Interlaken nach Genf 3

Jetzt muss ich aber mal schleunigst hinter dem Weinberg verschwinden, hoffe dass nun jetzt nicht gerade ein Auto die kleine Straße langfahren wird. Ja ja, das mit dem Pieschern ist schon manchmal abenteuerlich. Aber alles gut gegangen, weitergehen. 

Genfer See-Berg-Impressionen

Wenig später geht es bergab, es wird waldiger und ein lautes Bachrauschen kommt in meine Ohren. Eine kleine Brücke führt mich über die reißende Aubonne. Wow, was für Wassermassen, Hammer. Was für ein toller Fluss, da kann einem echt schwindelig werden, wenn man hier oben so steht und runter schaut. 

Die reißende Aubonne

Der Weg folgt links dem Fluss. Eine erholsame Pause im Schatten der Bäume mit dem Flussrauschen, das ist wunderbar. Ich habe mir überlegt bis zur Mündung in den See zu gehen, obwohl der Weg vorher abbiegt. Aber das will ich sehen, das ist bestimmt klasse. Der Wald hier ist sehr urig mit knorrigen Eichen, ein schmaler Weg führt hindurch. 

Ein toller Wanderweg führt am Fluss entlang durch urigen Wald

Ich komme an eine Lichtung mit einer, ich kann's kaum glauben: Kiwiplantage. Na das ist ja mal eine Überraschung. Noch sind nur die Blüten und Knospen zu sehen und keine Kiwis. Sie hangeln sich auch so ein bissl weinrebenmäßig an Schnüren entlang. Hammer! 

Ich gehe den schmalen Weg weiter bis ich dann an der Mündung zum See ankomme. Direkt an der Spitze stehe ich, das schlammige Wasser zeichnet sich vom Blau des Sees ab, ein kleiner Kiesstrand geht am Ufer entlang, einfach nur klasse. Also wenn man hier langgeht, dann sollte man sich die Mündung der Aubonne nicht entgehen lassen, ist nur ein kurzer Umweg. Auch ein guter Pausenort, aber die hatte ich ja gerade erst.

Gut zu erkennen ist das schlammige Wasser der Aubonne, welches in den klaren Genfer See fließt

Am Strand geht’s weiter zur Pêcherie (Fischerei), was aber ein kleines Restaurant ist mit Terrasse zum See. Hier mache ich nun doch mal Pause und trinke einen Café crème mit Mittelmeerambiente unter Palmen. Eigentlich ist nur an der schweizer Fahne, die am Steg angebracht ist zu erkennen, dass man sich nicht irgendwo am Meer befindet, sondern eben in der Schweiz. Gut dass es immer so viele Fahnen gibt, da kann man nicht in Verwirrung geraten :-) Tolles Ambiente, muss ich schon sagen. 

Es geht wieder den Berg hoch an Weinplantagen mit Zypressen vorbei Richtung Perroy. Die Wolken verziehen sich so langsam von den Bergen auf der gegenüberliegenden Seite und somit werden die Bergspitzen sichtbar. Ob ich nochmal den Mont Blanc sehen werde? Der soll ja auch vom Genfer See aus sichtbar sein. Hmm!

Auf einer Bank sitzt ein Monsieur mit sac a dos (Rucksack). Ich spreche ihn einfach auf französisch an, ist vielleicht ein Pilger. Er ist ein Schweizer, der aus Spiez kommt und den Genfer See runter wandert. Na das ist doch mal klasse, Spiez kenne ich auch schon. Er heißt Helmut und kann natürlich deutsch, spricht aber auch ganz gut französisch, ist ein Vorteil. Er steht auf und wir gehen gemeinsam nach Perroy rein. 

Die Straße kurz vor Perroy, wo ich Helmut auf einer Bank sitzend antraf

Erst mal ein bissel wieder ungewohnt für mich. Ich sage ihm auch, dass er auch weitergehen kann, nicht auf mich warten muss, wenn ich ihm zu langsam oder so bin, da ich ja mal hier und da stehen bleibe, Fotos mache, in die Kirche gehe und so weiter. Aber er bleibt bei mir und will heute auch in Rolle unterkommen. Okay, dann gehen wir gemeinsam nach Rolle, schön. Es geht durch Perroy, einen Weinort. Auch kommt man immer wieder an Weingütern vorbei, bei denen man eine Dégustation de vins machen kann, eine Weinverköstigung, jedoch nicht mit uns, wir wandern auf Rolle zu, den Berg runter, denn Rolle liegt nun wieder am See.

Die kleine Kirche von Perroy und gut zu erkennen: es handelt sich hier um einen Weinort

Ich habe da eine Unterkunft gleich unweit vom See, zwar ohne Frühstück, aber ich habe ja alles dabei. Helmut hat noch nichts und will sich in der Hostellerie du Château einquartieren. In Rolle angekommen bekommen wir mit, dass die beiden gleich nebeneinander liegen, die Preise der Zimmer aber weniger. Ich zahle 50 Franken, was ich schon viel finde, aber hier am See ist's mit guten Preisen nicht mehr so einfach und er zahlt 160. Oh oh. Nun, dafür hat er Frühstück. Außerdem ist er berentet, war Ingenieur im Tunnelbau und bekommt doch eine ganz gute Rente, finde ich. Er sieht das ein bissel anders und erzählt mir von all den Kosten die man in der Schweiz noch so hat. Nun, Im Gegensatz zu meinem Verdienst doch ein großer Unterschied. Wir tauschen Nummern aus und verabreden uns für später. Meine Pension ist einfach nur süß. Total knuffig eingerichtet, sehr individuell mit viel Schnickschnack aus sämtlichen Epochen, ich find's klasse. Die Dame des Hauses spricht nur französisch, nun macht nichts. Das was wir klären müssen geht auch damit. Es gibt einen kleinen Innenhof, eine kleine Küche, wo ich mir auch morgen einen Kaffee machen und frühstücken kann, schön. 

Ich habe eine tolle Unterkunft, sehr süß und individuell eingerichtet mit nettem Gärtchen im Hinterhof

Nach dem Duschen treffen Helmut und ich uns vor der Tür und gehen nochmal zum See runter. Die schweizer Armee ist auch zugegen und scheinen hier irgendetwas zu üben. Die Jungs stehen alle stramm, rennen dann plötzlich los zu ihren Hüten, die sie auf der Wiese liegengelassen haben, dann wird wieder still gestanden. Naja macht mal. 

Die Schweizer Armee am üben vor dem Schloss von Rolle und Maika am See

Die Uferpromenade ist wieder sehr schön, die Segler sind rausgekommen und schippern mit ihren bunten Segeln auf dem See dahin. Eine kleine Insel ist vorgelagert, die Île de la Harpe mit einem Obelisk, welcher an den Waadtländer Revolutionär Frédéric César de la Harpe erinnern soll. Aha! Das Wasser ist glasklar, man kann jeden einzelnen Stein erkennen und in der Ferne kommen einige Spitzen der schneebedeckten Berge, die hinter der ersten Bergreihe versteckt sind, hervor. 

An der Seepromenade Rolle

Nebenan befindet sich das Schloss (klar gibt es hier auch ein Schloss) von Rolle, markant mit seinen vier aufragenden Türmen, was die Schlösser hier sehr häufig so haben. Fasziniert beobachten Helmut und ich die Soldaten und machen uns dann auf zur Kirche und landen erst mal bei der reformierten, die natürlich leer ist und auch keinen Stempel hat und kommen dann zur katholischen, wo ich alles bekomme was ich möchte, nämlich einen Stempel, reicht ja schon, mehr will ich ja gar nicht. Und nun? Ich habe Käsebrot, Helmut will was essen gehen. Er lädt mich kurzerhand zum Italiener um die Ecke ein, das ist doch mal was. Wir sitzen draußen im Garten und essen tolle Riesenpizza. Dazu gibt es ein Glas Rotwein. Ich wunderte mich noch, der Preis des Weines könnte in Deutschland genauso sein, bis der Ober mit dem Wein ankommt und da nur eine Pfütze im Glas ist. Okay ist nur die Hälfte drinnen, deshalb der Preis, schon Hammer. Wir essen schön zusammen und gehen danach jeder auf sein Zimmer und verabreden uns für morgen.

Nun ich könnte mir das mit ihm vorstellen, halte es mir aber immer noch frei auch alleine zu wandern. Wir hatten tatsächlich auch wieder das gleiche Ziel morgen. Morgen geht es zum Château de Bossey, meine bisher teuerste Unterkunft mit 80 Franken, ein Ökumenisches Institut, welches sich als internationales Zentrum für Begegnung, Dialog und akademische Bildung des Ökumenischen Rates der Kirchen betitelt. Bei meiner Recherche über Unterkünfte am Genfer See war es nicht leicht was günstiges zu finden, was dann auch zu erreichen ist, also ohne 1000 km latschen. Ich hätte ja in Gland übernachten können, da ist eine Pilgerherberge, aber dann hätte ich nicht das schöne Rolle am schönen See gehabt und hätte eben mindestens 26 km laufen müssen. Außerdem liegt es im Landesinnern. Also hier einfach noch mal den See genießen. Morgen ist's schwer an den See zu kommen. Helmut hat mir erzählt, dass es eine Volksabstimmung gab über das Thema: Die schweizer Seen, somit auch den Genfer See, für die Allgemeinheit zugänglich zu machen. Es wurde dafür gestimmt, aber wie man sieht ist noch nicht alles umgesetzt worden. Die Reichen mit Seezugang wollen das natürlich nicht. In der Schweiz läuft ja viel über Volksabstimmung, da läuft es anders als bei uns. Nun man kann gespannt sein wie es mal mit dem Thema weitergehen wird. Für uns bedeutet es jetzt aber ab morgen in die Berge vom See wegzugehen, schade eigentlich, wenngleich ich die Weinberge mit natürlich dem tollen Seeblick auch schön finde. Ich komme also in mein Kunstzimmer, die Fenster weit geöffnet. Der Verkehr, der hier vorhin noch durch die Straße schlich, ist weg und ich habe sogar Blick aufs Schloss und den See, ist doch was.

Abends bin ich nochmal an den See gegangen und habe die Abendstimmung genossen und bildlich eingefangen.

13.6.19

Rolle nach Celigny, Château de Bossey, 26 km (sind ja dann doch 26 km geworden)

Auf der Grand Rue vor meinem Fenster ist schon wieder verkehrstechnisch ordentlich was los. Wieder sind viele Fahnen vorhanden: diesmal die von Rolle, von Waadt und natürlich die der Schweiz. Schön, weiß man immer wo man ist, wenn man denn die Flaggen kennt :-) Die Sonne lacht wieder von einem diesmal strahlendblauem Himmel ohne Wolken. Also ich muss schon sagen, die beiden Jungs aus Bayern haben viel zu früh aufgegeben, ihre Wetterapps haben scheinbar ziemlich versagt. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich noch so tolles Wetter haben werde. Ich mache mich auf den Weg nach unten, mache mir meinen Kaffee und setze mich mit Käsebrot auf die Terrasse. Mein kleiner Zeh nervt leider weiterhin, somit wird er wieder schön eingepackt. Helmut und ich treffen uns vorne am See und setzen gemeinsam unseren Weg fort. 

Morgens mit ganz ruhigem See und der Île de la Harpe plus Schwan

Es geht den Berg hoch nach Bursinel. Heute gibt es keinen Seeweg, schade. So gar kein Seeweg ist auch doof, aber anhand der Kilometer, die eigentlich ja weniger wären kann man erkennen, dass wir die ein oder andere Änderung mit am Start hatten. Die erste Änderung belief sich darauf, dass wir einfach den schöneren Weg durch die Weinstockreihen gehen wollten. Ich meinte noch zu Helmut, dass meine App aber nicht mitteilt, dass es erstens überhaupt der richtige Weg sei, noch dass der irgendwo hinführen würde. Er meinte, dass er immer einfach losgeht, der See ist links, somit die Richtung klar. 

Oberhalb des Sees angekommen

Nun, wenig später kamen wir zu einem Bauern, der was an den Reben schnippelte, vorbei, der wollte uns auch wieder zurückschicken. Ich hasse zurückgehen! Er meinte aber auch, dass es einen Schleichweg mit einer kleinen Brücke über den Bach, der wohl vor uns liegt, gibt. Nun wir kämpften uns also den schmalen Schleichweg runter zum Bach, finden auch die Brücke, auf der stand, dass es hier nicht weitergeht. Wir passierten die Bücke trotzdem und landeten wenig später oben auf der Wiese auf einem Privatgrundbesitz mit herrschaftlichen Häusern und Zypressenallee, auch schön. Die Hausherrin kam aus dem Haus, zum Glück kann Helmut ganz gut französisch. Sie war auch nicht erbost, sondern sagte uns wie wir hier wieder rauskommen. Also ging's die Zypressenallee runter bis zum Tor.

Lost  im Weinberg und wenig später auf der Zypressenallee des herrschaftlichen Anwesens

Wir kamen nach Bursinel und trafen da glatt auf zwei deutsche Pilger. Er wollte nach Santiago laufen, sie nach Genf. Nach einem Plausch ging aber jeder wieder seiner Wege. Später sahen wir uns nochmal wieder. Über Wein-und Obstplantagen ging es vorbei, die Berge waren frei zu sehen und was sehe ich da? Da isser wieder: der Mont Blanc, lugt hinter den anderen mit seiner weißen Spitze hervor, klasse. Ich freue mir total einen Keks, das ist doch mal toll und so gut zu sehen. Schön! Im Stechschritt ging es durch Gland, alles nur Wohngebiete, Straßen, langweilig, ich bin froh, dass ich nicht hier übernachtet habe, sondern in Rolle, schön am See. Gland hinter uns lassend kommen wir wenig später am Fluss Promentouse an, ein Zufluss des Genfer Sees. 

Als kleine weiße Spitze ist der Mont Blanc hinter den Bergen sichtbar. Helmut läuft an abgedeckten Obstplantagen vorbei

Hier ging es auch an einem Weg direkt am Fluss unter der Brücke durch, diesmal aber begehbar. Mit leichten Irrungen, weil der Wegweiser zwar alles Mögliche anzeigte, aber nicht unseren Via Jakobi 4, nahmen wir den sogenannten Toblerone-Weg. Wir wunderten uns noch warum der so hieß, bis wir dann die Steine, die in gleichen Abständen nebeneinander lagen, sahen. Sie dienten ehemals als Panzersperre gegenüber Frankreich, meinte Helmut. Und weil die wie Toblerone-Schokostücke aussahen, hieß der Weg eben Toblerone-Weg, witzig! Man hat sie hier einfach liegen gelassen, und nun überwuchert die Natur alles. Ein schmaler Weg ging daneben entlang und daneben dann der Fluss. Schön war es hier. 

Durch ebene, offene Landschaft geht es wenig später auf dem Toblerone-Weg schattig am Fluss entlang,

diesmal auch unter der Brücke hindurch

Mittagspause an einem netten auf Holzbohlen erhobenen Sitzplatz mit Bänkchen, meine Blase nochmals bearbeiten, die leider wieder sehr prall geworden ist. Füße umwickeln und weiter geht’s den Sentier des toblerones entlang und wenig später an Maisfeldern vorbei zu einem ummauerten tollen Garten mit rosenumranktem Eingang, den wir uns auch einfach mal anschauten. Helmut ist Garten-Fan und wollte das mal sehen, war auch sehenswert. Und endlich wieder am See, am Plage de Promenthoux angekommen, setzen wir uns auf die Stufen des Freibades und essen Eis, lecker Magnum für 3,50 Franken. 

Es geht die Blumenwiesen-Treppe zum Schloss von Prangins hoch mit toller Aussicht auf See und Berge

Kurze Zeit später kommen wir in Prangins an. Oben auf einem Berg kann man schon das große Schloss thronen sehen. Wir stiegen die Treppen hinauf, vorbei am wiesenblumenbewachsenen Abhang mit Mohn, Natternkopf und Lichtnelke und landen auf dem Vorplatz, natürlich mit toller Seeaussicht, das hat schon was.  Hinterm Schloss befindet sich der schlosseigene Garten mit viel Gemüseanpflanzungen, dahinter dann die Kirche von Prangins, welche nett von außen und langweilig von innen aussieht, reformiert :-)

Blick vom Schloss in die Weite und in den Garten mit Kirche im Hintergrund

Über einen netten von uns selbst gewählten Weg oberhalb des Weinberges geht es weiter Richtung Nyon, dessen Schloss wir von weitem schon sehen konnten. Sieht klasse aus und liegt auch schön am See. Leider soll der Wanderweg dran vorbeiführen. 

Richtung Nyon geht es über einen schönen Weinberg mit toller Aussicht

Ziemlich k.o., meinerseits jedenfalls, kommen wir in Nyon an und entscheiden uns nicht oben lang zu gehen, sondern runter zur Altstadt. Es war ordentlich was los, viele Leute waren shoppend unterwegs, nach der ganzen Einsamkeit war mir das zu viel, auch brauchte ich dringend eine Pause. Im Café am Schloss setzten wir uns dann hin und tranken was, brachen dann aber auch auf, die Treppen runtergehend am Schloss vorbei, durch kleine, süße Altstadtgassen runter zum See. So ein bissel See muss schon noch sein, fanden wir. 

Am Schloss von Nyon, ebenfalls mit toller See-Aussicht

Nyon-Altstadt-Ansichten

Somit war das natürlich auch noch mal ein kleiner Umweg, aber das Ausruhen später am See auf der Bank war einfach nur schön. Die Straße dann am See langzugehen weniger, aber bleib nicht aus, ging ja nicht anders. Es ist halt auch alles ein bissel eng hier. Da ist der See, dann geht es gleich den Berg hoch, die Ausläufer des Juragebirges, welches sich dann bis über 1700 m Höhe erstreckt. Da muss ja die Straße auch irgendwie reinpassen. Neben uns eine Fahnenmast-Ansammlung mit den Fahnen aller schweizer Kantone, na das ist doch auch mal was. Am Port de Nyon vorbei ging's eben diese doofe Straße entlang, die wir auch noch eine Weile an der Backe hatten. 

Nochmals schön am Wasser mit Schweizer-Fahnenrund und Marina

Einen Vorschlag von Helmut, ob wir nicht abgehen könnten, verneinte ich, noch mehr Umwege schaffe ich dann echt nicht. Am UEFA-Hauptquartier Nyon vorbeimarschiert, kamen wir endlich an den Abzweig, wo es hoch ging nach Crans-près-Celigny ging, also Crans vor Celigny. Schnaufend kamen wir oben an und bogen links zur kleinen Kirche ab. Ein Brunnen mit frischem kalten Wasser kam wie gerufen, der wurde halb ausgetrunken, Flaschen aufgefüllt. Von der kleinen Kirche, welche Temple de Crans-près-Celigny hieß (die Kirchen heißen hier gerne mal Tempel) und auf einem Weinberg beheimatet war, hatte man einen tollen Blick über den See bis hin zu den Bergen. 

Die kleine Kirche oben auf dem Berg von Crans-près-Celigny und die tolle Aussicht

Die Kirche selbst war zwar reformiert, hatte aber tolle Wandmalereien, schöne Fenster und eine schöne bunte Decke. Sowas habe ich ja nun gar nicht erwartet nach den eher tristen Einrichtungen jener Kirchen. 

Auch reformierte schweizer Kirchen haben mitunter viel zu bieten

Weiter ging's nach Celigny, die Beine sind nun echt müde und Bossey ist noch etwas außerhalb, puh! Ein hübscher mit Mohnblumen umsäumter Weg führt uns direkt in den schönen Ort mit seinen Steinhäusern, welcher sich in einer Enklave vom nächsten und letzten Kanton Genf befindet. 

Helmut war schon mal hier gewesen auf irgendeiner Tagung und erzählt begeistert davon. Kurz danach befanden wir uns wieder in Waadt/Vaud.

Mal ein Blick in so ein Reichen-Grundstück erhaschen und im Ortskern von Celigny

Mit dem Gedanken noch drei Kilometer wandern zu müssen, weiß auch nicht wie ich darauf kam, standen wir nach kurzer Zeit ziemlich überrascht schon vor dem Château, toll, endlich da. Schick sieht es aus und am Empfang sprachen sie alle möglichen Sprachen, cool. Helmut, der nicht vorgebucht hatte, bekam glatt noch das letzte Zimmer. 

Im schönen Château de Bossey mit dazugehörigem Garten 

Mag man gar nach meinen, denn der Bär tobte jetzt hier nicht gerade. Vereinzelt saßen Leute auf dem nahestehenden Sofas oder draußen am Tisch, mehr nicht. Ich kam in mein Zimmer und war doch etwas enttäuscht. Also es war in Ordnung, aber für den Preis hätte ich mehr erwartet. Es war klein, ein Bett, ein Stuhl, ein Tisch, okay und ein Fernseher, ist glaube ich der erste Fernseher, den ich überhaupt in der Schweiz hatte. Habe aber nicht geschaut, hat mich nicht interessiert. Die Dusche war draußen und gut. So war ich nun wieder fitter danach. Die Blase musste noch behandelt werden, nervt! Dann bin ich aber in den schönen Schlossgarten gegangen und habe die Aussicht genossen. Der Mont Blanc ist wirklich toll zu sehen und auch immer mehr der anderen schneebedeckten Berge wurden sichtbar. Außerdem war es immer noch absolut wolkenfrei. Es gab Kaffee umsonst, den ich mir nicht entgehen ließ, dann setzte ich mich zu einer Pilgerin, die mit dem Outdoorbuch draußen am Tisch saß und redete über den Camino. Sie wollte nach Frankreich reingehen, aber nur ein Stück und dann wieder nach Hause. Eigenartige Variante, aber okay, jeder so wie er denkt. Wenig später kam Helmut dazu. 

Der Mont Blanc ist von hier aus gut zu erkennen als der immer weiße Berg

Ich entschloss mich heute hier zu essen, wie die anderen beiden auch. Das Menü mit Salatbar, Hauptgericht und Nachtisch sollte 20 Franken kosten, da kann man nicht meckern. Okay die Getränke extra, aber auch okay und total lecker. Wir laberten noch eine Weile, dann ging jeder auf sein Zimmer mit der Verabredung, also Helmut und ich, für morgen. Ganz schön gewandert heute. Wie wird es morgen sein? Ich schaute schon nach dem ein oder anderem Boot, was ich vielleicht nehmen könnte, wenn der Weg doch zu weit ist, aber es kam dann doch anders, klar, kennen wir ja schon. Helmut und ich sollten morgen tatsächlich gemeinsam in Genf eintreffen und zwar zu Fuß. 

Ein wundervoller Ort zum entspannen

14.6.19

Celigny/Château de Bossey nach Genève/Genf 27 km

Es regnet, bäh! Schade, hatte ich doch gehofft dass wir nicht jetzt den letzten Wandertag im Regen gehen müssten, aber Helmut meinte schon, dass das Wetter schlechter wird. Nun denn. Wir trafen uns zu einem tollen Frühstücksbuffet, da lohnt es sich das ein oder andere noch mitzunehmen. Für den teuren Übernachtungspreis (ist übrigens noch reduziert für Pilger) kann man das schon machen, finde ich. Ich schaue auf meine WetterApp, es dauert noch etwas bis die Regenfront verschwindet. Helmut möchte aber losgehen und so entscheide ich mich auch dazu, will nicht alleine hier hocken. Außerdem ist es ja auch noch ein Stück. Regenkluft angezogen, Rucksack geschultert, los geht’s über die Château-Wiese, aus dem Tor raus und den Berg runter. Meine Kleinzehen-Blase macht echt Beschwerden, das ist gar nicht gut. Ich hatte mal gelesen, dass die auf dem Camino Frances mit fiesen Blasen so umgegangen sind, dass sie eine Nadel mit Faden durchgezogen haben und den Faden haben liegenlassen, damit die Flüssigkeit immer abläuft und die Blase nicht wieder prall wird. Habe ich ausprobiert, ging auch, tat dann aber beim Wandern sehr weh, so hatte ich den Faden wieder rausgezogen und ein Pflaster drüber gepackt heute früh. Mit dem Laufen wird es auch wieder besser und hält sich in Grenzen, aber das Losgehen ist schon Shittenkram mit sowas.

Zusammen im Regen ist es gar nicht so schlimm, stelle ich fest. Wir gehen nebeneinander, lassen den Regen auf uns pieseln und quatschen. Schön! Heute geht der Weg auch oberhalb des Sees lang, da man wieder nicht runterkommt bzw. eben unten keiner lang geht. Wir sind gut unterwegs und nehmen entschlossen einen falschen Weg. Helmut wundert sich, sagt aber nichts, bis wir im schönen Grünen auf den Hügeln stehen. Nun, zurück geht’s jetzt auch nicht, also folgen  wir dem Punkt auf meiner Wanderapp und gehen langsam Richtung Jakobsweg zurück. Alles in allem war es ein sicher schönerer Weg, da er durch die Felder ging und an Commugny vorbei, also weniger Stadtgelaufe, was ich schon mitunter ein bissel nervig finde. Es pieselt nur noch leicht. Wir lassen strammen Schrittes die letzten Häuser von Commugny hinter uns und kommen an ein Schild: Ultreia, nur noch 1892 km nach Santiago. "Yeah, Yippee, ich habe die 2000er-Marke geknackt!" Klasse, das muss dokumentiert werden! Helmut ist mein Fotograf, da muss er durch, macht er aber auch bereitwillig. 

Wir marschieren durch den Ort mit dem komischen Namen: Mies, so ein bissel fühle ich mich auch, denn das Ort-Gelatsche nervt etwas. Kurz dahinter sind wir im Kanton Genève und bleiben hier jetzt auch. Mein letzter Schweizer Kanton, insgesamt waren es 11 von 26 schweizer Kantonen, toll. In Versoix angekommen geraten wir Gott sei Dank am Ort leicht vorbei auf einen schönen Wanderweg an einem kleinen Bach entlang. Na das erheitert das Pilgerherz. Der führt auch eine Weile am Ort vorbei und geht weiter zur Straße nach Genthod. Helmut ist hungrig, hat sich nun leider nicht wie ich um ein Mittagessen gekümmert, das bereut er jetzt, mich nervt es etwas, denn wir sind auf der Suche nach irgendetwas essbarem und kommen an einer Boucherie (Fleischerei) vorbei, die aber zu hat, Mittagspause. Wir entscheiden uns runter an den See zu gehen und landen dort in einem Restaurant wo ordentlich was los ist, irgendeine Feier. Wir sitzen draußen, langsam klart es sich etwas auf, die Sonne fängt an etwas durchzukommen. Helmut bestellt sich was, ich esse Brownie mit Vanilleeis. Kostet auch wieder ein Schweinegeld, Schweiz eben, aber Helmut will mich einladen. Später esse ich noch mein Brot und mein Schokocroissant, welches ich mir aus Bossey mitgenommen habe. Der Regen hat zum Glück aufgehört und es ist schön hier am See. Nach dem Essen geht’s wieder den Berg hoch, wieder unter der Autobahn und Schiene hindurch und auf den neben den Gleisen führenden Wanderweg, der sehr nett ist, sowas lasse ich mir noch gefallen, aber der viele städtische Asphalt ist schon anstrengend, finde ich. Auch für die Füße und Gelenke ist's nicht so der Hit. Zumindest gibt meine Blase keinen Mucks von sich. Ein schönes Jakobsweg-Schild besagt, dass es nur noch 1887 km nach Santiago sind, ist ja gar nicht mehr so weit :-)

Wegweiser bei Commugny und an den Bahngleisen

Kurz vor Chambésy kommt die Sonne raus, Regenklamotten ad acta gelegt, T-Shirt-Wetter, ich freue mich total. Oben auf der Anhöhe kann man in der Ferne schon Genf sehen und wenig später das Schild: Richtung Genève. Ich bin ganz aufgeregt, so hatte ich doch am Anfang gar nicht im Sinn gehabt, dass ich es überhaupt bis hierher schaffen könnte, so desolat wie ich war. Und nun bin ich gleich da. Ein schöner Trinkwasserbrunnen (Eau potable) lädt zum Erfrischen ein. Wenn man genau hinschaut, kann man in der Ferne schon den Jet d'Eau sehen, das Wahrzeichen der Stadt, die Wasserfontäne im Genfer See.

Wenig später geht es rechts ab und ein steiler Weg an einem Schloss auf der linken Seite und dem Botanischen Garten auf der rechten vorbei. Es fährt ein Auto der Brigade de securité diplomatique Genève an uns vorbei und mustert uns. Genf gilt als eine der sichersten Städte der Welt. Eine Spezialeinheit der Genfer Polizei, die Internationale Sicherheitspolizei, ist ausschließlich für den Schutz der ständigen Missionen und ihrer Diplomaten, internationalen Organisationen und ihrer Beamten, internationaler Konferenzen sowie für den Besuch der Staats- und Regierungschefs zuständig. Spannend. Genf ist nach Zürich die zweitgrößte Stadt der Schweiz und total Multikulti, über 40% der Einwohner sind Ausländer, die aus 180 Nationen kommen, womit Genf zu den Städten mit sehr hohem Ausländeranteil zählt.

Die Stadt Genf beheimatet neben New York City weltweit die meisten internationalen Organisationen, darunter den UN-Zweitsitz, den ich auch besuchen möchte. Auch gibt's hier viele Millionäre, was ja auf meinem Weg hierher unschwer an den großen herrschaftlichen Anlagen zu erkennen ist, wenn denn hinter den hohen Hecken überhaupt was zu sehen war. Genf ist damit, hinter Monaco, die Stadt mit der zweithöchsten Millionärsdichte weltweit, krass.

Unten angekommen kommen wir voll in den Autoverkehr, aber das besondere und tolle, ich stehe vor dem Ortseingangsschild: Genève, ich habe es geschafft! Nach allen Strapazen meiner Krankheit überhaupt noch pilgern zu gehen, nach anfänglichen Erschöpfungszuständen am Thuner See weiter zu gehen und von Tag zu Tag fitter zu werden, das ist schon was. Ich habe mein komplettes Augenlicht wieder, kann scharf sehen, keine Einschränkungen mehr, wenngleich es noch etwas brennt, damit sollte ich noch eine Weile zu tun haben. Mein Kopf ist super, keine Schmerzen. Toll. Wir passieren die große mehrspurige Straße und gehen zum See runter zum Parque mon-repos (der Park zum Ausruhen).  Ein netter Weg führt hier durch und dann weiter den Quai runter. Helmut wollte unbedingt den Jet d'Eau sehen und ein Foto machen, also werden Fotos gemacht. Nun ist es Zeit sich zu verabschieden. Er will zum Bahnhof und dann zurück nach Hause fahren. Wir umarmen uns, er geht seiner Wege und wird immer kleiner. Ich sitze hier nun wieder alleine auf der Bank und lasse alles auf mich wirken. Die Sonne scheint warm vom Himmel. Toll, dass ich hier doch nicht im Regen ankomme. 

In der Ferne kann man den Jet d'Eau sehen und Helmut macht sich auf den Weg zum Bahnhof und wird immer kleiner

Ich entscheide mich mir den Jet genauer anzuschauen und laufe auf die Landzunge an den Bains de Pâquis (See-Schwimmbad) vorbei bis zum Phare de Pâquis, zum Leuchtturm. Riesig isse die Wasserfontäne, 140 m soll sie hoch sein, dahinter sieht man die mondänen Häuser der Stadt, die vielen noblen Hotels, alles schickimicki, aber schön. Die Leute liegen auf den Holzbänken und sonnen sich, zum Baden ist's wohl noch zu kühl oder ist halt nur was für ganz Harte. 

Nach ein paar Knoppers später mache ich mich auf den Weg über die große und total mit Autos vollgestopfte Pont du Mont Blanc, Feierabendverkehr. Nebenher noch lauter schreiende Frauen mit Plakaten. Es ist Frauenstreik in der Schweiz. Im ganzen Land legen Frauen ganz oder teilweise die Arbeit nieder, um für gerechte Löhne, bessere Bedingungen für Familien und ein Ende sexistischer Gewalt zu demonstrieren. Es tobt also der Bär im Kettenhemd, was mich gerade sehr stresst, denn ich bin k.o. und möchte einfach nur ankommen. Mein Kopf fängt wieder an zu schmerzen, nicht gut. Ich dachte noch, was für eine Bambule, das kann ja was werden und ich bleibe morgen noch den ganzen Tag hier. Aber auch das sollte sich später entspannen, klar. Nach einigen Wirrungen, da Google Maps nicht so wollte wie ich, stand ich endlich vor der Eingangstüre des 5-Stöckigen schicken Altbaus. Als die Tür hinter mir zufiel und die Ruhe damit einkehrte beruhigte sich bei mir auch wieder alles. Der Schlüssel ist im Briefkasten, der Besitzer der Wohnung wohnt hier gar nicht und ich bekomme ihn auch nicht zu Gesicht. Wir kommunizieren über die Airbnb-App. Oben angekommen komme ich in ein nettes Zimmer, zwei Betten stehen darinnen, ich kann mir eins aussuchen. Mal sehen wer noch kommt. Es gibt eine kleine Kochnische mit Kaffeemaschine und ein Sessel mit Tisch, schön. Nach der Dusche fühlte ich mich schon besser. Der Zustand war etwas speziell, der Duschvorhang fiel fast ab, die Lampe funktionierte nicht, vom Klo bin ich fast gefallen, da die Klobrille locker war und das schlimmste fand ich waren schwarze Haare auf meinem Laken. Also ich bin ja viel gewohnt, aber das geht gar nicht. Laken abgezogen und ein neues drauf gepackt, mit der Hygiene haben die es hier nicht so, aber es liegt sehr zentral und ist für Genfer Verhältnisse supergünstig. Ich kann mich auch damit arrangieren. 

27 km, das merke ich schon in den Beinen. Meine Blase ist auch wieder da, hat sich aber sehr ruhig verhalten die ganzen Kilometer lang. Ich entspanne mich, esse mein Abendbrot mit leckerem Quöllfrisch und genieße bei offenem Fenster die letzen Sonnenstrahlen. In der Ferne höre ich Musik von der Frauen-Festivität, denn gleich nebenan findet die Party statt. Etwas später kommt das indische Pärchen rein, dessen Koffer hier noch rumstehen. Wir unterhalten uns nett auf englisch. Er macht mir noch Indien schmackhaft, ich sollte doch unbedingt mal vorbeikommen und see you! Okay, schau'n wa ma! Sie müssen jetzt den Flieger nach Paris nehmen. Er gibt mir für übermorgen einen Tipp wie ich mit Bus gut zum Flughafen komme, denn ich werde nun ob der Weite das erste Mal ein Flugzeug nehmen und nicht mehr die Bahn. Den Flug hatte ich ja schon gebucht gehabt, so habe ich es also eingerichtet, dass ich einfach kürzer laufe und eben diesen Flug dann auch wahrnehmen kann. Ich bin ja verspätert losgegangen wiegen meiner Erkrankung. Somit muss Frankreich noch warten, ist dann nächstes Mal dran, so Gott will.

Es kommt dunkel ums Eck und schüttet aus Eimern. Na mal sehen was morgen sein wird, hmm! Es kommt keiner mehr. Ich freue mich schon und lege mich schlafen um später um Mitternacht einen halben Herzinfarkt zu bekommen, als ein junger Typ zur Tür (die lässt sich nicht richtig schließen) reinkommt und auf englisch fragt ob das das Airbnb-Zimmer ist. Ich krieg' ne Krise. Da hätte der Vermieter ja mal was sagen können. Oh je, dann noch ein Typ, ich hatte mit einer Frau gehofft. Hoffentlich schnarcht der nicht. Nun er legte sich sogleich hin und schlief, also keine Aktionen. Außer diesen einen Satz haben wir auch keine weiteren gesprochen, da wir aneinander vorbei lebten. Auch gut. Weiterschlafen!

15.6.19

Ein Tag in Genf

Ich warte noch eine Weile, vielleicht will der Typ auch bald aufstehen, tut er aber nicht. Nun irgendwann stehe ich auf, öffne den Rollladen und mache mir Kaffee. Eine klassische Kaffeemaschine mit Filter und dazu Kaffee, toll. Ich mag diesen Kaffee lieber als den mit den Kapseln, aber die gibt es kaum noch. Nun denn heute gibt es den und ich genieße mein leckeres Gruyère-Frühstück mit gefiltertem Kaffee. Der Typ bewegt sich immer noch nicht. Irgendwann mache ich mich auf den Weg, will in die Kathedrale, Stempel holen und Altstadt anschauen. Somit verlasse ich die Wohnung und sehe den Typen, der wieder nachts irgendwann kam, aber leise war, erst am nächsten Morgen wieder, schlafend, klar. Auch gut.

Die Sonne scheint, es ist angenehm warm, ich freue mich total. Genf mit Sonne, toll. Die Kathedrale ist tatsächlich nicht weit, also die Location der Wohnung ist schon Hammer, muss ich mal sagen. Am Place de Neuve mit seinem schicken Grand Théatre hole Ich mir noch ein Ganztagsticket für alle Busse,  Bahnen (hier nur Straßenbahnen, U-Bahn oder so gibt es nicht) und die kleinen gelben Mouettes (das sind die Schnellbote, die die Ufer miteinander verbinden). Am Eingang des Parks mit der Promenade des Bastions, welcher die Refomationsmauer enthält, die ich mir später anschauen will, steht ein großes Plakat der Frauenbewegung: Bastions de l'égalité, Bastionen der Gleichheit. Aujourd'hui nous ne travaillons pas, Aujourd'hui nous faisons grève! Heute arbeiten wir nicht, heute streiken wir! Richtig so!

Es geht den Berg hoch, kleine Treppchen hier und da und wenig später komme Ich an der St. Pierre an, der Startpunkt, wenn es hier weitergeht nach Frankreich, welches noch 8 km entfernt liegt. Hier bekomme ich meinen Stempel und sehe, dass man die beiden Türme besteigen kann, na das lass ich mir nicht zweimal sagen. So ohne Rucksack ist das doch toll. Oben angekommen habe ich einen herausragenden Blick über die Genfer Bucht, die Berge und hinten über zahlreiche Segelboote, denn um 10 Uhr hat eine Segelregatta den See runter begonnen. Und der Jet d'Eau darf natürlich auch nicht fehlen. Hammer und das bei wunderbarem Sonnenschein. 

Über den Dächern von Genf, hinten die Berge mit einem Wolkenring, toll sieht das aus. Im Kirchenschiff unten treffe ich auf die Pilgerin aus Bossey, die heute nach Frankreich geht. Wir quatschten ein bissel.

Dann noch ein Besuch der schönen und speziellen Makkabäerkapelle, die linksseitig der Kirche mit angedockt ist, dann geht’s weiter. 

Die Kathedrale St. Pierre mit dem tollen Chorgestühl und die angrenzende bunte Makkabäerkapelle, mal was ganz anderes

Die Kathedrale mit ihrem Säuleneingang. Vieles ist hier zusammengemixt worden

Neben der Kathedrale befindet sich das Hôtel de Ville, das Rathaus und passend dazu ist die Straße mit etlichen Fahnen gesäumt: Genf Stadt, Kanton und Schweiz. Ab und zu ist im Fahnengewirr auch die lila Fahne der Frauen zu sehen. Ich lasse mich in den Trubel fallen und genieße es so ohne Rucksack hier so den ganzen Tag in dieser schönen Stadt zu haben. Überall sind Elektroleitungen zu sehen, alles fährt hier mit Strom, die Straßenbahnen, die Busse, ein einziges Leitungsgewirr. Unten komme ich an der Rhône an, am Place de Bel-Air mit dem Tour-de-l'Ile, welcher eigentlich ein übriggebliebener Turm einer Festung ist. Genf wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder von seinen Nachbarn um seine Lage beneidet, wusste sich aber durch seine Hartnäckigkeit zu behaupten. Dieser Ort stellte dank seiner Brücke, die die beiden Ufer miteinander verbindet, über viele Jahre hinweg den einzigen Kontrollpunkt auf der europäischen Nord-Süd-Verbindung dar.

Genfer Fahnen-Ensemble :)

Ich bleibe an den Rhônebrücken. Der Fluss schießt mit einer hohen Geschwindigkeit durch die Stadt, schon toll. Über die Pont des Bergues geht es auf die Île Rousseau mit einem Denkmal des genannten Herrn und hohen Bäumen, auch vielen Schwänen, die hier scheinbar alle beheimatet sind. Ab und an hört man Möwengeschrei und drüben auf der Pont de Mont Blanc tobt schon wieder der Verkehr. Hier ist es schön ruhig, Autos nicht erlaubt. Jean-Jacques Rousseau, dessen Denkmal hier auch steht, war ein Genfer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge, Naturforscher und wichtiger Wegbereiter der Französischen Revolution.

An den Rhône-Brücken inklusive des Denkmals von Jean-Jacques Rousseau

Hier ist ne Menge revolutionäres passiert, auch die kirchliche Revolution fand mit Calvin ja hier ihren Anfang, aber davon sprach ich ja schon. Nach einem kräftigen Schluck kalten Wassers aus den hier überall rumstehenden Brunnen (finde ich ja klasse) stehe ich wenig später an der Haltestelle Molard und warte auf den Mouette, der auch sogleich unter der Pont de Mont Blanc hindurch brettert und gegen den Strom am Kai landet, ich will ein bissel Boot fahren. Rüber nach Pâquis und dann die nächste rüber nach Eaux-Vives, um dann dort auf den Jetée des Eaux-Vives (dem Steg) dem Jet d'Eau ganz nahe zu kommen. Bootfahren macht Spaß und man spürt beim Vorbeifahren am Jet die Gischt, toll.

Der Mouette kommt ums Eck, hat ein bissel Probleme mit der Strömung, weiter geht's unter der Pont de Mont Blanc durch zum Anleger Pâquis

Drüben angekommen gehe ich gleich mit noch einigen anderen, klar Touris gibt’s hier auch, vor allem die Chinesen sind im Kommen, auf den Steg zum Jet. Das Teil hat schon eine enorme Power, toll. Ein Typ geht ganz nah an den Jet ran und ist danach nass, klar. Ich lasse ein Foto von mir machen mit dem Jet. Mensch, sieht aus wie die Vollerleuchtung. Wenn doch mal so viel Erleuchtung aus meinem Hirn kommen würde wie es auf dem Bild aussieht, wär toll. Ich bin während meiner Wanderung schon viel am überlegen wie es weitergeht in meinem Leben, denn die Erkrankung war stressbedingt. Bisher kam jetzt noch keine so große Erleuchtung ums Eck. Nun warten wir ab, was Gott für mich bereithält. Manchmal braucht man ja ein bissel Geduld gell?

Der Jet d'Eau, Wahrzeichen der Stadt und einer der vielen Klavierspieler, der sich am bereitgestellten Klavier übt

Ich verlasse den Jet, setze mich mit einer tierisch teuren Kugel Eis in einen Liegestuhl am See und schaue dem Treiben zu. Es steht hie und da in der Stadt ein Klavier, wo jeder sich ransetzen und spielen kann. Ein Spieler versucht sich mit "Für Elise", eher mäßig gut, aber ich nehme es als Geburtstagsständchen für eine Freundin von mir, die heute Geburtstag hat und nehme ein Video auf. Ich finde das mit den Klavieren toll. So hat man oft einfach immer irgendeine Musik im Hintergrund. 

Ich gehe den See runter, komme an Jardin Anglais an, der so ein bissel Rummelplatz ist mit Buden und einem Riesenrad und aber auch der Horloge fleurie (Blumenuhr), die wirklich ganz schön aussieht. Alles andere ist nicht so meins. Der Verkehr tobt und ich setze mich an die Haltestelle, warte auf den Bus nach Pâquis-Nations, um zum UN-Sitz zu kommen, den ich besuchen möchte. 

Am UN-Sitz mit Broken Chair, Springbrunnen und toll bemalter Mauer

Dort angekommen gibt es einen großen Platz mit vielen Wasserfontänen die abwechselnd aus dem Boden kommen und dem Broken Chair. Er soll an die Opfer von Antipersonen-Minen erinnern und die Staaten dazu bewegen, sich für das Verbot von Streumunition einzusetzen. Um diesen Kampf zu verdeutlichen, steht der Broken Chair auf nur drei Beinen, das vierte ist in der Mitte abgebrochen. Er ist 12 Meter hoch, beeindruckend. Vor dem UN-Gebäude stehen die Fahnen aller Staaten, die darin enthalten sind, das sind 193.

Die wichtigsten Aufgaben der Organisation sind die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit. Aber es stehen da nicht nur die Fahnen und die rigorose Absperrung sondern auch die Chinesen, klar, die stehen überall. Erst ein Foto von ihr in allen Lagen vor dem UN-Schriftzug, dann von ihm, dann noch der Freund dazu, dann irgendwie alle. Die nerven echt, muss ich jetzt mal sagen. Aber irgendwann zogen sie weiter, dann wurde es entspannter. Daneben befindet sich die wild mit Menschen bemalte Mauer. Ich finde das schon alles spannend die Orte zu besuchen, die man immer so im Fernsehen sieht. Hier in Genf sind ja nun Unmengen an Organisationen beheimatet.

Mit der Straßenbahn geht’s zum Hauptbahnhof Cornavain und zur katholischen Kirche Notre Dame. Ich komme rein, es ist still, ganz still. Einige Leute beten an den verschiedenen Altären, viele Kerzen brennen und dann diese wunderbare Ruhe. Ich weiß gleich, das ist der Ort an dem ich meinen Abschluss machen werde, in mich gehen werde, Kerzen anzünden und Revue passieren lasse.

Lange sitze ich dort, Tränen kullern, aber auch Erleichterung, es war doch sehr emotional diesmal. Wie wird es weitergehen? Das steht nun auch noch im Raum, darüber muss ich mir Gedanken machen. Ich gehe raus, die Bambule hat mich wieder, der Verkehr tobt um die Kirche herum. Jetzt erst mal zu Burger King, das mache ich jetzt mal, Pommes, Cola, einfach nur so hocken und Leute beobachten, sehr spannend ob der ganzen Nationalitäten-Vielfalt. Leider sind die Preise auch hier doppelt so teuer wie in Deutschland. Egal!

Straßenbahnfahren ist klasse. Ich fahre nach Hause, brauche Pause, bin k.o. Tolle Stadt, kann ich nicht anders sagen. Also man sollte hier nicht einfach durchrennen, sondern sich auch was anschauen. Die Lage ist auch einfach toll, in die Berge gebettet am Ende des Sees, die Rhône, die hier durchfließt, die tollen mondänen Häuser, klasse.

Nachdem ich wieder hergestellt bin gehe ich nochmal los, will mir die Refomationsmauer anschauen, die ja unweit im Park steht. Dort sind noch einige Feministinnen unterwegs, viele Plakate und Informationen, Stände mit Essen und Trinken und eben die Mauer.

Et si dieu etait une femme? Und wenn Gott eine Frau wäre? Même valeur, même salaire. Gleicher Wert, gleiches Gehalt!

Nebeneinander stehen Guillaume Farel (war ein Reformator in Frankreich und in der französischsprachigen Schweiz sowie Vorgänger und Mitarbeiter Johannes Calvins), Johannes Calvin (war ein Reformator französischer Abstammung und Begründer des Calvinismus), Theodor Beza (war ein Genfer Reformator französischer Herkunft), John Knox. (war ein schottischer Reformator und Mitbegründer der Presbyterianischen Kirchen) Und auf dem Sockel steht die griechische Abkürzung des Namens Jesu (???)

Sie waren teilweise mit lila Tüchern des Feminismus bedeckt und mit Schildern davor, warum keine Frauen hier draufstehen und was wäre, wenn Gott eine Frau wäre? Sehr spannend.

Ich begab mich noch in den Trubel der Innenstadt, die Leute saßen in den Cafés und Restaurants während es sich am Himmel langsam zuzog. Hmm, meine Wetterapp versprach Starkregen und Gewitter. Aber noch schert sich keiner darum. Es wird windig, sie schweizer Fahne am Riesenrad weht wie blöd. Ich mache mich mal doch langsam auf, werde es aber wohl vor dem Regen nicht schaffen, alles zu spannend, schwarzer Himmel, es donnert im Hintergrund und dann…

…ging die Welt unter. Es schepperte, Starkregen, gemischt mit Hagelschauern fielen vom Himmel. Die Leute schrien und rannten schutzsuchend in die Häuser oder stellten sich unter, der Wind peitschte den Regen waagerecht die Straße runter, aus der langsam ein Fluss wurde. Es regnete lange so weiter. Irgendwann fand ich mich in einem Nobelgeschäft mit 7 Handtaschen wieder, wie auch andere, und wartete ab. Die Verkäufer wurden irgendwann nervös oder was auch immer sie dazu bewegte uns alle rauszuscheuchen. Ah ja, zum Einkaufen und Geld ausgeben sind wir gut genug, aber wenn wir Schutz suchen, dürfen wir abhauen. Blödköppe! Ich stellte mich dann nebenan bei Coop City unter, die wurden aber auch irgendwann hektisch und schmissen auch alle Leute raus. Mittlerweile fielen die Elektrofahrzeuge aus, kein Bus, keine Straßenbahn fuhr. Voll das Szenario! Es regnet mittlerweile etwas weniger, somit mache ich mich mit meinem Regencape auf einen Laden zu finden wo ich mir noch was zu essen holen kann, denn der Coop hinter mir entschied den Verkaufstag mit sofortiger Wirkung zu beenden. Nun gut, der Laden bei mir ums Eck hatte auf und somit wurde alles gut. Die Feuerwehrsirenen gingen die ganze Nacht und morgens hatte ich eine Whats app meiner Mutter, ob es mir gut ginge, da wohl eine deutsche Urlauberin auf dem See mit Boot gekentert und gestorben ist. Shittenkram. Ja das mit den Unwettern ist so eine Sache. Ich verbrachte mein letztes schweizer Abendbrot mit allen Klassikern und packte meine Sachen. Mein Flug geht morgen um 13 Uhr, das ist schön entspannt. Es ist ruhig, keiner der anderen (es gibt noch ein Nebenzimmer) ist da und mein Zimmerkumpan kam, wie gesagt, erst wieder sehr spät. Zum Glück schnarcht er nicht :-)

 

16.6.19

Genf nach Lüneburg

Ich habe gut geschlafen und werde von der Whats app geweckt. Nach meinem Frühstück, mein Zimmerkumpan schläft noch, geht’s mit Sack und Pack los. Die Wanderstöcke passen gut in den Rucksack, somit dürfte beim Transport mit dem Flugzeug nichts schief gehen. Ich gehe runter an die Rhône. Die Sonne scheint, im Hintergrund ist der Jet d'Eau wieder in vollem Gange. Er wird tatsächlich abgestellt, wenn es zu windig ist, was ja zweimal nachmittags passierte. Noch die ein oder andere Feuerwehrsirene ist zu hören. Das Wasser ist soweit wieder abgelaufen und die Busse und Bahnen fahren wieder. Ich gehe auf eine kleine Insel und stehe da an der reißenden Rhône, erinnere mich an den Stein, den mir meine Heilerin gegeben hatte, als ich so krank war. Ich trage ihn die ganze Zeit bei mir. Nun lege ich gedanklich meine Krankheit da rauf, alles was mich belastet, spreche ein Gebet und werfe ihn im hohen Bogen in die Rhône. Er verschwindet in den Strudeln des Wassers. Vielleicht, vielleicht kommt er eines Tages im Meer an. Wer weiß das schon?

Erleichterten Herzens mache ich mich auf den Weg zur Bel-Air-Bushaltestelle, wo gleich darauf mein Bus zum Flughafen fährt. Ein Klavier steht nebenan, der Spieler versucht sich mit einem Lied vom Ludovico Einaudi, ich bin zutiefst bewegt, denn ich liebe seine Musik sehr. Der Bus bringt mich direkt zum Airport, der doch größer ist als ich dachte und mit nettem Juragebirgen-Ambiente im Hintergrund, die Berge sind in eine Wolkendecke eingehüllt. 

Warten an der Haltestelle Bel-Air mit viel Kabel  und Fahnen

Das Einchecken geht superschnell, alles akkurat und durchorganisiert. Nun shoppe ich noch für meine Lieben daheim ein bissel schweizer Schokolade, einen guten Weißwein aus der Genfer See Region und lauter so nette Sachen. 

Etwas verspätet fliegen wir ab, als mir auffiel, dass ich genau auf der richtigen Seite sitze und oh….

Der Mont Blanc überragt die Wolken und das Ende des Genfer Sees mit der Einmündung der Rhône wird sichtbar

…da isser wieder: der Mont Blanc und die gesamte Alpenkette mit See von oben, was für ein Oberhammer aller Oberhämmer! Die Wolken hängen tief und die schneebedeckten Spitzen der Berge schauen oben raus. Toll ist das und ganz nah. Am Ende des Sees sieht man die Rhône in den See fließen. Wenig später verschwindet die Alpenkette und macht flacherem Land Platz. Es gibt lecker Kaffee mit Brownie, muss man zwar extra zahlen, aber das gönne ich mir nun. Der Flug dauert nicht lange, 1:45 Stunden und wir kommen in Hamburg an. Nun ist meine Pilgertour also beendet. War ja doch etwas kürzer, aber sehr schön und spannend. So werde ich dann also das nächste Mal wieder in Genf landen und dann direkt nach Frankreich gehen, da freue ich mich schon und könnte eigentlich gleich wieder umkehren, wenngleich meine Blase am kleinen Zeh immer noch nervt, blödes Teil. 

In Hamburg läuft es weniger geordnet ab. Der Unterschied zu Genf ist schon enorm finde ich. Bis man erst mal an seinem Gepäckband ist, läuft man durch Menschenmengen, die einem entgegenkommen und zu ihren Flugzeugen wollen, welche die shoppen und alles läuft durcheinander. Nun denn, man staunt nur noch. Mit der S-Bahn dauert es auch lange zum Hauptbahnhof, der dermaßen überfüllt ist, dass man kaum auf den Bahnsteig passt. Alles in allem bin ich gut in Lüneburg angekommen, meine Mutter holte mich ab, wir gingen was essen und nun sitze ich wieder hier in meiner Wohnung. Hatte ein wenig Bammel, da die Zeit meiner Krankheit hier nicht schön war, Erinnerungen kamen hoch. Ich habe alles verändert, was mich noch daran erinnerte und dann war alles gut. Vor meinem Fenster blüht ein Kartoffelfeld in zartrosa, im Hintergrund läuten die Glocken der hiesigen Kirche und der Kuckuck ruft und zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Auch der Ruf der Türkentaube ist zu hören, die habe ich hier noch nie gehört, schön ist das!

Im Leben kommt es doch oft anders als man denkt. Es plätschert so vor sich hin und dann kann plötzlich ein Hammer ums Eck kommen. Aber es kann auch immer wieder eine Chance sein, eine Chance abzuzweigen, von der Bank, auf der man lange saß aufzustehen, einen anderen Weg einzuschlagen. Wie auch immer. Gottes Wege sind mitunter unergründlich oder ergründen sich im Verlauf erst später.

So Gott will, werde ich meinen Weg fortsetzen, meinen Pilgerweg durch Frankreich, aber auch meinen Pilgerweg durch mein Leben. In diesem Sinne, buen camino!