Böbingen an der Rems nach Biberach an der Riß

Weltstadt Böbingen an der Rems hat leider nicht mehr zu bieten, im Hintergrund aber die schöne Ostalb

20.10.17

Böbingen an der Rems nach Bargau

11 km

Nun, was soll ich sagen? Es kommt oft anders als man denkt, mal besser anders, aber auch mal doofer anders.

Als ich frohgemut von meiner Frühlings-Pilgertour nach Hause kam, verkündete mir meine Vermieterin zwei Tage später, dass sie das Haus verkaufen möchte, ich wohne in der Einliegerwohnung darüber. Alles in allem ist es zwischen uns noch sehr unangenehm gelaufen und ich machte mich wieder auf Wohnungssuche, musste meine kleine geliebte Höhle in Melbeck verlassen.  Um es mal auf pilgerisch auszudrücken:

Ich sah das Unwetter aufziehen, ich wusste ich werde dem nicht entrinnen können, aber ich habe ja einen Regenmantel, Gott. Vielleicht werden meine Füße nass, mehr wird aber nicht passieren.

Am Ende ist es gut, aber es kam doch anders. Ich hatte schwerer damit zu kämpfen als gedacht und so beschloss ich nach meinem Umzug wieder in die Einsamkeit zu gehen und zu mir zu kommen. Kurzerhand buchte ich den Zug nach Böbingen und stand dann wieder am Bahnhof. Es war schon sehr spät im Jahr, mir war bewusst, dass es vom Wetter her grenzwertig werden könnte, das war mir egal. Aber auch hier kam es anders, diesmal schön anders :-)

Mal wieder auf der Brücke stehend, diesmal mit Herbstambiente

Ich stieg bei leichtem Sonnenschein aus und es war angenehm warm und das Ende Oktober, schön! Ich war unheimlich gerührt so schnell wieder hier zu sein in der Weltstadt Böbingen an der Rems, Stadt ohne Stadtkern und ohne richtigen Stempel :) Ich ging über die Bahnbrücke rüber auf die andere Seite, geradewegs ins Frische Eck. Da bin ich wieder! Wir freuten uns und ich bekam meinen Frische Eck-Anfangsstempel. Da ich wusste, dass die katholische Kirche geöffnet war, ging ich noch hinauf fürs Kerze anzünden und Gebet. Am Altar liegt ein großes Erntedank-Bild aus Bohnen, Linsen, Korn und Reis, es zeigt die Emmaus-Jünger und mit ihnen Jesus, mit dem Titel: Er kam hinzu und ging mit ihnen. Ich war zu Tränen gerührt, war es doch der Spruch, den ich aus Würzburg mitnahm und den ich gedanklich nun auch auf meine jetzige Tour mitnehme.

Zwei Kerzen anzünden 

und den heiligen Josef bitten  :)

Das Erntedankbild: 

Er kam hinzu und ging mit ihnen

Jetzt kann's losgehen

Ruhig war es hier und sehr besinnlich. Böbingen kam mir gar nicht mehr so doof vor, wie im Mai. Da ich ja im Mai hier alles abgelaufen bin, kannte ich mich nun gut aus, passierte den Tunnel unter der Bundesstraße, weiter durch den Ort, über die kleine Rems und den Berg hinauf. Es war schon nachmittags, hatte ja schon einiges Zugfahrt hinter mir. So sollte es heute kein langer Weg nach Bargau sein. Und da ist es wieder: das Muschelzeichen. Mein Herz hüpft und ich bin unendlich dankbar, dass ich das jetzt hier machen kann.

Raus geht's aus der Weltstadt :-) 

und ah, das Muschelzeichen, schön!

Überquerung der kleinen Rems und ja, zum Glück ist es katholisch, 

heißt: offene Kirchen!

Über einen schönen Feldweg geht es bergan mit dem Blick zurück auf Böbingen und den Limeskamm dahinter, den ich ja im Mai runterkam. Vor mir türmten sich nun die Berge der Alb auf, nicht mehr weit entfernt, morgen geht's zum Aufstieg. Heute ist aber alles noch locker-flockig. In einem kleinen Waldstück mache ich auf einer Bank Pause und esse mein Pausenbrot.

Was ja schon auch besonders ist in dieser Jahreszeit, die Bäume sind total bunt. Und da es hier in der Alb viele Ahornbäume gibt, kann man sich vorstellen wie wunderschön das alles aussieht. Ich bin begeistert. Ich habe Respekt vor morgen, vor dem Aufstieg, noch sieht es gar nicht so hoch aus. Ach naja und was kann mich denn schocken? Habe doch den Kolonnenweg hinter mir :-)

Ich fühle mich frei, ich gehe hier einfach so lang, kann machen was ich will. Der ganze Umzugsstress, alles liegt hinter mir. Wie geil, kann ich da nur sagen.

Es zieht sich etwas zu und wird dunkler. Oh oh, es soll doch nicht etwa regnen? Kurz vor dem Regen, der aber nur ein leichter war, kam ich in der St. Jakobuskirche in Bargau an. Davor eine Riesen-Jakobsmuschel und ein Pilger, toll. Und auf keinen Fall darf eines fehlen, ein Bild von Sieger Köder: die Pilgergruppe. Drinnen war eine Veranstaltung, die wollte ich nicht stören, aber ich holte mir meinen ersten richtigen Pilgerstempel.

Der Pilger vor der St. Jakobus in Bargau, die Pilgertruppe von Sieger Köder und die Riesen-Jakobsmuschel

Danach ging's zum Pilgerwohnwagen, in dem ich heute nächtigen werde. Bin ja mal gespannt, hoffe die Heizung geht. Da steht im Garten ein Wohnwagen mit einer großen Jakobsmuschel drauf. Die Tür ist offen und ich richte mich schon mal wohnlich ein, die Besitzerin ist noch nicht da. Es gibt ein Heizmodul, was ich erst mal volle Kanne anstelle, es wird schön warm, der Abend ist gerettet, denn nachts wird's ja doch empfindlich kühl. Es gibt Kojen zum schlafen, ich kann mir eine aussuchen, ich sollte der letzte Pilger dieses Jahr sein. Auf dem Tisch liegt Pilgerlektüre, das mag ich ja gerne. Die Dame des Hauses kam, machte ein Foto von mir vor dem Wagen, das macht sie wohl von jedem und hat schon einige gefüllte Bücher. Sie besorgt mir einen Wasserkocher und zeigt mir die Dusche, die sich über den Garten im Keller des eigenen Hauses befindet. Etwas speziell, aber gut und heiß.

Meine private Pilgerwohnwagen-Koje mit Heizmodul und die St. Jakobus in Abendbeleuchtung

Nach einem netten Sonnenuntergang und einem leckeren Essen im hiesigen Restaurant ging ich zurück zum Wohnwagen, der mittlerweile schön aufgeheizt war. Bei heißem Tee und Kerzenschein zog ich aus dem Pilger-Kartenstapel eine Karte:

"Stirb und werde", stand darauf. Das hat Goethe gesagt. Was soll ich sagen? Es wurde noch ein sehr emotionaler Abend. Ich hoffte, wenn ich wieder zurück bin, dass ich über die Türschwelle meiner neuen Wohnung gehen werde und sagen kann: "Schön, das ist nun mein neues Zuhause, und ich fühle mich wohl." Nun denn, wir werden sehen.

Bargau nach Böhmenkirch

19 km

Frühmorgens ging es nach einem guten Pilgerwagen-Frühstück zum Pilgerweg-Abzweig, nochmals eine Entscheidung nach links Richtung Schweiz oder nach rechts Richtung Burgund zu gehen. Auch hier entschied ich mich für den linken Weg, Schweiz ich komme! Naja, noch nicht so richtig :) Erst mal muss ich die Alb bezwingen, die sich mittlerweile vor mir auftürmt. Da steh ich nun, es geht steil nach oben. Okay, packen wir's an. Ein Schild besagt, dass es Richtung Himmelreich geht, das hört sich doch toll an.

Schweiz oder Burgund?

Letzte Entscheidung in Bargau

Und da ist sie, die Alb.

Da muss ich nun heute rüber

Mit viel Geschnaufe und zählen (und 1 und 2 und 3 und 4, so mache ich das immer bei steilen Aufstiegen, mit der Entscheidung bis 80 zu zählen und dann kurz verschnaufen, dann geht es weiter: und 1...) An steilen Felsen vorbei schaffe ich dann die 350 Höhenmeter auf die Ostalb und stehe am Naturfreundehaus.

Oben auf der Ebene mit dem Naturfreundehaus im Hintergrund

Die Sonne kommt raus und ich setze mich auf die Bank und esse mein Pausenbrot. Das tut gut. Auf dem Plateau geht es weiter und noch höher mit toller Sicht in die Weite Richtung Norden. Die Wälder sind bunt und das Laub unter meinen Füßen raschelt. Die Sonne steht tief und wirft lange Schatten.

Es ist einfach nur schön und auch gar nicht kalt. Mitunter ist die Wegführung schwierig, der Weg ist voll mit Laub und so irre ich ein wenig im Laub quer durch den Wald umher, um wenig später, dank meiner Wanderapp, wieder auf den eigentlichen Weg zu kommen. Keine Menschenseele begegnet mir. Ich erreiche die höchste Stelle meines Wanderweges in diesem Herbst, den Falkenberg mit 775 m. Geht doch! Der Wald duftet wunderbar nach Wald, der ein oder andere Singvogel ist noch zu hören und na klar, es gibt tolle Pilze. Mein Lieblingspilz, der Fliegenpilz ist auch mit von der Partie. Toll.

Zum auf dem Boden sitzen für die Pause ist es zu kühl, so nehme ich also eins von den Jägerhäuschen, dafür kann man sie ja gut verwenden. Wenig später kam ich mit Iria im Ohr (ich hörte ab und an Musik dieses Mal) bei der kleinen Kapelle St. Patriz an, die inmitten von großen bunten Bäumen steht.

Die kleine Kapelle St. Patriz

Nur noch die Straße runter, Böhmenkirch kommt in Sicht und mit ihr die Kirche "Zum Heiligen Hippolyt", wer oder was auch immer das sein soll. Sie ist mit viel Holz ausgestattet, schlicht und schön und es gibt einen tollen Stempel. Ich habe ein kleines Zimmer und es gibt unten im Gasthaus gutes Essen. Leider muss mir der Wirt erzählen, dass das Wetter morgen doof werden soll. Kann der nicht einfach die Klappe halten? Ärgerlich.

Böhmenkirch: Kirche Zum Heiligen Hippolyt

22.10.17

Böhmenkirch nach Altheim/Alb

19 km

Na das freut doch das Pilgerherz, nichts mit schlechtem Wetter, es kracht die Sonne vom blauen Himmel. Ätsch, falsch vorhergesagt! Es ist ziemlich frisch morgens. Ich bin aber gut ausgestattet, dicke Mütze, Handschuhe, Warmweste und die Regenhose (die gute) habe ich einfach drüber gezogen und lass sie an, sie schützt vor Wind und Kälte, lässt mich aber nicht schwitzen, was für eine tolle Investition, kann ich immer nur sagen, der hohe Preis hat sich gelohnt. Es geht aus Böhmenkirch den Berg hoch über hügelige Wiesen, erinnert wieder sehr ans Allgäu, finde ich. An einem Jesuskreuz mache ich Pause. Neben mir eine bunte Hecke mit Hagebutten, der Herbst mit all seinen Farben, schön.

Auf dem Weg aus Böhmenkirch raus

Am Jesuskreuz oben auf dem Plateau und Faxen

Es geht übers Ulmer Tal mit meinem Begleiter, meinem Schatten :)

Durchs sogenannte Ulmer Tal (aha, wir nähern und Ulm) geht es über gerade Wege die Wiesen entlang bis ich in Gussenstadt, einem kleinen Ort mit Zwiebelkirche ankomme, die Glocken läuten und man lädt mich zum 10-Uhr-Gottesdienst ein. Okay, warum nicht? Nach einer schönen Predigt und einem tollen Stempel ging es weiter wieder in den Wald hinein Richtung Kleubertal. Es ist einfach unglaublich schön. Ich laufe durch raschelnde Buchenblätterteppiche, die Sonne scheint und wärmt angenehm. Ich hätte nicht gedacht, dass es zu dieser Jahreszeit so wunderbar sein kann.

Im Kleubertal

Durch die sanften Hügel des Kleubertals gehe ich bis zu einem Verschlag, wo Stroh gelagert ist. Windgeschützt packe ich mich hier erst mal hin, sonne mich auf einem Holzbrett und mache Mittagspause.

Sonnenpause am Stroh-Verschlag

Herbstliches Beeren/Blüten-Ensemble: Hagebutte, Schlehe und Pfaffenhütchen

Da es keine Unterkunft in naher Umgebung auf dieser Strecke gab und ich nicht 1000 Meilen laufen wollte, musste ich nach Altheim ausweichen, mal sehen wie ich da heute hinkomme, ist nochmal drei Kilometer vom Weg ab.

Ich mache mich nach meiner langen Pause auf den Weg, lande im unscheinbaren Ort Sontbergen. Hier gibt es eine kleine unscheinbare Kirche, die aber schöne Schätze beherbergte, tolle Glasfenster von...

...na klar, Sieger Köder. Er ist hier immer noch zugegen und das freut mich außerordentlich, denn ich mag seine Bilder und Fenster sehr. Auch prangt ein großes Jakobsmuschel-Fenster über der Eingangstüre. Toll.

Sieger Köder-Fenster in der kleinen Kirche von Sontbergen

Durch wunderbare bunte Wälder komme ich an komische Beschilderungen, die mir nicht ganz einleuchteten und mich dazu veranlassten den falschen Weg einzunehmen. Kann aber auch daran liegen, dass der Weg vor mir so schön aussah, dass ich einfach den nahm :) So kam ich dann an die kleine Landstraße und ging eben diese entlang. Hier fuhr eh nichts lang und es beschied mir letztendlich noch den Blick auf einen wundervollen Regenbogen, der sich ob des Regens, der Gott sei Dank woanders stattfand, gebildet hatte. Toll. In Zähringen angekommen gehe ich vom Weg ab, da ich ja in Altheim unterkommen will.

Ich spreche einfach eine Frau an, die gerade in ihr Auto steigen will, ob sie mich mitnimmt, denn ich bin k.o. und will nicht mehr. Sie nimmt mich mit nach Altheim, das fand ich ja nett. Ich werde vor der schönen St. Marienkirche abgesetzt und setzte mich einfach auf die Bank davor und genieße die Sonne, bevor ich mich zu meiner Pension aufmache, die aber auch gleich schräg gegenüber ist.

Nach einigen Irrungen komme ich an der kleinen Landstraße kurz vor Zähringen an

Die hübsche Kirche von Altheim mit Bunt-Laubbaum

Die Wirtin ist eine total nette, hat schon die Heizung in meinem Zimmer angemacht, das finde ich immer ganz toll. Ich hasse es, wenn man in einen Eisschrank kommt. Es gibt sogar einen Föhn und die Dusche ist wunderbar heiß. Später beim Essen redeten wir noch lange. Sie meinte doch glatt, dass sie mich morgen früh wieder nach Zähringen fahren wird. Das finde ich ja toll. Hach beim Pilgern findet man die netten und hilfsbereiten Leute. Ich hoffe der Mordkommissions-Kommissar, den ich auf dem Burgberg im Frühling traf, nimmt sich ein Herz und geht auch pilgern, um eben diese Menschen zu treffen. Es gibt nicht nur doofe, sondern eben auch die guten. 

23.10.17

Altheim/Alb nach Lonsee

16 km

Heute geht es nach Lonsee. Das Wetter ist immer noch gut und Frau Ott hat mich tatsächlich nach Zähringen gefahren, direkt vor die kleine Maria Magdalenen Kirche, die sogar auf hat, Zeit fürs Gebet. Wenig später geht's von der Straße ab den Berg hoch und dann runter durchs Hirschtal zum ehemaligen Distelhof, eine Ruine, wo mal eine Familie versuchte zu überleben. Hat wohl nicht so hingehauen, wenn ich mir das hier so anschaue. Leider zieht es sich langsam zu und fängt ab und an an zu pieseln, aber nur leicht. Die Regenhose habe ich nun eh immer an und dann kommt noch das Cape dazu, also Ganzkörperkondom.

Start nach Zähringen mit toller Ausschilderung und wenig später der Blick vom ehemaligen Distelhof

Mein Handy, ich habe ein neues, da das alte nach dem Wasserbad vor Würzburg doch anfing rumzuspinnen, werde ich nicht mehr in meine Cape-Brusttasche packen, obwohl es heißt, dass es wasserdicht wäre, man weiß ja nie. Kurze Zeit später ist die Sonne aber wieder da. Ich lasse die Montur einfach an, werfe das Cape über die Schulter und weiter geht's. Die bunten, feuchten Blätter auf den Boden laden zum Fotos machen ein und so bewege ich mich nur langsam vorwärts.

Wenig später komme ich auf eine freie Fläche, es ist stürmisch und kalt. Mein Regencape weht mir wie verrückt um meine Ohren. Oh Mensch, die endgültige Fassung des Regenschutzes habe ich noch nicht für mich gefunden. Nun denn, ziemlich k.o. suche ich kurz vor Ettlenschieß (was für ein Name) einen windgeschützten Ort zum Pausieren. Den finde ich dann hinter einer Hütte und vor einem ausgebrannten Lagerfeuer und esse Kekse, das macht happy. Dann noch in hiesige Kirche gehen und...

...zu, evangelisch. Na toll, genervt und mit einer neuen Liedkreation: "Ettlenschieß, ich find' das fies, Kirche zu in der Not, Affe tot" geht es durch den Ort und wieder in die Hügellandschaft. Mit Keksen im Bauch lässt es sich besser wandern und als noch die Sonne über dieses Allgäu-touch-Land schien, war alles wieder gut. Es ist einfach nur wunderschön hier. Irgendwie war ich der Meinung, dass ich nur über den Albkamm gehen muss und dann sind die Berge vorbei. Dass die Alb vielleicht aus vielen Bergen besteht war mir nicht so klar, schön dumm :-) Also ging es bergauf und bergab, aber einfach nur schön.

Hügellandschaft nach Ettlenschieß

Wenig später im Buchenwald leuchtete die tief stehende Sonne durch die Baumkronen, auf dem Boden das viele Laub, um dann in eine Art Strauchwald zu gelangen, der so einen Tunnelcharakter hatte. Ich bin einfach nur fassungslos wie wunderschön das alles ist. Ich weiß, ich sagte es bereits :-)

Es folgten Wiesenhügel, leider mit kühlem Wind und Pieselregen. Eine der Strohhütten kam in Sicht, vollgepackt mit Strohballen. Ich packte mich ins Stroh, wunderte mich wie sehr es von unten wärmte und schlief fast ein. Kurze Zeit später ging es den Berg steil runter ins Tal von Lonsee. Hier hatte ich eine tolle Wohnung, gar nicht mal teuer mit allem drum und dran. Nach der Dusche ging's in die katholische Kirche, da die evangelische mal wieder zu hatte, noch was einkaufen fürs Frühstück morgen früh und dann in hiesige Pizzeria. Abends schön im Sessel hocken und Glotze schauen. Wunderbar!

24.10.17

Lonsee nach Temmenhausen

14 km

Heute hatte ich einen recht kurzen Weg und so ließ ich mir Zeit. Nach einem leckeren Nutellafrühstück, Kaffee und Gebet freute ich mich aufs losgehen. Losgehen ist immer wieder was ganz besonderes, finde ich. Durch den Ort über die Bahngleise, die sich hier durch die Berge schlängeln, ging es auf der anderen Seite den Berg wieder sehr steil nach oben. Prustend und durchgeschwitzt kam ich oben an und zog erst mal alles aus. Im T-Shirt stand ich nun da und erfreute mich über ein paar übriggebliebene Sommerblumen:

Flockenblume, Hirtentäschelkraut, Gänsedistel, Acker-Witwenblume

Die Sommergefühle bleiben nur kurz, schnell wieder die warmen Klamotten anziehen und weiter über tatsächlich blühende Rapsfelder bis an die B10. Die Autos rasten vorbei, Zeit für Kopfhörer und Musik hören, denn es geht ein wenig an eben dieser Bundesstraße entlang. Die Beschilderung ist mittlerweile eine sehr gute und verlässliche, das ist doch mal was. Es geht von der B10 ab und wird schön ruhig und einsam.

Am Rapsfeld entlang, kurz nach Luizhausen

An einer Schutzhütte mit Grillplatz und einer riesigen alten und bunten Eiche mache ich Pause. Der Magen fängt langsam an zu knurren. So langsam kommt aus der Wolkendecke die Sonne wieder zum Vorschein und ist unheimlich warm. Das ist schon klasse, da kann man glatt mal die ein oder andere Klamotte wieder ausziehen. Überhaupt bin ich ständig dabei Klamotten an-und wieder auszuziehen.

Landschaft bei krachendem Sonnenschein und angenehmer Wärme kurz vor Temmenhausen.

Nach einer Weile stehe ich oben auf dem Berg mit Blick auf Temmenhausen. Einige Infotafeln vermitteln etwas über den Fränkisch-Schwäbischen Jakobsweg, der in Ulm endet, dann geht es für mich weiter auf den von Nürnberg kommenden nach Konstanz. Ich stehe auf einem Trockenrasen-Gelände mit Wachholderbäumen, spannend, die hätte ich hier unten im Süden nun so gar nicht erwartet, kenne ich die doch nur aus der Heide. Ich habe noch einiges an Zeit und knalle mich mitten auf der Wiese in die Sonne.

Eine Pilgertruppe aus Metall am Balkon zeigt, dass man Pilgern wohl zugeneigt ist. Die Wirtin ist sehr nett, als ich abends im Restaurant saß.  Es gibt einen schönen Blick in die Ferne und tatsächlich, ich wollte es kaum glauben, auf die gesamte Alpenkette im Süden. Die kann man von hier aus schon sehen, wie geil ist das denn? Sie legte mir sämtliche Bücher vor die Nase von Pilgern, die da etwas rein geschrieben hatten und ich lauschte dem Raunen der Gäste des Restaurants und fühlte mich geborgen und gut. Was habe ich in dieser kurzen Zeit schon schönes erlebt, ich bin so dankbar.

 25.10.17

Temmenhausen nach Ulm

22 km

Heute habe ich eine lange Stecke vor mir und es geht nach Ulm. Früh bin ich losgegangen, um gleich darauf die A8 zu überqueren und hinter mir zu lassen, um wenig später in die Baustelle der Bahn-Neubaustrecke Stuttgart-Ulm zu geraten. Nach einigem abenteuerlichen Gekraxel ließ ich auch diese hinter mir und befinde mich nun wieder in Feldern mit 'Winter-Rettich und Erbsenblüten, auch das Büschelschön mit Bienengesumme ist wieder zugegen. Die müssen Büschelschön (bekannt als Phacelie)  wirklich toll finden.

Das schöne Feld mit Phazelie, Winterrettich und Erbsenblüte

Nach einigen Pfaffenhütchen-Sträuchern mit ihren tollen pink-orange-farbenen Blüten ging es auf schmalen Weg an dicken Steinen vorbei ins Kiesental, umsäumt von Bergen und vielen bunten Bäumen. Es hatte sich zugezogen, aber meine Wetterapp verriet mir, dass die Sonne bald wieder kommt und so warte ich in einem Wanderhäuschen Kekse essend auf die Sonne. Wenig später geht es in strahlendem Sonnenschein weiter durch ein unheimlich schönes Tal mit steilen Felsen, Wiesen und schönen Wanderwegen. Ab und zu kommt mir tatsächlich der ein oder andere Wanderer entgegen, ist aber auch schönes Wandergebiet hier.

Unterwegs im Kiesental

In Mähringen, dem letzen Ort vor Ulm angekommen, kann man in der Ferne schon was von der Stadt ausmachen. Aber jetzt geht's erst mal schwer und steil den Berg runter um dann auch gleich genauso schwer und steil wieder hoch zu gehen, Berge halt! Klamottenwechsel, durchgeschwitzt, bleibt nicht aus.

Kurz vor Mähringen, danach geht's steil ins Tal hinab und den Berg wieder hoch

Pause kurz vor Ulm auf einem Hochsitz und dann geht's Richtung Stadt. Habe mal wieder gar keine Lust auf Stadt. Auch werden die Menschen immer mehr, ist gerade auch nicht so meins. Am Ulmer Krankenhaus angekommen gibt's noch mal einen Klamottenwechsel. Ich überlege, ob ich den Bus in die Stadt nehme, denn ich habe keine Lust im Verkehr und Wohngebieten rumzulaufen, komme oben an der Uni auf dem Eselsberg an, schaue in die Ferne auf Ulm und den nicht zu übersehenden Ulmer Münster und denke mir: nö, einfach mal nö! Der Ulmer Höhenweg ist einfach Hammer, es wäre schade, wenn ich den nicht wandern würde. Die Sonne lacht, es ist warm, den Münster vor Augen.

Kurz hinter der Uni fängt der Panoramaweg an mit Blick auf Ulm im Tal und natürlich dem Ulmer Münster

Unten im Wohngebiet angekommen nehme ich dann doch für ein paar Stationen den Bus, der gerade ums Eck kommt. Ich habe heute eine Unterkunft mitten in der Altstadt, Airbnb, bei jemand privatem, mache ich das erste Mal mit dem Verein. So stehe ich nun hier vor dem großen Münster, ich bin beeindruckt. Der Münster Unserer Lieben Frau ist die größte evangelische Kirche Deutschlands und hat den höchsten Kirchturm der Welt mit 161,53 m, Hammer! Ich gebe meinen Rucksack an der Touriinfo ab und mache mich auf den Weg die Altstadt zu erkunden.

Ulmer Münster, klar :)

Auch will ich unbedingt noch mal Bayern "hallo" sagen, auf der anderen Seite der Donau in Neu-Ulm. Kurz überlege ich doch tatsächlich ob ich mir noch eine Sonnencreme holen sollte, denn mittlerweile haben wir T-Shirt-Wetter und die Sonne kracht nur so vom Himmel und das Ende Oktober. Nun denn, ich lasse es sein und gehe ins schöne Fischerviertel der Stadt mit den kleinen Altstadt-Häuschen und der Blau, die hier in die Donau fließt.

Fischerviertel

Ich gehe entlang der Altstadtmauer an der schönen Donau, der letzte Fluss, den ich in Deutschland passieren werde, obwohl, nee, ich muss ja in Konstanz noch über den Rhein und passiere die Brücke: Neu-Ulm, Hochschulstadt, steht auf dem Ortsschild. Gegenüber Ulm, Universitätsstadt. Na wird hier etwa konkurriert? Jedenfalls scheinen hier lauter schlaue Leute zu wohnen.

Überall sehe ich den Ulmer Spatzen, dem Ulmer Wahrzeichen, in Gärten, an Häusern, was hat es damit auf sich? Die Legende besagt, dass ein Spatz mit einem Zweig hochkant durchs Tor flog und so den "dummen" Ulmern zeigte, dass man einen großen Balken auch längs durch das Stadttor bekommen könnte, wenn es quer nun mal nicht geht. Nun, dank Uni sind sie wohl heute auch schlauer :-)

Ulm mit Stadtmauer und Altstadt von Neu-Ulm aus gesehen. Und an der schönen Donau

Und der Park an der Donau von Ulm

Am Ende besuche ich noch den Münster innen. Eher schlicht gehalten, aber sehr interessant mit natürlich enorm hoher Decke und einem riesigen 6 m großen Bronzeengel am Eingang, der Erzengel Michael. Er steht dort herrisch und drohend seit 1934, Vertreter des braun-christlichen Urgeists, bis heute ist er umstritten, kann man verstehen, aber imposant. Vielleicht besteige ich ja morgen den Turm, mal sehen.

Es ist Zeit meine Unterkunft aufzusuchen. Ulm ist teuer und so freue ich mich, das ich noch einen halbwegs guten Preis bekommen habe. Ich treffe die Frau, die das Zimmer vermietet. Es ist ein hübsches kleines Zimmer. Sie selber ist nur am arbeiten, musste auch gleich wieder los und so sahen wir uns gar nicht wieder. Ich hatte die Wohnung für mich, das war schön, mit Blick auf die Münster-Turmspitze, die abends schön beleuchtet wird. Im Restaurant unweit meines Zimmers aß ich dann zu Abend und machte es mir in meiner Bud' gemütlich.

26.10.17

Ulm nach Erbach

16 km

Ich sitze alleine im Wohnzimmer bei einem ausgiebigen Frühstück mit Blick auf den total im Nebel verschwundenen Münsterturm. Nun, dann kann ich das mit der Besteigung ja abhaken, macht keinen Sinn. Irgendwann bewegte ich dann meinen Hintern und ging los. Ich fand auf meiner Karte noch die St. Georg-Kirche und besuchte diese und war Hammer erstaunt. Nicht wirklich was dolles erwartend erschlug sie mich fast mit ihrem Interieur, also wirklich zu empfehlen, tolle Malereien der Neugotik, einfach nur klasse!

St. Georg von Ulm

Die Nebel lichteten sich und so entschied ich mich dann doch den Münster zu besteigen. Leider durfte ich meinen Rucksack nicht unten deponieren und ging einfach befrustet von dannen, ließ den Münster Münster sein. Die können mich mal. So richtig motiviert war ich auch eh nicht. Ich nahm den Bus aus Ulm raus, auf den Kuhberg, Schulzentrum. Ich sage ja, hier gibt es nur schlaue Leute. Den Rest zum Fort Oberer Kuhberg steige ich hoch und habe eine tolle Aussicht bei nun wieder strahlendem Sonnenschein auf Ulm und die Umgebung.

Es geht oben auf dem Berg über Wiesen und Felder Richtung Grimmelfingen. Die Kirchturmspitze des Ulmer Münsters ist noch lange sichtbar, ich sage nur: In Ulm, um Ulm und um Ulm herum :)

Dann verschwindet sie jedoch hinter einem Hügel. Es ist ruhig, die quirlige Stadt liegt hinter mir. Hat mir gut gefallen, reicht jetzt aber auch mit Quirligkeit. Einsam gehe ich meiner Wege, um dann runter nach Grimmelfingen den Berg abzusteigen.

Abgeerntete Felder kurz vor Grimmelfingen

Eine kleine Kirche mit schönen Kirchenfenstern und einem tollen Stempel erwarten mich. Sie ist schön kühl. Ja man mag es kaum glauben, aber es ist so warm geworden, dass ich die Kühle der Kirche genieße. Ab Einsingen wurde es ziemlich gewerbemäßig, war nicht so der Hit. Aber das Wetter blieb mir hold und so war es auch möglich sich mal auf die Wiese zu legen, auch schön.

Die kleine Kirche von Grimmelfingen und der Weg wenig später aus dem bunten Wald hinaus

Ich nenne es jetzt mal: Aufregungslos

Landschaft bei Einsingen

Kurz vor Erbach, auf einem Kinderspielplatz schaute ich dann wo meine nächste Unterkunft sein würde. Oh je, total ab vom Ort, das hatte ich nicht so im Sinn gehabt bei der Buchung. Das ist ja doof. Kurzerhand rief ich die Schwabenpfanne an und buchte mich da ein, sagte das andere Zimmer ab. Was soll ich sagen? Als ich da ankam stellte ich fest, dass sie sich an einem Kreisverkehr der hiesigen Bundesstraße befindet, wo viele Autos und tonnenweise LKWs durchbretterten. Das ist ja mal eine Location. Und die hatten tatsächlich einen, wie in meinem Wanderbuch beschrieben, gemütlichen Biergarten mit Blick auf eben diesen Kreisverkehr. Da bekommste ja einen Hörsturz. Das kann man nur mit Drogen aushalten. Ich bat sogleich um ein Zimmer nach hinten raus. Ich habe zwar immer Ohrstöpsel dabei, aber das ist hier nun echt die Härte. Der Typ meinte doch glatt, dass man das doch gar nicht hört. Oh oh, der muss schon sehr taub sein.

Mit dem Zimmer zum Hinterhof war ich dann aber auch zufrieden, die Heizung kracht, also Wäsche waschen ist angesagt. Die Dusche ist prima und so machte ich mich später auf der Suche nach was essbarem. Das Restaurant lag inmitten eines Gewerbegebietes. Ist schon sehr speziell hier, aber es gab lecker Pizza und danach konnte ich natürlich noch einfach was für den nächsten Tag einkaufen (da Gewerbegebiet), ist ja auch was. Die Nacht war mit Ohrstöpseln sehr gut gewesen. Danke für diese Erfindung!

27.10.17

Erbach nach Rißtissen

16 km

Nach einem guten Frühstück entfernte ich mich vom Bundesstraßen-Trubel, der schon wieder voll im Gange war und ging den Berg hoch zum Schloss und Kirche von Erbach. Hier ist nun der alte Ortskern zu sehen, kleine Häuschen, enge, steile Sträßchen. Sehr nett. Ich gab ein bissel Gas, da es sich enorm zugezogen hatte und es schon anfing zu pieseln. An der Schlossmauer entlang und in die große und beeindruckende St. Martinuskirche, die hoch über Erbach thront, reingestürmt. Es schüttete aus Eimern. Puh, Glück gehabt. Ich richtete mich häuslich ein und schaute mir erst mal die Kirche an.

St. Martinus Erbach

Mein App sagte mir, dass ich mich etwas gedulden müsse bevor es wieder aufhört mit dem Regen. Nun denn. Die Kirche ist in barock gehalten, mit einem großen Balkon unter der tollen Orgel und großen wunderbaren Deckengemälden, einfach Hammer. Ich verbrachte 2 Stunden hier, ging in mich, betete und hielt einen Plausch mit den beiden Frauen, die die Kirche säuberten, das war sehr nett. Zum Glück sind wir im katholischen Sektor angekommen und somit ist das Gebäude geöffnet, denn draußen ging gerade die Welt unter. Ich fing an mich ein wenig zu langweilen, wartete aber weiter ab. Als es aufhörte ging ich nebenan im Gemeindehaus noch auf die Toilette, redete dort noch mit der Sekretärin und machte mich dann bei beginnendem Sonnenschein auf den Weg. Mit Blick zurück zur tollen Kirche ging es den Bergkamm entlang zu einer kleinen Mini-Marienkapelle, die zum Glück auch auf hatte, da es gerade wieder zu nieseln begann.

Also in meiner vollen Regenmontur sehe ich wirklich aus wie Quasimodo, kann man nicht anders sagen, aber Hauptsache trocken. In Donaurieden krachte dann die Sonne vom Himmel, Zeit für Pausenbrot und sonnen, wie schön. Den Kamm ging es weiter nach Oberdischingen welches von weitem schon in Sicht kommt und wo es auch eine Pilgerherberge gibt, die ich jedoch nicht in Anspruch nehmen werde, ich gehe weiter.

Zwei Pilgerwege laufen hier zusammen, Jakobsweg und Martinusweg kurz vor Oberdischingen

Es geht Richtung Donau. Dann stehe ich auf der Donaubrücke, hier fließt die noch kleine Donau still dahin. Ich werde leicht wehmütig, der letzte große Fluss. Jetzt bin ich total im Süden, so ein Gefühl macht sich breit. Deutschland ist nicht mehr lange, dann ist es vorbei. Aber noch ist es nicht soweit.

Donauüberquerung

Gerührt gehe ich weiter, um wenig später Unterschlupf in einer Wohnwagenabstell-Scheune zu finden bevor der nächste fiese Schauer über das Land zieht. Danach kommt wieder Sonne und ich gehe weiter nach Rißtissen an der schönen Riß, wie der Name schon sagt. Hier komme ich tatsächlich in einer katholischen Gemeinde der St. Pankreatius und Dorothea Kirche unter, da die beiden Unterkünfte voll mit Monteuren sind. Ja ja die Monteure können einen echt einen Strich durch die Rechnung machen. Aber ich freue mich, dass ich in der Gemeinde auf einem Sofa schlafen kann. Die Kirche ist eine süße Zwiebelkirche, innen dezenter Barock und schön ruhig, Zeit zum in sich gehen.

St. Pankreatius und Dorothea, Rißtissen

Nebenan werde ich von einer netten Frau begrüßt, die mir mitteilt, dass im Gemeinderaum noch eine Veranstaltung ist, die aber nicht mehr lange geht. Nun, ich bekomme von ihr Kaffee und Zopfkuchen in Massen und mache mich darüber her. Das finde ich ja nett. Die Heizung ist auch super und es gibt einen tollen Stempel. Auch dass es ein Sofa gibt ist natürlich viel besser als Isomatte. Eine Dusche gibt es nicht, ist klar, das habe ich in Gemeinden auch noch nicht erlebt, hier duscht man ja auch in der Regel nicht. Dafür gibt es aber eine schöne Küche und so kann ich mir am nächsten Tag ein schönes Frühstück zaubern.

Abends ging's dann aber in die Gaststätte der Pension mit den vielen Monteuren zu einem lecker Essen.

28.10.17

Rißtissen nach Äpfingen

16 km

Nach gutem Frühstück und einem Gebet in hiesiger Kirche mache ich mich auf den Weg, verlasse Rißtissen über die kleine Riß und biege an einem Bauernhof ab, der auf seiner Hauswand einen riesigen gemalten Jesus hat mit den Worten:

Jesus ich vertraue auf dich.

Es geht über die kleine Riß und kurz danach zum Haus mit dem riesigen Jesus drauf

Das ist ja mal toll. Heute ist Kirchen-und Stempeltag. Viel Kultur erwartet mich. Ich gehe über Wiesen, ändere meinen Weg etwas, da es hier nur auf einem Randweg die Straße lang geht, das finde ich doof. So biege ich ab übers Feld in ein Waldstück. Ich treffe einen älteren Herren, der mit mir übers Pilgern redet, er war auch schon mal in Santiago. Schön finde ich solche Begegnungen. Es ist bedeckt und kühl, ein frischer Wind weht. Meine erste Kirche ist die in Niederkirch vor Untersulmetingen, was für Namen. Eine kleine Zwiebelkirche mit schlichtem Interieur, aber tollem Deckengemälde und Stempel.

Die kleine Zwiebelkirche von Niederkirch

Die in Obersulmetingen, ja das gibt es auch, ist eher in Weiß gehalten und auch schlicht. Die St. Ulrich ist eine Schlosskirche, nebenan steht das große Schloss, welches gerade renoviert wird. Ich treffe den Schlüsselherren und wir kommen ins Gespräch. Er gibt mir dann auch den Schlüssel zum Rathausklo gleich nebenan. Es ist schon schöner eine Toilette zu haben, als den Hintern in den kalten Wind zu halten. Der Wind frischt weiter auf und ist mittlerweile stürmisch. Am Ortsausgang von Obersulmetingen gibt es eine kleine Mariengrotte mit dem Worten:

Gottes Kraft geht alle Wege mit. Wie schön, dann kann es ja weitergehen.

Mariengrotte nach Obersulmetingen

Gut eingepackt in allen Klamotten, die ich habe geht es gegen den Sturm ankämpfend durchs Sündental, na passt ja. Kann man sich mal Gedanken machen :) nach Schemmerberg, ein Ort, der wie er Name sagt, auf einem Berg liegt. Oben thront die St. Martin Kirche. Der Aufstieg hat es auch in sich und leider ist nicht nur das Feld, sondern auch der Feldweg mitgedüngt worden, somit rieche ich jetzt nicht mehr ganz so frisch, Landluft eben. Völlig zerzaust komme ich oben an. Mensch, ein Glück haben die Kirchen hier alle auf. Zeit für eine windstille Pause und Betrachten der netten Deckenmalerei. Und was für einen Hammerstempel gibt's hier, klasse! 

Richtungswechsel bedeutet Rückenwind, wie schön, das ist doch wesentlich angenehmer.

Ich komme in Äpfingen bei der Familie Hepp an, auch ehemalige Pilger, die Pilgern eine Unterkunft geben. Erst mal gibt es Kaffee und Kuchen und viel Reden über die eigenen Erfahrungen, das ist schön. Ja ich bin der letzte Pilger dieses Jahr. Ein wenig verwundert sind sie über mich, da ich hier noch zu dieser Jahreszeit und dann noch alleine rumlaufe. Überhaupt werde ich ja viel angesprochen, ob ich denn keine Angst hätte und so. Nun bisher ist mir noch nichts passiert und ich hoffe dass das auch so bleibt, denn sonst könnte ich es wahrscheinlich nicht mehr weitermachen. Das Pfefferspray ist aber doch immer mit dabei, man weiß ja nie, gell? Ich beziehe den Dachboden, ein schönes Pilgerzimmer mit Betten, Sofa, viel Lektüre, Föhn und toller Fensterfront, die leider wenn ich raus schaue nichts Gutes verheißt. Aber heute sollte es noch trocken bleiben, so konnte ich trockenen Fußes noch später zum Restaurant, was ein wenig entfernt war, gehen und was schönes Essen.

Es gab auch weises zu lesen im Pilgerzimmer:

 

Wenn du an eine schwierige Stelle kommst und alles gegen dich läuft,

so dass es dir scheint, als könntest du nicht eine Minute länger standhalten,

dann gib niemals auf,

denn das ist gerade der Ort, wo die Gezeiten wechseln.

 

29.10.17

Äpfingen nach Biberach an der Riß

10 km

Oh, oh!

Zeit für das Ganzkörperkondom! Es regnet in Strömen und stürmt dabei noch. Was tun? Ich sitze mit Familie Hepp am Frühstückstisch und überlege. Bus nehmen? Hätte man machen können, aber es gibt keinen, Sonntag, grmph!

Okay, sie erzählten mir von einer Abkürzung durch den Wald, das hört sich gut an, das mache ich. Ich werde also nicht über Laupertshausen gehen, sondern gerade durch den Wald nach Mettenbach. Auch teilten sie mir mit, dass es Probleme gäbe mit den Zügen im Norden wegen der Unwetter. Heute neigt sich meine Tour ja dem Ende und ich fahre wieder heim, so Gott will. Nun was soll ich sagen, Gott wollte nicht, aber dazu gleich.

Ich schmiss mich also in die volle Montur und gab mich dem Sturm und Regen hin. Ich kämpfte mich über ein Feld und gelang wenig später in den Wald. Hier war ich geschützter, zumindest vom Regen. Ich hoffte, dass die Bäume alle da bleiben  wo sie stehen und nicht umkippen würden. Taten sie auch, danke.

Nach einer Weile kam ich in der Unterführung der B30 an, Pause machen im Trockenen, nicht schön hier, aber okay. Weiter ging's nach Mettenberg. Meine App teilte mir drohenden Starkregen mit, also noch stärker als jetzt gerade. Ich hoffte dass die Kirche oben auf dem Berg auf hat, war dann auch so, klar katholisch! Alle nassen Klamotten runter und aufgehängt. Als ich mich soweit sortiert hatte schaute ich mir die kleine, aber nette Kirche an und aß mein Brot.

    St. Alban, Mettenberg

Starkregen hin, Starkregen her, nützt alles nichts, ich gehe weiter. Im Sturmschritt nach Biberach, was anderes bleibt einem auch nicht übrig. Fluchend, weil mein Regencape mich immer wieder aufgrund des Windes von hinten überdeckte (oh man da muss echt eine andere Lösung her) kam ich in Biberach an und stoppte auch erst in der nächsten Unterführung. Diese war erfreulicherweise toll mit Graffiti bemalt, ein wenig Farbe in all diesem tristen Grau. Toll sieht das aus.

Weiter ging's schnurstracks in die Kirche. Die St. Martin ist eine Simultankirche, wo Katholiken und Evangelen beide Gottesdienste abhalten, also getrennt voneinander, aber beide in eben derselben Kirche. Sowas habe ich auch noch nicht gehört und finde es sehr spannend. Die Kirche selber ist enorm in Barock gehalten, ist echt der Hammer. Man wird fast erschlagen.

St. Martin Simultankirche, Biberach an der Riß

Aber wo ist der Stempel? Das kann echt nicht wahr sein. So eine tolle Kirche und keinen Stempel, wohl im Gemeindebüro, welches natürlich am Sonntag geschlossen hat. Frust! Nun, ich ziehe mir neue Klamotten an, da mittlerweile alles durchnässt ist, irgendwann hält auch die stärkste Klamotte den Regen nicht mehr auf (obwohl meine Hose schon der Hammer ist, aber aufgrund meines Millitär-Wanderschritts bin ich durchgeschwitzt.) Ich zünde zwei Kerzen an und gehe in mich.

Martin Luther und Papst Franziskus, ist doch mal was. Und zum Abschluss gibt's Kerzen anzünden

Lange hält es mich aber dann doch nicht in der Kirche, ich fange an zu frieren und gehe nebenan ins gut gefüllte Stadtcafé, setze mich direkt an die Heizung und ordere mir einen schönen großen heißen Milchkaffee.  Hier hole ich mir meinen Abschlussstempel, der auch sehr nett ist. Echt jede Kirche auf dem Weg hat einen Stempel, nur diese hier nicht. Nun ich sollte das bemängeln bei meiner nächsten Tour, die ja das Jahr darauf anstand und bekam dann im nächsten Jahr den richtigen Kirchen-Pilgerstempel.

Mein Stiefvater teilte mir via Whatsapp mit, dass ich nicht nach Hause kommen werde heute, es gibt zu viele Sturmschäden im Norden, die Gleise sind zu. Aber am Ende wird alles gut, ich kann bis Frankfurt kommen und werde dort bei meiner Tante übernachten. Okay. Dann kann ich ja jetzt irgendeinen Zug nehmen, Zugbindung ist passé, muss nur schauen wie ich nun nach Frankfurt komme.

Schön aufgewärmt mache ich mich durch den Regen auf zum Bahnhof, Abschlussfoto und ab in den Zug, genug Zeit um alles Revue passieren zu lassen.

Witzigerweise stieg ich nun in Ulm um und es war schön nochmal alles abzufahren, was ich erwandert bin.

Ich kam gut in Frankfurt an, hier endete der Zug auch, weiter ging es heute nicht mehr. Dumm für die Leute, die keinen hatten, der sie aufnehmen konnte.

Ich hatte Glück und wurde von meinen Lieben abgeholt und so hatte ich noch mit ihnen einen schönen Abend, eine heiße Dusche, ein tolles warmes Zimmer und ein lecker Essen beim Thai.

Am nächsten Tag bin ich dann mit einigen Schwierigkeiten hier in Lüneburg angekommen, geht doch.

Ich trat über die Türschwelle, nun, ich fühlte mich noch nicht richtig daheim. Das sollte noch eine Weile dauern, aber auch hier wurde am Ende alles gut. Ich liebe meine neue Wohnung :)

Wer weiß denn schon, wie viel Zeit mir noch bleibt? 

Wer weiß denn schon, wie weit der Weg mich noch trägt? 

Wer weiß denn schon wie viele Tage für mich gezählt? 

Wer weiß denn schon, wofür das Leben mich gewählt? 

Ich seh' die Sterne am Himmel stehen 

Und würd' so gerne, mehr verstehen 

Ich seh' die Sterne am Himmel stehen 

Und würd' so gerne weiter seh'n. 

Iria-Aufbruch