. Aber weiterhin ist die Ausschilderung gut, hier in Frankreich ja sowieso die beste, die ich auf meinem ganzen Weg von Lüneburg bis hierher hatte. Aber das sagte ich ja schon in einem meiner vorherigen Berichte. Toll finde ich das. Das Handy kann fast immer in der Tasche bleiben, man braucht keine Wanderapp hier. 

Wir gehen durch urig bewachsene Hohlwege leicht bergauf Richtung Pimbo. Auch so ein toller Name, hört sich lustig an. Wenig später lichtet sich der Wald und macht Platz für eine tolle Sicht auf den Ort oben auf einem Berg mit einer beeindruckenden Kirche. Elisabeth hat ja nun ihre Tour abgeändert, deshalb wird sie nun nicht hier übernachten. Sie hat ja sogar ihren Zug um zwei Tage verschoben, das finde ich wirklich großartig. Aber sie wird am Ende einen Tag vor mir abreisen. Kurz vor dem Ort machen wir eine Wiesenpause, essen was und gehen gestärkt weiter.

Schnaufend kommen wir oben in Pimbo an, die Sonne kommt langsam raus. Oben an der Gîte gibt es ein kleines Café, hier steppt der Bär draußen an den Tischen, es ist Mittagszeit und der Franzos‘ isst gut und reichhaltig, inklusive Vin. Das wäre ja nun gar nichts für mich, das geht so krass in die Beine, dass danach das Wandern keine Freude mehr ist. Wein und Bier ist was für danach, finde ich. Somit setzen wir uns hin, trinken einen Kaffee und essen ein Eis, das ist doch mal was, toll. Noch ein Besuch in der hiesigen romanischen Stiftskirche mit dem Namen Saint-Barthémy, ein kurzes in sich gehen, dann geht’s gestärkt und blumig aus dem Ort raus.

Pimbo hat wohl eine Blumen-Auszeichnung bekommen. Was es nicht alles gibt. Nun geht es den ganzen Berg wieder runter, um unten im Tal angekommen wieder etwas steiler bergauf zu gehen. 

Wir haben das gleiche Tempo, das passt ganz gut. Anfangs ist Elisabeth ziemlich losmarschiert, da meinte ich schon zu ihr, dass wir uns auch mitunter trennen können und uns später wiedersehen, denn das ist mir doch zu schnell. Nun sind wir aber im gleichen Tempo unterwegs, ich glaube ich habe sie mit meinen kürzeren Strecken und meinem Tempo ziemlich entschleunigt nach ihren krassen Wanderetappen zuvor. Für mich ist es nun auch etwas weniger geworden, aber alles noch im Rahmen. Ich mag das gerne so Zeit zu haben. Auch der Wunsch nach Pausen ist gleich, das ist großartig, so muss sich keiner umkrempeln, das passt gut. Ich finde es klasse, dass wir nun gemeinsam unterwegs sind, uns über alles austauschen können: "Schau mal hier, und guck mal da!" Auch bleiben wir immer wieder gleichzeitig stehen um Fotos zu machen. Schön! Wir wandern bergauf nach Arzacq-Arraziguet, oh man, das ist kaum auszusprechen und wir versuchen es auch gar nicht und lachen über unsere Wortkreationen.

Im Ort angekommen haben wir nun tatsächlich unser letztes Département auf dem französischen Jakobsweg erreicht: Pyrenées-Atlantique, mit seiner Hauptstadt Pau, toll, hört sich klasse an. Arzacq-Arraziguet wurde tatsächlich von Engländern gegründet, viel ist vom englischen nicht mehr übrig, außer der schöne zentrale Platz, das hübsche Rathaus und die Kirche Saint-Pierre. Am Eingang besagt ein Schild, dass es die Partnerstadt von Schwarzach in Bayern ist, na sieh mal einer an. Wo auch immer Schwarzach liegen mag :-)

Wir laufen direkt auf einen Carrefour (großer Supermarkt) zu, den wir auch gleich aufsuchen und uns mit allerlei Essbarem bestücken, da es wohl jetzt auf weiterem Weg nicht so viel geben soll. Danach geht’s in die Touriinfo. Elisabeth holt sich oft einen Stempel aus den Touriinfos, die oft sehr schön aussehen, so auch dieser hier. Da wir uns ja so langsam in den Endzügen der Via Podiensis befinden frage ich einfach mal die Touri-Info-Frau, wie denn überhaupt die Coronalage hier in Frankreich ist, denn das ist ja wichtig für die Bestimmungen für die Heimreise nach Deutschland später. Quarantäne oder nicht, PCR-Test oder nicht? Sie meinte, dass die Inzidenzen (das Wort was niemand vor Corona kannte und jetzt zum wichtigsten Wort des Coronajahres geworden ist) am sinken sind. sie haben hier auch nur so 20, manchmal auch 50, aber die indische Variante, die wie ich später erfahren habe nicht mehr indisch heißt, sondern Delta, okay dann eben so, ist hier wohl immer mehr zugegen. Das würde bedeuten, dass wir hier im Variantengebiet sein könnten und es dann mit der Deutschland-Einreise tricky wird. Aber letztendlich sind wir einfach gefahren und haben keinen Hokuspokus draus gemacht. War dann auch in Ordnung. 

Nach unserem Schnack schauen wir uns noch die Kirche mit dem beleuchteten Altar an: Jesus und die vier Evangelisten. Über den schönen Platz mit den Arkadenhäusern aus kleinen Feldsteinen errichtet und den Mini-Platanen geht es raus aus dem Ort.

Es geht um einen kleinen See herum und den letzten Kilometer zu unserer Herberge, die Gîte in Labalette, wieder ein Bauernhof. Vorbei geht es am Pilgerbaum, der Arbre du pèlerin, der mit Muscheln, Rosenkränzen aus Le Puy und bemalten Steinen behängt ist. 

Wir kommen bei Nadine und Michel auf dem Bauernhof an. Ein netter Wegestein steht am Eingang, wir haben noch 908 Kilometer zu bewältigen und haben ab Le Puy schon ganze 614 km geschafft. Ja die Podiensis ist lang, 760 km, fast so lang wie der Camino Francés von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Santiago de Compostela mit seinen gut 800 km. Ein großer Hund springt freudig bellend auf uns zu, ist ja gar nicht so unsers, aber er tut ja nichts :-) Macht er auch wirklich nicht. Nadine ist wunderbar. Sie stellt sich auf uns ein, redet langsam und deutlich französisch, so dass man wirklich auch alles toll verstehen kann. In einer Nebenscheune müssen wir Schuhe und Rucksäcke lassen, packen unsere Klamotten in Boxen und gehen rüber ins Haupthaus. Diesmal haben wir beide ein Einzelzimmer, wieder mit großem Bett. Der Blick geht raus in die schöne bergige Landschaft, ein Hahn kräht im Hintergrund. Schön.

Nach der Dusche gehe ich runter in den Aufenthaltsraum. Da sitzt Michael, tatsächlich der zweite Deutsche, den ich hier treffe, er ist mit dem Rad unterwegs, heißt: wir sehen uns nur heute und dann nicht wieder. Wir kannten uns schon aus Facebook, da hatte er über seine Knieprobleme beim radeln erzählt, er möchte nach Santiago fahren und wird es auch tatsächlich schaffen, wie er später auf Facebook verlauten lässt. Draußen sitzt eine Französin, deren Namen ich wieder vergessen habe, die später beim Essen ziemlich präsent und laut ist, nervt etwas, aber auch solche Leute gibt es, sind halt alle unterschiedlich gell? Wir müssen sie ja nicht heiraten. 

Der Bauernhof befindet sich auf einer Anhöhe und der Blick schweift weit ins grüne hügelige Land, schön sieht das aus. Draußen befindet sich ein kleines Gärtchen mit schönen Rosen und auch Callas, den ein oder anderen Obstbaum und einer Wäscheleine, auf der im leichten Wind die ein oder andere Pilgerklamotte versucht zu trocknen. Hmm, ist gewagt, wenn ich mir die dunkle Wolke da drüben anschaue. Wenig später schüttet es dann auch aus Kübeln. Zum Glück konnte ich meinen Sarong noch retten, der trocknet nun  in der Bude. 

Das Essen später ist herausragend und auch wieder reichlich, aber es wird ohne Ende schnell französisch geredet und dazu eben auch laut, somit schlage ich den Abschluss-Tisane aus und verabschiede mich, gehe nach oben, schreibe Tagebuch und höre leise Musik. Draußen schüttet es gerade in Strömen und ein ordentliches Gewitter ist im Gange. Ich schließe mal schnell die Fensterläden. Oh je, ich hoffe dass sich das wieder verzieht. Nun, jetzt erst mal schlafen, was soll ich mir Gedanken um morgen machen. Wie hat Jesus schon gesagt? "Was macht ihr euch Sorgen um morgen, jeder Tag hat doch seine eigene Plage". Wie recht er hat. Aber als Plage würde ich meine Tage hier sowieso nicht bezeichnen, Es ist einfach nur schön, das Land ist wunderschön, die Natur, das Essen, auch die Sprache liebe ich wirklich. Ich finde französisch wirklich toll. Wenn alle so reden würden wie Nadine, das wäre super. Nun denn, was soll‘s, es ist wie es ist. Ich will nicht wissen wie es umgekehrt wäre, wir Deutschen können auch ganz schön schnell daher labern. Auch haben wir viel Umgangssprache mit dabei, das ist sicher auch nicht einfach. Nun aber schlafen, bonne nuit.

 

4.6.21

Labalette nach Pomps

18 km

Wir befinden uns laut meines Reiseführers nun in der historischen Provinz Béarn, die wegen der Sauce Béarnaise bekannt ist, obwohl diese wiederum hier gar nicht hergestellt wurde, aha. Es gibt zwei ursprüngliche Sprachen hier neben dem Französisch: das Gascognische, ein Dialekt des Okzitanischen, das hört sich schon komisch an und dann auch das Baskische, hört sich auch sehr abstrakt an. Geht also so langsam los mit dem Baskenland. Aber noch sind wir nicht da. Ich bin aber schon sehr gespannt und freue mich sehr auf das Baskenland, wo ich mir Männer mit wettergegerbter Haut und Baskenkäppis vorstelle, die mit einem Glimmstängel im Mund auf einem Hirtenstab gestützt Schafe hüten. So stellt sich die liebe Maika also Basken vor. Bin ja mal gespannt was dann so auf mich zukommt.

Aber nun mal wieder zurück zu diesem Morgen, der grau und mit regenverhangenen Wolken anfängt. Nun besser als Regen selbst finde ich, der hat sich nachts ausgetobt, aber leichtes bis mittelstarkes Gepiesel ist schon noch mit von der Partie. Nun denn. Wir verabschieden uns herzlich von Nadine und Michel und auch den anderen, wünschen Michael noch fitte Knie für seine Radtour nach Santiago, und machen uns auf, den schönen Landschaftsweg leicht bergab. 

Ein mystischer Nebel hat sich in den Bergen festgesetzt, Wassertropfen hängen in den Ästen und an den Blättern, es riecht nach Regen. Das GR65-Zeichen mit seinem weiß-roten Strichen weißt uns zuverlässig durch den Nebel.

In Louvigny angekommen gibt’s einen kurzen Schnack mit einer Frau, die uns vom Fenster aus zuruft. Weiter geht’s. Nun wird es doch feucht von oben, Zeit für das Regencape, die Regenhose habe ich gleich schon von Anfang an angezogen, besser is. Die Schuhe müssen wenig später auch noch mit den Überschuhen geschützt werden, sonst gibt’s nasse Füße, auch nicht schön. Im nächsten Ort mit dem eigenartigen Namen Fichous-Riumayou haben wir das große Glück vor der Kirche einen überdachten Vorraum mit Bänken zu erwischen. Super, denn es ist Zeit für die Mittagspause. Wir sitzen nun in nassen Klamotten, darunter aber trocken geblieben hier auf den Bänken und essen unsere Brote mit dem üblichen, für mich gibt’s danach wieder die leckeren Haribo-Erdbeeren. Die Dreiertruppe aus Miramont-Sensacq kommt ums Eck, die Frau mit den zwei Männern, sie sind mit Tagesrucksäcken unterwegs und kommen auch hier unter, ist doch zu feucht da draußen. Ich statte der Kirche, die geöffnet ist, einen kurzen Besuch ab, dann schultern wir unsere Rucksäcke, sortieren unsere Regenklamotten und gehen weiter.

Wir machen uns auf den Weg, Richtung Larreule, dem nächsten Ort, mit einer wunderbaren Kirche, oben auf einem Berg gelegen, durch Treppen zu erreichen. Da wir heute viel Zeit haben, gehen wir die Treppen zum unscheinbar aussehenden Kirchenhaus hoch. Es ist die ehemalige Klosterkirche Saint-Pierre aus dem 12. Jahrhundert, die leider die ein oder andere Zerstörung über sich ergehen lassen musste. Somit ist nur noch ein kleiner Teil übrig, der ist aber echt klasse.

Unten gibt’s einen kleinen Rastplatz mit Bänken zum sitzen, hier haben sich diverse andere Pilger eingefunden. Nix für uns, wir gehen aus dem Ort wieder raus. An der Gite hier in Larreule ist ein kleiner Raum mit angeschlossen, hier kann man sich Kaffee, Kakao oder Cola ziehen, ein Schokolädchen, alles was das Pilgerherz begehrt. Das ist doch klasse. Wir setzen uns hier erst mal schön gemütlich aufs Sofa und machen schon wieder Pause. Diesmal mit lecker heißem Kaffee und Kitekat, toll!

Gestärkt geht es weiter, immer bangend auf die Wetterapp blickend, aber es bleibt dann am Ende doch nicht aus, uns erwischt so eine richtig fiese Starkregen-Wand. Das ist nun gar nicht mehr lustig, das ist so richtig Mist, da können auch die Regenklamotten nichts mehr abhalten. Wir flüchten fast rennend ums Eck unter einen Baum. Zum Glück ist es einer, der relativ dicht hält. Elisabeth steht neben mir in ihrem gelben Cape, was nicht so ganz der Hit ist und sieht wie ein begossener Pudel aus, nun, ich sehe bestimmt nicht besser aus, nur halt in türkis :-) Wie zwei begossene Pudel in gelb und türkis stehen wir nun da und warten. 

Es wird leicht besser, so machen wir uns wieder auf den Weg. Man kann es nicht ändern, gehört zum Pilgern mit dazu, eines meiner Find-ich-total-doof-Momente. Aber der Regen währt ja bekanntlich nicht ewig. Keine Dunkelheit währt ewig, am Ende wird es doch immer hell und auch licht. Das haben wir ja mittlerweile schon gelernt. Der nächste Ort ist Uzan, hier wird Elisabeth unterkommen in einem Chambre d’Hôtes. Sie hatte diese Unterkunft nun schon einmal getauscht und wollte nun nicht nochmal absagen, so werden wir heute getrennt voneinander unterkommen, denn ich werde noch weiter nach Pomps laufen. Wir finden ihre Gîte, eine ältere Dame schaut aus der Tür raus und lotst uns runter in die Garage, wo wir uns der nassen Klamotten entledigen. Ich werde noch einen Tee mit den beiden in der Küche mittrinken und will mich nach der nächsten Regendusche wieder auf den Weg machen. Es ist sehr nett dort, da hat sie sich wirklich einen schönen Ort ausgesucht. Sie bleibt auch tatsächlich ganz alleine heute Nacht hier. Wir quatschen ein bissel über dies und das, was auch gut klappt, denn die Dame spricht langsam und deutlich. Dann mache ich mich wieder auf den Weg, in der Hoffnung, dass ich nun, so schön getrocknet und gewärmt wie ich gerade bin, nicht noch in ein Unwetter kommen werde, ist nicht ganz gut auf meiner Wetterapp abschätzen. Ich gehe also nun alleine meinen Weg weiter. Die Dreiertruppe sehe ich vor mir in der Ferne ums Eck biegen, als ich die kleine Straße aus Uzan hinausgehe. Es sind noch 4 km für mich. 

Ich komme über den kleinen Bach Ayguelongue, daneben befindet sich ein toller Rastplatz mit Bänken, Tischen, sogar eine Hängematte ist mit dabei. Aber was ich ganz besonders finde sind die wirklich riesigen Callas, die noch höher sind, als ich es selbst bin, das habe ich aber auch noch nicht gesehen, Riesen-Callas, toll. In Geus-d’Arzacq setze ich mich gegenüber eines Kindergartens noch mal auf eine Bank, habe echt Kohldampf, die Kekse müssen dran glauben. Ich sehe die dunkle Wolke frontal auf mich zukommen, schaue in mein Regenradar, okay, dass müsste noch zu schaffen sein. Müsste!!!

Ich spurte im Turboschritt los. Es geht durch die Wiesen Richtung Pomps. Ich bete zu Gott, dass er doch Erbarmen hat. Bin gerade so schön trocken geworden, fühlt sich gut an. Bitte nicht noch eine Dusche vorm Ziel. Aber alles beten hilft nichts, die Regenwolke kommt schneller, als mir das Radar zuvor angezeigt hatte, es donnert laut, Blitze zucken und dann fängt es an zu schütten. Total außer Atem renne ich fast, kann den Ort da hinten schon sehen. Nee bitte, warte nochmal, nur noch 10 Minuten. Aber nee, kannste abhaken!! Grmph!! Wüt!! Klitschnass kämpfe ich mich durch den Regen und verfluche Gott. Sage ihm, er kann mich mal kreuzweise und worauf soll man denn vertrauen? Gottvertrauen? Ja worauf denn?  Läuft ja doch wie es will, ich verstehe das alles nicht und kann mich mit der Situation gerade überhaupt nicht abfinden und kotze echt ab, schreie in den Regen zum Himmel, Tränen laufen mir vor Wut über die Wangen. Oh man, das nun noch am Ende jetzt. Ich stürme in die heutige kommunale Gîte, mal sehen was mich da so erwarten wird. Die anderen sind in einem Chambre d’Hôtes unter gekommen, ich ahne nichts Gutes. Die Gîte steht an einem Schulgelände, daneben die Turnhalle. Ein Herr steht da unterm Dach und wartet auf mich und bringt mich dann nach nebenan ins Nachbarhaus. Es gibt einen großen Raum mit mehreren Betten, zwei sind schon belegt. 

Ich stehe triefend vor ihm, frage nach Zeitung für die Schuhe, nee, hat er nicht. Ich kann das jetzt alles gar nicht glauben und bin den Tränen nahe. Nun ich hänge meine nassen Klamotten auf, da kommt er doch mit Zeitung ums Eck. Das freut mich, die stopfe ich gleich in die nassen Schuhe. Ich versuche mich mit der Situation zu arrangieren und nehme das Bett am Fenster. Nach viel Gewurschtel und Geräume, der halbe Boden ist von meinen nassen  Klamotten durchnässt, suche ich die Dusche auf, die schön groß ist und deren Wasser schön heiß an mir herunterläuft. So langsam komme ich wieder zu mir und gehe mit meinen Esssachen rüber in den Aufenthaltsraum und esse was. Dédé macht mir einen Kaffee, bzw. er wärmt alten Kaffee in der Mikrowelle auf, okay, dann eben so, schmeckt auch. Nachdem ich gegessen habe und so einigermaßen wiederhergestellt bin gehe ich noch rüber ins Lädle, besorge mir ein schönes kühles Bier und ein paar Leckereien, das brauche ich jetzt einfach und packe mich in die tatsächlich nun rauskommende Sonne vor die Gîte. Dédé wäscht derweil meine Klamotten. Ich habe ihm alles in die Hand gedrückt, den Rest habe ich an. Später bekomme ich schön getrocknet und duftend alles wieder, das ist wunderbar. Am Ende wurde ja doch alles gut. Ja, ja wie das eben immer so ist. Das Zimmer ist gut, das Pärchen, mit denen ich mir den Schlafraum teile ist nett und wir quatschen schön miteinander auf Französisch, das Essen nachher im Aufenthaltsraum ist ein gutes Boeuf Bourguignon, mit Rotweinsoße und wir reden über den Mauerfall (und das auf Französisch, geht auch :-)). Das WLAN ist erstaunlicherweise klasse und meine Nacht wird eine gute werden. Leider gibt es hier mal wieder ein Notausgangsschild in leuchtendem Grün, das kenne ich ja schon, das ist dann, wenn es dunkel ist besonders hell, das hat mir schon mal eine schlaflose Nacht gebracht, das muss definitiv vermieden werden. Somit wird ein Sitzpolster davor geklemmt, dann ist’s dunkel. Schön, alles gut. Morgen ist ein neuer Tag. 

 

5.6.21

Pomps nach Maslacq

20 km

Ich sitze alleine am Frühstückstisch, Dédé hat schon den Kaffee gekocht, der steht auf dem Tisch, alles andere kann ich mir aus dem Kühlschrank nehmen. Das Pärchen ist schon unterwegs. Ich habe noch etwas Zeit, da Elisabeth ja erst die 4 km von Uzan nach Pomps laufen muss und mich dann einsammelt. Es ist ganz still, ich packe meine Sachen, meine Schuhe und alles andere sind wunderbar getrocknet, die Sonne scheint, ein schöner Tag steht uns bevor. 

Elisabeth hat den Turbogang eingeschaltet und ist alsbald auch schon im Ort. Nun gehen wir wieder gemeinsam und werden uns auch nicht mehr trennen. Es gibt einiges zu erzählen. 

Nach einem steilen Aufstieg hoch zum Dorf Castillon, ist verschnaufen angesagt. Ich schaue mir die kleine, aber hübsche Steinkirche an, verweile kurz. 

Draußen schweift der Blick weit in die Landschaft. Es ist so richtig schön idyllisch hier. Im Hintergrund sind wieder Motorengeräusche zu hören, hört sich wieder an wie so eine Formel1-Strecke. Wir schauen im Internet, aha, das ist der Circuit de Pau-Arnos, ein kleinerer Rundkurs westlich der Stadt Pau, spannend. 

Weiter geht’s nun wieder steil den Berg runter und weiter zur Chapelle de Caubin. Man könnte auch die Straße weiter geradeaus gehen, das wäre dann um einiges kürzer, dann hat man aber nicht den schönen Ausblick zu den Pyrenäen rüber, die leider immer noch weit weg und im Dunst liegen. Aber wir nutzen den schönen Ort für unsere Pause, suchen uns ein Schattenplätzchen und schlemmen erst mal. 

Die kleine Kirche ist aus dem 12. Jahrhundert, sieht von außen wieder sehr eigenartig aus, von innen aber schlicht und hübsch. Angrenzend gibt es einen kleinen Friedhof, das ist gut, denn das heißt für mich: Wasser zapfen. Ich schütte mir ordentlich Wasser rein und fülle meine Flasche auf. 

Wir machen uns auf den Weg in den doch sehr langgezogenen Ort Arthez-de-Béarn. Quatschend gehen wir durch den Ort, immer die Hauptstraße entlang, die damit etwas kurzweiliger erscheint, bis wir zum Ortsplatz kommen. Hier ist ordentlich was los, einige Geschäfte, Cafés, alles was das Herz begehrt. Ich warte in der Schlange vor der Boucherie, denn ich möchte mir noch eine Salami holen. Der Verkäufer macht mega einen auf cool, will scheinbar seinen Lehrling und auch uns imponieren, mich nervt es nur unendlich, denn es dauert ewig, bis der mal aus dem Quark kommt. Aber was soll's, dann ist eben warten angesagt. Es geht aus der quirligen Stadt raus auf eine Hochebene mit schönem Weitblick.

Das lädt zu einer schönen Weitblick-Pause im Gras ein, die wir dann auch nochmal ausgiebig zelebrieren, inklusive Füße lüften und einfach mal ne Runde hinlegen. Ab und an geht ein Pilger den schönen Feldweg entlang, den ein oder anderen kennen wir ja nun auch. Wenig später geht es eine langgezogene kleine Straße mit hintereinander gereihten Ortschaften entlang nach Argagnon. Anstrengend ist es, warm ist es, wir würden doch gerne ankommen. Der Asphalt zollt seinen Tribut, die Füße sind müde, miteinander reden hilft da gut. Das machen wir auch fleißig. Endlich unten in Argagnon an der kleinen Kirche angekommen gibt’s wieder Wasser für mich. Elisabeth hat einen Trinkbeutel im Rucksack, sie ist nicht so abhängig von den Wasserhähnen des Weges wie ich. Vielleicht werde ich mir auch so ein Teil holen. Ich denke vor allem in Spanien ist das nicht schlecht, denn da ist das mit dem Trinkwasser mitunter nicht so klasse. Hier in Frankreich haben sie eine sehr hohe Trinkwasserqualität, hohe Kontrollen, so wie in Deutschland. In Spanien ist das jedoch etwas anders. Ich habe ja immer so wenig mit, damit ich nicht so viel schleppen muss. Anderthalb Liter Wasser sind nun mal anderthalb Kilo. Nun gut, ist jetzt aber nicht mein Thema, ich steuere auf den Wasserhahn am angrenzenden Friedhof zu und zapfe mir wieder was. 

Auf geht es zum Endspurt, etwas abenteuerlich die Straße kreuzend und über den Fluss Gave de Pau rüber und weiter runter nach Maslacq. Der Ort ist irgendwie eigenartig, nichts halbes und nichts Ganzes. Es geht an einer einsamen Straße entlang, an einem Pelotafeld, was schon bessere Zeiten gesehen hat, vorbei Richtung Kirche. Wir suchen unsere Gîte auf, stehen da noch ein bissel mit den dreien, die wir schon in Miramont-Sensacq kennengelernt haben, rum und warten, denn es macht keiner die Tür auf. Ich gehe zwischenzeitlich mal rüber zur Kirche, die eigentlich ganz nett ist, finde ich. Nach einem Telefonat kommt die Gastgeberin Evelyne ums Eck und weist uns die Zimmer zu. Unser Zimmer ist winzig und im Dachgeschoss, aber mit nettem Blick auf hiesige Kirche und später auf den Sonnenuntergang. 

Wir stehen erst mal ein bissel ratlos rum. Okay, dann arrangieren wir uns mal mit der Enge, versuchen irgendwelche Aufhänge-Möglichkeiten für unsere Klamotten zu finden, die Rucksäcke liegen im Weg rum, hmm. Ich gehe mal duschen, danach sieht die Welt doch meistens anders aus.  Irgendwie arrangiert man sich ja dann doch und dann geht’s wieder. Wir gehen noch in den Ort, in die hiesige kleine Épicerie (Tante Emma-Laden nenne ich das jetzt mal), holen uns das ein oder andere leckere und vor allem ein tolles Eis, was wir dann auf einer Bank an der Hauptstraße zu uns nehmen. Wir beobachten das nicht vorhandene Treiben, es ist wirklich gar nichts los hier. Ab und an kommt ein Auto vorbei, ein Mensch biegt hinten ums Eck, einige Tauben gurren wie die Weltmeister im Hintergrund, neben uns ein Schloss, das auch schon mal bessere Tage erlebt hat. Ich sage ja, speziell. Nun denn, isso. Wir sitzen da so und verweilen hier eine ganze Weile, irgendwie ist das jetzt auch sehr entspannt und schön. Also Maslacq hört sich spannender an, als es ist, ist jetzt nicht so der Hit.

Irgendwann brechen wir wieder auf, es gibt bald was zu essen. Wir sitzen alle draußen überdacht am Tisch, sind ja doch noch ein paar zusammengekommen. Es wird viel geredet. Im Miam Miam Dodo sind unheimlich viele Fahnen aufgezeichnet, was die Gastgeber angeblich alles sprechen. Nun am Ende bleibt es bei französisch, das andere können sie dann doch nicht so, hmm, eigenartig. Egal, das Essen ist super, der Wein mal wieder klasse, die Gespräche in einer angenehmen Lausstärke, schön. Beim angebotenen Tee mache ich dann wieder die Fliege und gehe nach oben, setze mich auf mein Bett unter die kleine Dachluke und schreibe. Die Sonne macht sich bereit in wundervollen Orangetönen unterzugehen. Schön sieht das aus. 

 

6.6.21

Maslacq nach Navarrenx

22 km

Heute haben wir einen langen Weg vor uns. Wir gehen als erste los und sollten auf unserem heutigen Wege kaum jemanden zu Gesicht bekommen. Es ist bedeckt und auch kühl, als wir aus dem Ort hinausgehen. Links geht es von der Hauptstraße ab nahe an den Fluss Gave de Pau heran, Zeit für ein Losgeh-Foto mit Elisabeth und Maika. Über sehr bergiges Gelände mit steilen Auf-und Abstiegen und mit Mais, Sonnenblumen oder einfach nur Wiese mit Kühen geht es weiter über den kleinen Fluss mit dem eigenartigen Namen Laà Richtung Sauvelade

Hier gibt es eine Zisterzienserabtei, die ursprünglich 1123 von Benediktinern gegründet wurde, aber dann sich den Zisterziensern anschloss. Der geöffneten Abteikirche statten wir einen Besuch ab, der Rest ist geschlossen. Nebenan gibt es eine Gîte, hier wäre Elisabeth eigentlich untergekommen, aber nun hat sie ja ihre Tour geändert und wir gehen zusammen, das ist wirklich toll. Wir trinken jedoch draußen am Tisch einen kleinen Kaffee und ziehen dann wieder unserer Wege.

Ein weiterer Berg wartet auf uns und viel Asphalt, das ist mitunter wirklich anstrengend. Nun die landwirtschaftlichen Wege sind hier oft asphaltiert, das lässt sich bei dem Lehmboden wohl auch nicht vermeiden, aber für die Füße ist das heavy. Wir stoßen auf einen wundervollen Pausenort mit vielen wunderbaren Sprüchen, die überall herumhängen. Es gibt einen Tisch und Stühle, ein Sofa, man kann sich einen Kaffee nehmen. Das ist doch mal toll. Hier sollen wohl ein paar Leute unten im Wald wohnen, die das hier so hergerichtet haben. Sie leben von und mit der Natur, also ganz ursprünglich, so heißt es. Nun denn, wir machen eine kleine Pause und lesen uns die vielen Sprüche durch. Der erste Satz ist von Bob Marley: Baby don’t worry about the things, 'cos every little thing is gonna be alright. Schön! 

Ein weiteres Schild besagt, dass es noch zweieinhalb Stunden nach Navarrenx sind. Die Wolken brechen auf und machen einem wunderbaren blauen Himmel Platz, die Sonne scheint, es wird angenehm warm und die Farben der Landschaft bekommen ihr kreischfarbendes zurück, schön ist das. Life begins where fear ends. Stimmt! Eine Schaukel ist an einem Ast befestigt, da muss ich unbedingt rauf. Ich schaukel so vor mich hin, schöner Ort.

Wir gehen weiter durch die wundervolle Landschaft mit tollen Blicken in die Ferne. Runter vom Berg ins Tal bei Le Grand Saule und wieder hoch auf die Berge, fallera!!

Wir sind k.o. und suchen einen Pausenort, aber so das wahre ist das hier noch nicht, weiter geht’s. Über uns kreisen viele riesige Raubvögel, sieht fast aus wie Geier, wir wissen es nicht genau, es ist einfach nur schön. Im kleinen Ort Boussaque angekommen begeben wir uns auf eine Wiese und packen uns einfach mal hin. Pause. So eine schöne Pause mit so einem schönen Blick in so eine schöne Landschaft. Und oben die kreisenden Geier oder was auch immer, schön.

Die weißen Kühe mit ihren langen Hörnern sind beeindruckend, eins von ihnen kommt neugierig näher. Ja ja, Kühe sind sehr neugierig :-) Schön, dass sie hier auf so großen Weiden stehen können und nicht ihr Leben in einem engen, stinkigen Stall darben müssen.

Wir brechen wieder auf und werden mit einem tollem Blick rüber über ein Sonnenblumenfeld bis zu den Pyrenäen für den langen und beschwerlichen Weg belohnt. Jetzt kann man die Berge schon richtig groß erkennen, ich finde das alles unheimlich aufregend.

Wir kommen in den schattigen Wald, hier gibt es wieder Wasser für mich. Eine Trinkwasserquelle sprudelt aus dem Gestein, schönes kühles Wasser, hmm, toll! Es gibt einen In-sich-geh-Stein mit dem Spruch: Jésus dit a la samaritaine: Qui boira de l’eau que je lui donnerai aura la vie éternelle. Auf Deutsch: Jesus spricht zu der Samariterin (am Brunnen): Wer vom Wasser trinkt, dass ich ihm reiche, hat das ewige Leben (dem wird nie wieder dürsten) Wie schön! Frisch, gestärkt geht es nun in die Endetappe nach Navarrenx, auf das ich mich schon freue. Soll ein schöner Ort sein (eine ville plus beau de France), der sich anzuschauen lohnt, sagte man uns. 

Durch ein kleines Sträßchen kommen wir in den Ort hinein und laufen direkt auf unsere Gîte zu: Le cri de la giraffe. Interessanter Name, wusste gar nicht, dass Giraffen schreien können, aber wer weiß :-) Fabian begrüßt uns an der Tür auf Deutsch, das ist ja mal eine Überraschung. Er gibt uns ein wirklich herausragendes Zimmer, fast wie eine Wohnung. Jeder hat sein Schlafzimmer, es gibt sogar einen kleinen Balkon, ein tolles Bad, einen Föhn. Hammer, was für Unterschiede es doch in den Gîtes gibt. Man kann es gar nicht Gîte nennen, das ist hier echt der Hammer. Nach dem Minizimmer von gestern genießen wir das hier natürlich total. Die Klamotten haben genug Platz, getrennte Schlafzimmer ist auch nicht schlecht, da ich meistens doch länger wach bin als Elisabeth, so kann abends jeder sein Ding machen. Toll!

Wir trinken im Innenhof ein Wasser mit Grenadine, quatschen ein bissel und geben unsere Wäsche ab. Das ist wirklich toll hier auf der Podiensis, dass man die Wäsche gewaschen bekommt, oft auch noch getrocknet und oft ist das inklusive, so wie hier in dieser Gîte. Das ist prima :-)

Navarrenx wurde erstmals 1078 urkundlich erwähnt. Der Ortsname geht auf das alte Königreich Navarra zurück. Im 14. Jahrhundert wurde der Ort zu einer Bastide ausgebaut, bedeutet schachbrettartige Straßenverläufe (wie in Montréal) und einen zentralen Platz mit natürlich der hohen Stadtmauer und der Befestigungsanlage. Hier leben gut 1000 Einwohner und es gibt einige Touristen, denn der Ort hat eben einiges zu bieten.

Unser erster Gang geht aber in den hiesigen Carrefour shoppen. Ein paar Lebensmittel müssen her, ein Brot und all solche Sachen. Danach machen wir uns auf zur Kirche Saint-Germain d’Auxerre, eine farblich hübsche Kirche mit einem toll beleuchteten Altar: Jesus und seine Jünger beim Abendmahl. Auch ein Jakobspilger ist vorhanden, man kann Kerzen anzünden. Schön ruhig ist es hier. 

Nebenan geht es aktiver und lauter zu, da befindet sich ein Pelotafeld und es wird gespielt. Das finde ich ganz spannend, denn Pelota ist ein typisch baskisches Spiel, was ähnlich unserem Squash funktioniert. Es gibt eine Steinwand, die Pelotawand bei der von zwei Einzelspielern oder aber auch Mannschaften ein Ball mit Schlägern gegengeschlagen wird. Es ist ein sehr schnelles Spiel und macht Spaß zuzuschauen. 

Wir ziehen weiter am Hotel de Ville (Rathaus) mit diverse Wahlplakaten davor, vorbei, an hübschen Häusern entlang Richtung Festungsmauer.

Dort kann man dann eine kleine Steintreppe hinauflaufen und oh…

...was für ein schöner Ausblick runter zur antiken Brücke aus dem 13. Jahrhundert, die den Gave d’Oloron überspannt, der in einem türkisen Blau an Kiesinseln vorbei fließt. In der Ferne ist ein Fischer auszumachen, der mit seiner langen Angel mitten im sicher kalten Wasser steht und wartet. Schön sieht das aus. Also hier gibt es wirklich einiges zu sehen, wäre schade wenn man hier einfach durchmarschieren würde. 

Wir gehen auf der anderen Seite eine schmale, steile Treppe hinunter zum Place des Casernes. Viele Menschen sitzen draußen in den Cafés, wir setzen uns auch an einen frei gewordenen Tisch und trinken ein schönes kühles Bier, bevor wir uns auf den Rückweg zur Gîte machen. Wir sitzen noch schön in der Sonne auf unserem Balkon und genießen die Wärme bevor wir runter zum Abendessen gehen, welches es draußen im Innenhof gibt.

Einige weitere Pilger sind noch mit dazugekommen. Ich sitze gegenüber einem Franzosen mit Namen Laurence, der echt nervig ist, er ist laut, macht blöde Sprüche und findet sich dabei total toll. Ja leider gibt’s auch diese. Das junge Pärchen daneben ist ganz nett. Sie gehen wohl noch gemeinsam bis Aroue und sie fährt dann nach Hause, er möchte nach Santiago gehen. Es gibt lecker Essen mit selbstgemachtem Eis zum Abschluss, das ist doch mal was.

Wir verabschieden uns von der Truppe und sitzen noch jeder auf seinem Bett, ich schreibe und höre später Hörbuch, schön. Was für ein schöner Tag, was für eine tolle Gîte und was für ein toller Ort. Morgen geht es dann ins Baskenland, da bin ich schon total gespannt. Und wie werden wohl die Basken aussehen?

 

7.6.21

Navarrenx nach Aroue

21 km

Ich öffne die Fensterläden, und werde vom strahlenden Sonnenschein empfangen, toll!. Das wird ein schöner Tag. Nach dem Frühstück sammeln wir unsere Plünnen unten im Flur zusammen. Alles wurde dort wieder fein säuberlich drapiert. Die Schuhe im Regal, der Rucksack in der Ecke, die Wanderstöcke am Haken. Durch den Wäschesack mit der gewaschenen Wäsche aller Pilger haben wir uns schon gestern durchgekämpft. Gut wenn man dann auch alles findet. Interessant was Leute alles so mitnehmen zum Pilgern :-)

Wir machen uns auf den Weg, gehen durch die schöne Altstadt immer den im Fußweg eingelassenen Jakobsmuscheln nach, bis zur Festung am Ende. Wir wollen nochmal runterschauen, gehen die kleinen Steintreppen nach oben und wieder oh…

..der Blick schweift in die Ferne und zur schönen mit Blumenarrangements bestückten Brücke über den Gave d'Oloron.  Es ist Zeit Navarrenx zu verlassen. 

Wir gehen über die Brücke, über einen wild befahrenen Kreisverkehr stetig bergauf. Es wird ruhiger. Angenehme Temperaturen, Sonnenschein und schöne Wege warten auf aus.

Mit Überquerung des kleinen Baches Lausset befinden wir uns voll und ganz im Grünen. Schöne asphaltlose Wege warten auf uns und viel Stille, schön!

Weiter geht es über sanfte Berge an üppigen Wiesen und Getreidefeldern vorbei. Vor uns sind die Berge der Pyrenäen nun schon sehr gut zu erkennen, weit sind sie nicht mehr, nur noch drei Tagesmärsche entfernt. Die Grillen zirpen, die Lerchen singen ihr unendliches Lied und fliegen dicht über die Feldern. Ab und an verschrecken wir eine sich sonnende Eidechse auf dem Weg. Wir gehen in Stille, Zeit zum Nachdenken. So ein wenig wird mir bange, bald sind wir in Saint-Jean-Pied-de-Port, dann ist diese Pilgertour für uns beendet, dann fängt die Arbeit wieder an. Wie wird es sein, wie geht es weiter? Fragen, die ich bis dato noch nicht beantworten konnte. Aber eine Gewissheit ist da: Alles wird gut werden, auch wenn es mitunter Geduld braucht. Ein Schritt nach dem anderen, beim Pilgern, aber auch im Alltagsleben. Ich höre das unterschiedliche Klackern unserer Wanderstöcke. Elisabeth geht vorneweg. Es duftet nach Heu, ab und an kommt ein Blumenduft ums Eck, den ich nicht definieren kann, schön ist das alles. Madeleine wandert alleine an uns vorbei, wo hat sie wohl ihren Mann gelassen? Sie marschiert immer ordentlich vorneweg, ihr Mann ist da immer etwas langsamer. Sie treffen sich später wieder. Wir grüßen, schnacken ein wenig und sie zieht ihrer Wege und wird immer kleiner.

Wir gehen weiter über einen schönen Feldweg, in der Ferne oben ist Lacorne zu erkennen, es ist Zeit für eine Pause, die wir aber nicht dort machen, sondern auf eines der abgemähten Heufelder. Das ist wunderbar, denn es ist schön weich und duftet nach Heu. Ein kühlender Wind macht die Wärme etwas erträglicher. Wir verweilen Füße lüftend und Chocolatine-essend im Heu und machen uns nach ner halben Stunde wieder auf den Weg den Berg hoch.

Oben angekommen kann man an einem Bauernhof diverses zu Essen kaufen, vor allem Pasteten, ist ja nun gar nicht meins. Aber ich brauche Wasser, was mir der Typ aber verwehrt, Idiot, dann eben nicht. Aber kaufen werde ich jetzt auch nichts, ich brauche einfach auch nichts, so!

Wir gehen weiter, kurz vorm Baskenland gibt es den Ort Charre, da gibt es einen Wasserhahn, der sich mir hoffentlich nicht verweigern wird. Wir gehen über die Wiesen, die ersten Schafweiden kommen in Sicht, aha, Baskenland!! Da soll es ja viele Schafe geben. Bevor wir aber den Fluss Saison überqueren, der die Grenze zum Baskenland bildet, zweigen wir nach Charre ab. 

Ein netter kleiner Ort, verlassen und still liegt er da, eine schöne geweißte Kirche und ein tolles Pelotafeld gleich daneben. Aber das Beste ist natürlich der Wasserhahn, der mir frisches kühles Wasser schenkt, ich freue mich. Wir verweilen ein wenig in diesem Ort, kleine Pause, bevor wir weitergehen. Die geweißten Häuser sollen uns nun häufiger begegnen, denn im Baskenland ist es die Bauweise. Schöne weiße Häuser mit großen Ecksteinen, so ganz anders, als das, was wir bisher hatten. 

Wir kommen an die Brücke, die über den Fluss Saison verläuft. Nun ist es soweit, toll, ich finde das großartig und just kommt in diesem Moment Madeleine wieder ums Eck, sie hatte in Lacorne eine längere Pause gemacht und somit haben wir sie überholt. Sie macht ein Foto von uns und zieht wieder ihrer Wege. Der Fluss, glasklar in leichten Türkistönen, sieht toll aus. 

Der erste Ort nach der Brücke heißt Lichos oder auf Baskisch Lexoze. Die baskische Sprache hat viel „X“ und auch erstaunlicherweise „Ü“s mit dabei, komische Sprache. So eine Mischung aus rumänisch und türkisch oder so. Sie ist tatsächlich die älteste Sprache Europas. Das Baskische ist mit keiner anderen bekannten Sprache genetisch verwandt, ist somit eine isolierte Sprache, während alle anderen heutigen Sprachen Europas zu einer größeren Sprachfamilie gehören. In der spanisch-französischen Grenzregion gibt es ungefähr 750000 Menschen, die baskisch sprechen. Mittlerweile wird es auch wieder an den Schulen gelehrt, damit die Sprache nicht ausstirbt. Auf den Straßen-und Ortsschildern sind nun beide Namen, der französische und der baskische vertreten.

Ich persönlich verbinde mit dem Baskenland eher die terroristischen Anschläge der ETA, welche aufgrund des Willens zur Unabhängigkeit und Autonomie der Regionen von den Ländern Spanien und Frankreich (sie wollten einen autonomen sozialistischen Staat haben, nun, die Erfahrung haben wir ja auch gemacht, ist nicht so der Hit) stattfanden. Erst 2018 wurden die Waffen übergeben. Das Volk stand auch nicht mehr wirklich hinter den Rebellen, damit war der Frieden zwischen den Parteien gesichert. Nun, so lange ist das alles gar nicht her, ich kann mich auch noch an die Nachrichten über Anschläge der ETA erinnern. An der einen oder anderen Hauswand sind auch noch Bekundungen über das "Ja" zur Unabhängigkeit zu erkennen.

Lichos gibt nicht viel her, naja vielleicht habe ich auch zu viel erwartet. Aber im weiteren Verlauf warten hübsche Dörfer mit weißgetünchten Häusern, schönen Gärten und netten Kirchen auf uns. Und natürlich Basken. Ob ich auch den mit Baskenkäppi, wettergegerbter Haut, Hund und Schafen treffe? Mal sehen. 

Mittlerweile ist es sehr warm geworden und es ist wieder Zeit für eine Pause mit Füße lüften und was essen, wir sind erschöpft. Wir suchen und suchen, am Ende setzen wir uns einfach an einer Feldkreuzung ins Gras. Manch ein Pausenort ist halt nicht so der Hit. Unsere Klamotten waren danach dreckverschmiert, da hilft nur schrubben, aber das ist jetzt nicht unser Thema.

Frisch und kernig geht es auf einem schmalen Feldweg Richtung Aroue seicht bergauf. Ein schönes Kilometerschild erwartet uns an einer Gîte. Ob das wohl so stimmt? Das kann ich mir nicht vorstellen. Nur noch 780 km nach Santiago, dann müssten wir ja Turbofüße haben. Naja und bei Saint-Jean-Pied-de-Port hat schon mal einer aus einer 0 eine 8 gemacht, das stimmt wohl eher.

Saint-Jean-Pied-de-Port heißt auf baskisch: Donibane Garazi, was für ein spannender Name für unseren Abschlussort, der Ort wo die meisten anfangen und wir aufhören werden. Somit gehe ich mit neuer Liedkreation Donibane Garazi-singend über Wiesen weiter. Es gibt manchmal so Worte, die ich total klasse finde und die ich dann nicht aus dem Kopf bekomme, so wie Donibane Garazi, oder Mäandern oder Rasul. Ja ich bin schon komisch manchmal :-) Kurz darauf geht es bergab zur Straße, gegenüber befindet sich unsere Gîte auf einem Bauernhof. Steil bergauf geht’s zum Haus hoch, wo uns schon entspannt auf dem Balkon sitzend Madeleine begrüßt. Die ist wahrscheinlich schon seit Stunden hier. Wir werden in einen großen Gemeinschaftsraum mit Wasser und Grenadine begrüßt und bekommen dann unser schönes geräumiges Zimmer mit Balkon, toll. Duschen und Toiletten sind draußen und haben so ein bissel Schullandheimcharakter, aber ich find’s okay. Die Wäsche können wir auch hier abgeben, sie schmeißen wieder alles zusammen, hängen nachher alles auf die große Wäscheleine vor dem Haus und jeder kann sich dann seine Klamotten von der Leine picken, toller Service.

Erfrischt und munter entscheiden wir uns noch nach Aroue (oder Arüe) zu gehen. Die Herbergsfrau Simone meinte zwar, dass es da nichts Spannendes gäbe, erklärt uns aber lang, breit und umständlich auf Französisch wie wir an den Kirchenschlüssel kommen, der da irgendwo versteckt sein soll. Nun mal sehen. Ohne schweren Rucksack ist alles viel leichter und so gehen wir die doch mitunter befahrende Straße entlang den Hügel hoch. Oben im Ort ist nichts los, kein Mensch zu sehen. Wir biegen zur Kirche ab. Krasser Lärm umfängt uns. Da ist ein Steinmetz irgendwie an einem Grabmal am arbeiten. Wir versuchen uns zu erinnern wo der Schlüssel sein könnte, nach einigem Suchen finden wir ihn und gehen in die hübsche kleine Kirche. 

Es gibt tolle Kirchenfenster und eine schöne bemalte Decke, wir verweilen etwas. Aroue hat wirklich nicht viel zu bieten, aber die geweißten Häuser und eben die Kirche sind wirklich hübsch hier. 

Und als GR65-Randonneurs (Wanderer) ohne Rucksack machen wir uns wieder zurück zu unserer Gîte, die uns mit einer Menge neuer Pilger begrüßt. Puh, ist hier was los!

Wir sind insgesamt 18 Leute, leider auch unser spezieller Freund Laurence, der sich inmitten junger Mädels sichtlich wohlfühlt und den Gockel macht. Oh man. Ich hole mir ein Eis und danach noch ein leckeres baskisches Bier. Uns ist das alles zu viel und so ziehen wir uns in unser Zimmer bzw. auf den Balkon zurück, hier ist es schön ruhig. Ich kann das jetzt echt nicht ertragen und bin auch müde.

Wir machen uns später wieder auf und gehen nach draußen. Viele Tische und Bänke sind hier vorhanden, hier nehmen wir unser Abendessen ein. Es ist wieder reichhaltig und lecker, kann ich nicht anders sagen, man wird schon verwöhnt hier im schönen Frankreich, auch im Baskenland. Zum Glück sitzt Laurence mit der laut grölenden Mädelshorde etwas weiter weg. Uns gegenüber sitzen eine Mutter und ihre Tochter, wir kommen etwas ins Gespräch. Aber allgemein bemerke ich schon an mir, dass ich nicht mehr viel Lust habe französische Gespräche zu führen, bin dessen ein bissel müde geworden. Die Sonne macht sich bereit unterzugehen. Schön sieht das mit den Bergen aus. Ich hole meine Wäsche von der Leine und verweile noch ein bissel beim Sonnenuntergangs-Ambiente. Wir verbringen eine ruhige Nacht und wollen morgen früh los, damit wir nicht mit der ganzen Horde hier kollidieren und vor allem nicht mit unserem Gockel und seinem Gefolge. 

8.6.21

Aroue nach Ostabat-Asme

24 km

Ein langer Weg steht uns heute bevor, so ein bissel Bammel haben wir schon, denn ebenfalls besteht uns ein heißer, sonniger Tag und auch ein ordentlicher Aufstieg bevor. Wir stehen früh um 6.30 Uhr auf, spätestens 7.30 Uhr wollen wir auf der Piste sein. Auch hoffen wir damit den Horden zu entgehen. Das Frühstück ist variabel, denn wir können uns die Sachen aus dem Kühlschrank nehmen und es gibt einen Kaffeeautomaten, das ist klasse. Ich bin die erste im großen Aufenthaltsraum, es ist still, wunderbar. Wenig später kommt das eine Pärchen dazu und Elisabeth. Wir frühstücken, nach und nach kommen die anderen, sind auch früh wach. Ich habe Hummeln unterm Hintern, möchte los, denn ich befürchte, dass wir sonst viele sind, die gleichzeitig losgehen. Elisabeth braucht noch eine Weile und so entscheide ich mich nach einigem Hin-und her-überlegen, dass ich mich nun aufmache und wir uns später wieder treffen. Ich schultere meinen Rucksack, ziehe mir draußen auf der Bank sitzend meine Schuhe an und gehe los. Das Wetter ist wunderbar, die Sonne wärmt angenehm auf der Haut und jetzt alleine hier die Straße runterzugehen ist auch gut. Zum Glück geht es gleich links eine kleinere Straße ohne Verkehr entlang, es wird still. Ich bin ganz alleine unterwegs, kein anderer ist zu sehen. Die Landschaft ist einfach wunderbar, ich würde mal sagen es handelt sich hier schon um die Pyrenäenausläufer. In der Ferne sind die schroffen Berge zu erkennen, denen ich ja nun immer mehr entgegenlaufe. Es geht an kleinen Ortschaften mit diesen typischen baskischen Häusern vorbei, ein Hund bellt, ein Hahn kräht, die Grillen fangen langsam an zu zirpen, es ist unheimlich friedvoll. Grasende Kühe und Schafe sind nun vermehrt zu sehen. 

Es geht den Berg hoch. Vor mir zwei Mädels, die müssen irgendwo anders untergekommen sein, sie verschwinden in der Ferne. Auf dem Höhenweg habe ich sie dann, die unglaubliche Aussicht über die Pyrenäen, wie geil ist das denn? Die hohen noch mit Schnee bedeckten Bergspitzen ragen vor mir auf, ich kann mich gar nicht satt sehen. Es ist einfach nur wunderschön. Vor mir ein Feld mit geerntetem Heu, bzw. liegt es zur Ernte bereit und ist noch am trocknen. Es duftet wunderbar, ich fühle mich Gott ganz nahe in diesem Moment. 

Oben auf der Bergspitze angekommen schaue ich in verschlafene Kuh-Gesichter. Die haben es hier wirklich schön. Weiter geht es über den Bergrücken, ganz alleine, ganz still. 

Ich komme ins Nachdenken über mein berufliches Weitermachen, über meine Schwester und die Trauer, dass wir einfach nicht zueinander kommen können, ja und über Gott, die drei (Annehmen, Aushalten und Gottvertrauen), die ich mit auf den Weg genommen habe. Mir kommt, dass es sich hier um passive Dinge handelt. Wo ist da nun das Aktive? Ich denke, dass es darum geht, die leise Stimme wahrzunehmen. Dazu braucht es Stille, oft Rückzug, lauschen und warten. Wenn ich sie dann vernommen habe, dann aktiv in die entsprechende Richtung hin zu arbeiten, zu gehen, loszugehen und zu vertrauen. Leider geht mir das im stressigen Alltag immer wieder verloren, ich kann Gott und Jesus nicht bei mir behalten, da ist zu viel Bambule, zu viel Überforderung, zu viele Probleme.

Nun gehe ich hier entlang und denke darüber nach. Den Heiligen Geist zu spüren ist was unglaublich tolles, denn dann ist alles gut. Es muss nicht im Leben alles gut sein, aber im Herzen, in der Seele ist alles gut. Wie kann ich vorgehen, dass mir das nicht immer wieder abhandenkommt? Ich bin oft so ratlos. 

Der Feldweg mündet in eine kleine Straße, welche sich in sanften Kurven über die Hügel windet. Kurz vor Larribar-Sorhapuru, spannender Name, stößt Elisabeth wieder dazu, wir machen erst mal eine ausgiebige Pause und gehen dann wieder gemeinsam weiter. 

Hier gibt es nun eine Wegvariante, die sicher auch meine wäre, wenn ich nicht nach Saint-Jean-Pied-de-Port laufen wollte, denn sie ist die direkte Verbindung zum Camino del Norte. Aber ich möchte doch an den Hauptort, wo alle losgehen, somit lasse ich das Schild beiseite und gehe den GR65 weiter, an einem schönen weißen Haus mit roten Fensterläden und schicken Gärtchen vorbei, toll sieht das aus. Ein weiteres Schild zeigt uns nun den Weg: Chemin de St-Jacques oder auf Baskisch: Jondoni Jakobe Bidea, aha :-) Der Ort selbst ist schneeweiß mit einer schneeweißen Kirche, hübsch sieht das aus. Wir machen Pause an einem Pelotafeld. Aber das wichtigste hier: es gibt einen Wasserhahn. Der wird ordentlich frequentiert, denn hier machen noch andere Pilger Pause, den ein oder anderen kennen wir auch, klar, man trifft sich ja immer wieder. Die Wiese daneben mit dem Baum lädt zum Verweilen im Schatten ein. 

Die Kirche hat leider zu und so gehen wir weiter, lassen den Ort auf der Hügelkuppe hinter uns und kommen wenig später unten angekommen an den Fluss Bidouze, den wir über eine tolle Brücke überqueren. Mittlerweile ist es ordentlich warm geworden und wir erfreuen uns an den schattigen Weg, der auf uns wartet. Steil und steinig ist er, aber egal, Hauptsache Schatten. Oben in Hilarria am legendären Stein von Gibraltar (oder Gibraltarreko Hilarria) angekommen, machen wir eine kurze Pause. Hier kommen nun drei Wege zusammen, unserer, die Via Podiensis, die aus Vezalay kommende Via Lemovicensis und die Via Turonensis, die von Paris über Orleans, Bordeaux verläuft. Irgendwie hatte ich erwartet, dass jetzt die Horden auf uns zukommen werden, aber wir stehen hier ganz alleine. Auch wurde im Vorfeld schon gesagt, dass man in Ostabat-Asme unbedingt vorbuchen sollte, weil ja eben drei Wege hier zusammenkommen. Nun, das haben wir ja sowieso schon gemacht. Ostabat-Asme ist halt nur ein kleiner Ort mit begrenzter Bettenzahl, klar. Nun ist es also soweit, wir stehen auf eben diesem einen Weg, alle sind nun zueinander gekommen, und gehen Richtung Santiago. Toll und besonders finde ich nun diesen Moment. 

So stehen wir wenig später an der Kreuzung vor dem krassen Aufstieg. Die kleine Chapelle de Soyarza war schon von weitem zu sehen. Ein weißer, steiniger Weg führt in leichten Kurven bergauf und das mitten in der brütenden Hitze. 

Nun, wir sind ausgeruht und außerdem kernig. Wäre schön gewesen, wenn wir auch das Vertrauen in uns gehabt hätten, dass auch 24 km in krasser Hitze und mit Berg zu bewältigen sind, wenn man sich nur genug Zeit und Pausen lässt. Denn hätten wir noch 2 km drangehängt, dann hätten wir eine Gîte mit Pool haben können. Aber gut, man lernt ja nie aus. Wir gehen los, schnaufend, schwitzend, aber mit toller Aussicht in die umliegende Landschaft im Patchwork-Design gestaltet und natürlich mit den Pyrenäen im Hintergrund. 

Fast oben angekommen sehen wir die kleine Kapelle, die eigentlich nur ein kleines weißgetünchtes Haus ist, umgeben von kleingehaltenen Platanen und was sind diese weißen Flecken da? Hmm. Wir kommen näher und sehen es handelt sich um Schafe, die hier unter den Bäumen Schatten suchen und dösen. Aha. Diverse Pilger sind auch zugegen und sitzen auf Bänken oder auf dem Boden, die Schafe daneben. Wir sitzen auch auf einer Bank mit toller Aussicht und essen was, genießen den Moment. Vor der Kapelle ist ein Pilgerbuch zum Eintragen ausgelegt, in die Kapelle selbst kann man nicht hinein gehen, was ich sehr schade finde, aber einen Blick kann man hineinwerfen. Es gibt eine Tafel, die einem die Berge der Pyrenäen benennt. Wir verweilen. Hier treffen wir auch wieder auf Madeleine, die scheinbar ihren Mann wieder aufgegabelt hat, Hand in Hand machen sie sich gerade auf den Weg bergab. Man hätte auch eine Variante gehen können, was aber schade wäre, denn das hier ist schon toll. 

Gut erfrischt und gestärkt geht es nun den Berg runter ins Tal, um dann unten angekommen den nächsten Berg steil hinauf zu erklimmen, nicht so hoch wie der erste, aber der hat es auch in sich. Auch der zweite ist nicht ohne, aber wir meisten alle, ist doch klar. Eine weitere Stele säumt den Weg und nun geht's angenehm schattig im Grünen weiter, das ist mal schön, denn ich glaube wir haben die 30 Grad-Marke heute erreicht und das ist nicht ohne. An der leider nicht geöffneten, aber innen wohl beeindruckenden Kirche Chapelle Saint-Nicolas d’Harambeltz, wie mir mein Wanderführer sagt, gibt's noch einen tollen Wasserhahn für mich, da wird gleich ein halber Liter in den Schlund gekippt, weiter geht’s. 

Zum Schluss gibt es noch einen kleinen ummauerten Weg, der sehr nett hätte sein können, wenn er nicht voll mit Schlamm gewesen wäre. Das hätte nun nicht noch sein müssen. Nun, dann heißt es also wieder Schuhe schrubben nachher. Der vierte und letzte Berg ist unser Ankunftsberg. Von weitem können wir das kleine Dorf schon sehen.

Eine mega-steile kleine Straße geht in den kleinen Ort Ostabat-Asme hinein. Puh, nun sind’s aber echt genug Berge. Wir stehen da so vor der Épicerie und denken, nun, die zwei Kilometer zum Pool hätten wir auch noch hinbekommen. Nun denn, was lernen wir daraus? Wir sind scheinbar kerniger als wir denken, bzw. wir trauen uns zu wenig zu. Eigenartig, solche Gedanken hatte ich schon häufiger auf meinem Jakobsweg von Lüneburg bis hierher. Sollte doch eigentlich mal in der Birne angekommen sein. Hmm, nun denn, so mache ich eben wieder diese Erfahrung.

Wir kommen oben in der Gîte Ametzanea an und bekommen ein Dreibettzimmer zugeteilt mit…

…einem Monsieur zusammen. Okay, das war so jetzt aber nicht gebucht. Wir stehen erst mal sehr ratlos da rum und können uns mit der Situation nicht wirklich arrangieren. Ich biete Elisabeth das Bett am Fenster an und nehme das in der Mitte, fühle mich doch verantwortlich für diese Situation, die jetzt schon speziell ist. Das hat man nun davon, wenn man sich nichts zutraut. Wir hätten ein schönes Zimmer inklusive Pool haben können, doof. Wir ärgern uns.

Der Monsieur entpuppt sich aber erstens als ein netter, er heißt Gilles, und zweitens ist er kein großer Schnarcher, jedenfalls sollte die Nacht gut werden. Somit arrangierten wir uns zu dritt. Ich ging erst mal duschen, damit geht’s ja dann doch bekanntlich besser. Unten im Hof ist ein kleines Grünstück mit Wäscheleine, ummauert von einer putzabbröckelnden sandfarbenden Wand. Nun, es gibt schönere Ambiente, zum Beispiel ein Pool! Ach mensch Maika, man kann es ja nun nicht ändern. Machen wir das Beste draus. 

Nachdem Elisabeth auch mit duschen fertig ist, gehen wir runter zur Épicerie und trinken erst mal ein gutes Bier, das ist schon mal eine gute Sache. Danach schauen wir uns den Ort an, der sehr nett ist mit weißen Häusern, einer weißen hübschen Kirche und überhaupt alles weiß. 

Da wir bis zum Abendessen noch etwas Zeit haben, hängen wir draußen im Gärtchen noch ein bissel rum und finden uns dann im unten liegenden Restaurant ein. Zwei Tische sind schon gedeckt. Wir sitzen mit Gilles und einer Vierertruppe Franzosen, oder besser gesagt Basken zusammen. Sie wollen nach Santiago. Wir fangen an zu quatschen, warten wohl noch auf eine andere Truppe, die in einer anderen Gîte unter gekommen ist, wo es kein Essen gibt. Wir fangen aber schon mal mit dem Süppchen an, denn die lassen sich Zeit.

Daniel, der Patron de la Maison, wie er sich nennt, ist ein Baske durch und durch, genau wie ich mir das vorgestellt habe. Zwar hat er keine Schafe dabei, aber dafür ist er groß, bärtig und hat ne Baskenmütze auf. Er steht da am Tisch wie eben ein Patron mit verschränkten Armen und scheint alles im Griff zu haben, ich muss schmunzeln. Gerne hätte ich ein Foto von ihm gemacht, habe mich aber nicht getraut. Schade! Wir essen gerade unsere Suppe, als es laut wird. Die andere Truppe besteht aus Laurence mit seiner Mädelsscharr, laut grölend und singend kommen sie ins Restaurant, ich dachte ich bekomme gleich einen Schreianfall. Nachdem ich Gilles fragte, ob er da nicht mal für Ruhe sorgen kann, was er dann auch tat, war es annehmbar. Auf die Kandidaten hätte ich nun echt verzichten können. Irgendwie bleiben die an unserer Backe heften.

Aber es wird noch ein netter Abend, denn wir lernen baskisch. Die eine Frau, ich weiß ihren Namen nicht mehr, ist auch total verzückt, als ich ihr meinen Namen nenne, denn ihre Tochter heißt genauso und wird auch genauso geschrieben. Ich bin verwundert, denn das ist äußerst selten. Sie teilt mir mit, dass Maika ein baskischer Name sein. Na das ist ja mal eine Überraschung, das muss ich mal meiner Mutter erzählen, davon hat sie sicher noch nichts gewusst :-) Toll.

Wir lernen also baskisch: „ja“, das heißt „ba“, ist ja nicht so schwer, und „nein“ heißt „ez“, aha! Wir wünschen uns ein Bonsoir: Gaur on und morgen früh ein Bonjour: Egun on. Das ist doch mal super, da sagen wir danke: Milesker! Und morgen wünschen wir uns einen bon chemin: bide on. Toll, ich kann baskisch und habe sogar einen baskischen Namen :-)

Müde gehen wir nun zu Bett, wir drei, Gilles, Elisabeth und ich. Ich höre noch ein bissel mein Hörbuch über den Jakobsweg, Elisabeth schläft schon und Gilles liest noch den Klassiker von Paulo Cuelho übers Pilgern.

Morgen, morgen ist es nun soweit und wir kommen ans Ende der Via Podiensis, ich bin schon ganz aufgeregt und gespannt wie es in dem Ort, wo alle immer anfangen, so sein wird, in Saint-Jean-Pied-de-Port.  Na dann: Bihar arte, bis morgen, à demain!