Biberach an der Riß nach Interlaken 3

 

Brunnen nach Buochs

17 km

11.6.18

Nach dem gemeinsamen Frühstück mit der Schwester, die mich hier aufgenommen hatte, geht es früh los, runter zur Bushaltestelle und zum Bootsanleger. Ruhig ist es in Brunnen geworden. Es ist Montag, Velotag ist vorbei, alles abgebaut, kaum einer auf den Straßen. Ich stehe am Anleger und warte auf das Schiff. Die Wasseroberfläche des Sees ist ganz glatt geworden und hat eine spezielle Farbe bekommen, irgendwie noch türkiser. Toll sieht das aus. Die Überfahrt ist kurz, dauert nur 10 Minuten, Brunnen adé. Die Mythen steigen imposant hinter der Stadt auf und entfernen sich langsam.

Überfahrt morgens um 8 Uhr nach Treib. Zurückblickend sieht man den großen und kleinen Mythen ganz toll im Gegenlicht.

Tolle Farben hat der See. An der anderen Seite steht das Haus an der Treib. Hier hielt damals der Rat der Urkantone oft Versammlungen ab.

Nun bin ich in Treib wieder in einem neuen Kanton angekommen: Uri, der Kreuzworträtsel-Kanton, der immer nachgefragt wird, einer der Urkantone. Im Wappen des Kantons wird der schwarze Kopf eines Auerochsen dargestellt, er wird als Uristier bezeichnet. Es gibt eine Zahnradbahn, die man den Berg hoch nehmen kann, die ich aber getrost stehen lasse. Mein Wanderführer sagt, dass man für den Weg schwindelfrei und trittsicher sein sollte, das hört sich ja spannend an.

Aus Treib raus geht es eine kleine Straße und wenig später einen schönen Wanderweg mit Aussicht entlang

Ich werde ihn zu Fuß gehen und mache mich an den Aufstieg, die Wiese hoch, am Kamm entlang immer mit Blick auf den See und die Berge dahinter. Es ist ruhig, keine Menschenseele, wieder nur schön nach dem ganzen Trubel gestern, den ich aber auch genossen habe. Unten fährt das erste Schiff nach Luzern. Es ist einfach nur unglaublich schön. Der Weg wird steiler und schmaler und windet sich am steilen Felsen und den Abgrund zur rechten Seite entlang. Ich sollte später in meinem Bericht an den Wanderführer schreiben (das mache ich immer. Da geht es um Änderungen, Unterkünfte die gut sind oder die es nicht mehr gibt, Wegweiser-Probleme u.ä.), dass der Weg zwar anstrengend ist, er sich aber allemal lohnt und es schade wäre, wenn man ihn auslassen würde und die Zahnradbahn nimmt. Ziemlich weit oben angekommen ist Zeit zum pieschern. Das mache ich mit der tollen Aussicht auf den See und direkt am Abgrund, das ist doch mal was: Erlebnispieschern! Ich liebe solche Abgründe.

Tolle steile, schmale Wege

Weiter geht's, leider zieht es sich nun etwas zu. Ich komme unter dichter Bewölkung im neuen Kanton Nidwalden an. Emmetten liegt auf einer Höhe von 760 m. Kurz davor überquere ich die A2, wovon ich allerdings nichts merke, denn sie geht unterirdisch, nicht auszudenken, wenn sie überirdisch hier durch die Berge brettern würde. Schön ist das. Ich mache Pause auf der Stufe der hiesigen Kirche, es fängt leicht an zu pieseln, Bäh Regen, hatte ich lange nicht mehr. Okay leichte Regenkluft anziehen, es hört auch gleich wieder auf. Es ist etwas frischer geworden. In Emmetten gibt es einige Gondeln, die hoch auf den Niederbauen fahren, heute ist nicht viel los. Hat keiner Lust zu, die Sicht ist sicher auch bescheiden.

Es geht eine steile Treppe runter, unter der Autobahn durch und an den See

Weiter geht's den Berg wieder runter, es fängt stärker an zu regnen und ich mache unter Buchen halt. Wir wissen ja, Buchen musst du suchen, jedenfalls wenn es um Regen geht, denn deren Blätterdach hält dicht. Steil geht es teilweise in Treppen und unter der nun wieder hervorkommenden Autobahn runter an den See. Ich sage nur: Dualitäten. Aber es ist erstaunlich wenig los auf der Autobahn Deutschland-Beckenried-Italien, wie es so schön heißt. Es geht den See runter nach Beckenried rein, als es in Strömen anfing zu gießen, der See hat seine schöne Farbe verloren und ist gräulich. Schnell gehe ich in hiesiges Café gegenüber dem Fähranleger, wo gerade wieder ein Schiff abfährt.

Im trüben Wetter kommt Beckenried in Sicht und ein ziemlich leeres Schiff fährt nach Luzern, nix los hier

Einen Kaffee gönne ich mir mal und warte ab, überlege wie es weitergeht. Ich habe so gar keine Lust auf Regen und fühle mich auch sehr demotiviert und müde, so entscheide ich mich die letzten fünf Kilometer nach Buochs mit dem Bus zu fahren. Das ist wirklich toll in der Schweiz, das Bus-und Bahnnetz ist herausragend, und so hat man die Möglichkeit eines von beiden fast immer zu nehmen. Die Bahn, habe ich mir sagen lassen, ist sehr teuer, aber topp. Nun sie haben es auch nicht leicht hier in der Schweiz, oft müssen Zahnräder zum Einsatz kommen und es geht über die Berge, bzw. durch sie hindurch. Schon speziell. Ich komme in Buochs an, es hat aufgehört zu regnen. Zeit für Bank, Einkäufe und solche Sachen. Meine Gummteile der Wanderstöcke sind abgelaufen, ich brauche neue, na ums Essen für den Abend und den nächsten Morgen muss ich mich auch noch kümmern.

Gegen Abend ist der Spuk vorbei und es ist unheimlich schön am See

Heute komme ich in der evangelischen Gemeinde an der Engelsberger Aa (ein Fluss) unter. Das nette Pfarrerspaar empfing mich, zeigte mir die Dusche (damit habe ich gar nicht gerechnet) und wir reden übers Pilgern, denn er war auch schon mal in Santiago. Schön. Ich brauche heute auch keine Isomatte, denn sie haben mir eine Liege besorgt, die wir in den großen Gemeinderaum packten. Ich bin total gerührt. Auch hat Frau Brauchart noch Spagetti übrig, dann gibt's sogar was warmes heute. Toll. Ich bin total erschossen, warum auch immer und setze mich abends an den schönen See (die Sonne ist wieder voll rausgekommen und alles sieht wieder schön aus, der See leuchtet wieder in seiner schönen Farbe) und schaue den Leuten zu, wie sie im See schwimmen. Neben mir fließt die Engelsberger Aa mit viel Getöse und viel grauem Schlamm (das habe ich mal beim Rhein und Bodensee gesehen, das sieht immer so hellgrau aus) in den See. Schön ist es hier. Als es kühler wurde mache ich mich auf den Heimweg, gleich ums Eck und verbringe auf der tollen Liege meine Nacht. Eine Überlegung ist morgen mit dem Bus nach Stans zu fahren, da ich mich sehr schlapp fühle und der Weg weit und bergig ist, aber es kam dann doch ganz anders, denn...

Buochs nach Flüeli Ranft

25 km

12.6.18

...ich bin topfit. Erstaunlich, hätte ich nicht gedacht. Früh um 7 Uhr springe ich aus dem Bett, mache mir einen Kaffee, schultere meinen Rucksack, schreibe noch ein paar Zeilen an die Beiden und mache mich auf den Weg. Es ist bedeckt, aber nicht kalt. Nach Unterquerung der Autobahn geht es den Berg hoch. An einer kleinen Kapelle setze ich mich auf die Bank und frühstücke. Das mache ich manchmal, wenn ich früh losgehe, dann frühstücke ich später. Weiter geht's mit Blick auf tolle Alpen und viel Kuhgebimmel, wieder über die Aa, durch Oberdorf nach Stans.

In hiesiger Kirche hole ich mir einen Stempel, mehr mache ich nicht, denn es ist eine Trauerfeier im Gange, da will ich nicht stören. Wenig später beginnt der Bruder Klausen Themenweg nach Flüeli Ranft. Ich freue mich total und lasse mich auf den spirituellen Weg ein. Bruder Klaus (oder Niklaus von Flüe) ist ebenfalls ein Heiliger hier in der Schweiz. Zur Geschichte: Er lebte bis zum 50sten Lebensjahr ein bürgerliches Leben (1417-1487), zog dann als Pilger durch die Lande und lies sich als Einsiedler im Ranft nieder. Viele suchten ihn um Rat. Er leistete einen wichtigen Beitrag zur Festigung des Bundes der Eidgenossen, der in einem Bürgerkrieg auseinander zu brechen drohte. Er gilt als Schutzpatron der Schweiz und wird auch Retter der Schweiz genannt. Für mich selbst hat er eine wichtige Bedeutung, da ich ihn durch sein wundervolles Gebet kennen lernte. Als ich erfuhr, dass er hier lebte und ich die Stätten besuchen würde, freute ich mich sehr. Hier nun sein Gebet:

 

 Mein Herr und mein Gott 

Nimm alles mir, 

was mich hindert zu dir. 

Mein Herr und mein Gott 

Gib alles mir, 

was mich fördert zu dir. 

Mein Herr und mein Gott 

Nimm mich mir 

und gib mich ganz zu eigen dir.

 

Eine Bruder Klaus-Stehle zeigt mir den Start des Themenweges. "Lass dich nicht vom Weg abbringen, glaube an deinen Weg", steht da geschrieben. Ja, das will ich tun. 

Weiter geht es an einer Kuriosität vorbei, ein Ortsschild von Nemitz, Gemeinde Lüchow-Dannenberg. Oh, habe ich mich verlaufen? Das ist ja gleich ums Eck bei mir, cool. Da ist wohl einer umgezogen vom hohen Norden in den Süden und hat das Ortsschild mitgehen lassen :-)

Weiter geht's über eine Wiese, die Wolken quellen über den Berg rüber und es fängt an zu pieseln, als ich in den Wald eintrat. Mitten im Wald ein Themenpunkt mit zwei Stühlen und einer Sanduhr. "Halte ein und gehe in dich, genieße die Stille", mache ich, drehe die Sanduhr um und setze mich hin. Toll dieser Weg. Leider hält auch die dichteste Buche irgendwann nicht mehr dicht und so ist es Zeit für das Gangkörperkondom.

Zeit zum In sich gehen mit Sanduhr auf dem Bruder Klausen Themenweg

Ich gehe weiter, komme an der ein oder anderen Kapelle vorbei, immer westlich des Stanser Horns, welches ich aber durch die Quellwolken nicht wirklich sehen kann. Plötzlich steht da ein "Pilgerstibli". Das finde ich ja toll, eine Hütte für Pilger zur Rast mit Tischen und Stühlen und auch Getränken, Schokolädchen und ähnliches zum mitnehmen. Ich setze mich draußen auf die Bank und mache Pause. Der Regen hat aufgehört, es ist angenehm warm. Und was kommt da ums Eck? Ein Pilger! Ich glaube es kaum. Ich dachte ich würde gar keinen Pilger mehr treffen. Wolfgang kommt auf mich zu, holt sich ein Getränk und wir sitzen zusammen und reden. Das finde ich großartig. Wir brechen dann auch gemeinsam auf und gehen ein Stück gemeinsam, überqueren die Grenze zum nächsten Kanton: Obwalden.

Kleiner Gradwanderweg, links befindet sich Kerns

Wir verabschieden uns dann in St. Niklausen, da ich hier im Kloster unterkommen werde. Ich sitze da auf der Bank vor dem Kloster, bin immer noch topfit und weiß, dass morgen ein doofer Regentag auf mich wartet. Kurzer Hand sage ich meine Unterkunft hier ab, was auch kein Problem darstellt und melde mich in Flüeli in der Jugendunterkunft St. Klaus an. Ich gehe weiter und treffe tatsächlich wieder auf Wolfgang in der St Niklausen Kapelle, eine der ältesten Kirchen der Zentralschweiz, die tolle Decken-und Wandbemalungen aus dem 14. Jahrhundert beinhaltet und ansonsten nett schlicht gehalten ist.

Die St. Niklausen Kapelle mit ihren tollen Wandmalereien

Wir beschlossen gemeinsam weiter zu gehen. Er wollte noch weiter als Flüeli gehen, aber auch das änderte sich später. Es ging einen schönen schmalen Weg, leider im Pieselregen, die Ranft (Schlucht) runter (Melchaa-Schlucht). Aa ist der schweizerdeutsche Name für Ache, ein nicht schiffbares größeres Fließgewässer. Die Melchaa ist aber auch nicht mal 20 km lang und fließt wild und laut rauschend später in den Sarner See bei Sachseln. Die Treppen sind feucht und leicht glitschig, besser heute hier langgehen, als morgen bei strömenden Regen.

Die Brücke über die Melchaa und ein paar schöne Zensteine am Flussufer

"Ort der Stille" steht am Brückengeländer, schön! Bruder Klaus hat hier am Fluss als Einsiedler gelebt. Es gibt zwei Kapellen, die untere und die obere Ranftkapelle. Hier ist auch ein Ort wo viele Menschen, sicher Schweizer, hin pilgern. Heute bei dem Wetter war Gott sei Dank nicht viel los, Die Klause von Niklaus von Flüe ist mit vielen Danksagungen der Menschen gespickt. Es gibt einen schönen Stempel und geht zur nächsten Kapelle, beide schlicht mit viel Holz gestaltet. Davor gibt es ein Glashäuschen, in dem viele Kerzen brennen, es waren wohl doch schon einige Menschen heute hier gewesen.

Untere und obere Ranftkapelle

Untere Ranftkapelle und die vielen Danksagungen an Bruder Klausen

Obere Ranftkapelle mit den vielen angezündeten Kerzen. Niklaus von Flüe gilt auch als Retter der Heimat, der Schweiz

"Komm und folge mir nach", sagt ein weiteres Schild. Ein schöner spiritueller Weg. Als wir uns an den Aufstieg aus der Ranft machten fing es an heftiger zu regnen. Im strömenden Regen kommen wir oben in Flüeli an. Ob der Verhältnisse entscheidet sich Wolfgang mit mir mitzukommen in die Jugendunterkunft. Triefend stehen wir im Vorraum, wenig später kommt die Gastgeberin. Wir sind die einzigen und richten uns jeder in einem Zimmer ein. Es gibt für jeden ein eigenes Bad und eine gemeinsame Küche, das finde ich ja mal toll. So saßen wir abends zusammen und kochten uns was aus noch im Schrank vorhanden Spagetti und laberten. Das war toll. Ein schöner gemeinsamer Abend. Tatsächlich kamen noch spät um 20 Uhr eine Horde Amerikaner triefend nass vorbei, die dann aber nebenan unterkamen und die wir kaum mitbekamen. Die waren wohl etwas länger unterwegs gewesen.

Es geht doch nichts über Stille :-)            

Mensch war ich heute kernig. Oft habe ich Zweifel, ob ich das schaffen könnte, viele Kilometer, Berge und so weiter. Heute zeigt es mir wieder, es geht. Ich werde ja auch mit der Weile fitter und so änderte sich auch später einiges an meiner Tour, aber das ist eine andere Geschichte. Heute 25 km, das ist schon toll. Und ich fühle mich gut. 

Leider ging es mir die Nacht überhaupt nicht gut, ich weiß auch nicht warum. Ich hatte schlimmste Bauchkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen und war völlig fertig. Ich dachte schon ich hätte mir vielleicht eine Blinddarmentzündung zugelegt, weiß man ja nicht, und sah schon meine Tour flöten gehen, aber so war es scheinbar nicht. Ich weiß letztendlich nicht was es war, Wolfgang hatte nichts, kann also auch nicht am Essen gelegen haben. Nun denn...

Flüeli nach Kaiserstuhl-Bürglen

15 km

13.6.18

Total gerädert wachte ich auf. Wolfgang und ich verabschiedeten sich voneinander, ich brauchte noch Zeit mich zu erholen und ging wesentlich später los. Ich hatte ja heute Gott sei Dank keinen so langen Weg. Wir sahen uns nicht wieder. Ob er es bis Genf geschafft hat? Gegen 10 Uhr brach ich im Ganzkörperkondom auf, es pieselte leicht und ist kühl geworden. Es ging ziemlich steil den Berg runter nach Sachseln am Sarner See und direkt in die Wallfahrtskirche St. Theodor. Meine Beine waren wackelig, ich hatte Kopfschmerzen, hatte auch nicht gegessen und getrunken, da ich vor der Übelkeit Angst hatte.

Die Kirche ist schon beeindruckend, mal ganz anders und ganz auf Niklaus von Flüe ausgerichtet

Wanderwegsschild Kanton Obwalden

Seit 1679 ruhen hier im Altar (oder darunter) die sterblichen Überreste von Bruder Klaus. Auch ist seine Kutte an der Wand ausgestellt und eine Gedenkstatue steht vor der Kirche. Die Kirche ist spannend in schwarz-weiß gehalten und mit Barockelementen, hab ich so auch noch nicht gesehen. Ich ruhe mich aus, bin schlapp. Ich überlege den Zug zu nehmen, da ich echt im Eimer bin. Stehe kurze Zeit später am Bahnhof, der soll erst in einer Stunde kommen, habe ihn gerade verpasst. So machte ich mich also auf den Weg den See runter, den langen Weg Richtung Giswil wo ich mich dann auch noch etwas verlaufen habe. Völlig genervt und mit dicken Kopfschmerzen kam ich im Pieselregen an einem Hotel an, welches einen Garten hatte mit einem Zeltdach, darunter Sofas. Ich packte mich einfach darauf und versuchte was zu essen und zu trinken, inklusive Kopfschmerztabletten. Ich hoffte, dass mein Magen das gut annehmen würde. Ein kühler Wind wehte ums Eck, es war feucht und kalt. Es half alles nichts, weitergehen, sonst friere ich mir noch einen ab.

Toller Wegweiser kurz vorm Kaiserstuhl und tiefhängende Wallewolken

Müde stapfte ich den Wiesenweg lang, als eine Kutsche mit Engländern neben mir hielt. Man fragte mich ob ich pilgern würde und wir kamen ins Gespräch. Dieses Gespräch hat mich enorm motiviert und mein Gemüt erheitert (sicher auch die nun wirkende Kopfschmerztablette und mein gut mitmachender Magen). So ging ich frohgemut dem nächsten Aufstieg zum Kaiserstuhl entgegen. Mit dem Aufstieg wurde mir auch wieder warm. Es ging in Serpentinen durch den Wald, die Wolken hingen tief, aber es hat aufgehört zu regnen.

Relativ fit ging es den Berg hoch, an der Strecke Luzern-Interlaken vorbei bis zum Lungerner See

Über die Gleise rüber, der Luzern-Interlaken Express fuhr hier mit Zahnradbetrieb an mir vorbei, schon erstaunlich, finde ich. Nun denn, ganz ohne Zug heute, kam ich oben am Lungerner See an, welcher trotz des doofes Wetters ein tolle Türkisfarbe hatte, Hammer. Rechts ging ich den See runter an der kleinen Kapelle von Bürglen vorbei und kam am Bauernhof Ennetmatt an.

Tolle Seefarbe und die kleine Kapelle von Bürglen

Ich hoffte jetzt nicht im Stroh schlafen zu müssen, erinnerte mich aber, dass ich doch ein Bett gebucht habe, welch ein Segen. Strohschlafen gibt es wohl hier auch nicht mehr. Ich nahm eine tolle heiße Dusche, es gab sogar einen Föhn und einen Wasserkocher für heißen Tee, habe ja immer was dabei. Ich wickelte mich in viele warme Denken und legte mich kurzerhand schlafen, war echt am Ende nach dieser Nacht und allem. Das tat gut. Als ich aufwachte ging es mir gut, ich hörte Musik und war einfach nur da. Wenig später kam die Gastgeberin, Frau Halter, und wir redeten noch eine Weile. Sie meinte, das das Wetter morgen wieder gut wird. Ein Blick nach draußen ließ mich zweifeln, aber sie sollte recht behalten, schön.

Kaiserstuhl-Bürglen nach Brienz

22 km

14.6.18

Fit und munter bin ich aus dem Bett gesprungen. Die Quälerei hatte ein Ende und meinem Magen ging es wieder gut, schön. Draußen lichteten sich langsam die Wolken, das erfreut das Pilgerherz. Nach einem schönen Frühstück machte ich mich auf den Weg den Lungerner See mit seiner tollen Farbe zu umrunden. Ich kam an einen Wasserfall vorbei, dessen Lauf ich überqueren musste. Da lag ein Stein, ein kleiner, der mich ansprach. Oh, den nehme ich mit. Ein Stein zum Lasten raufpacken, Sorgen, Ängste und alles was einem im Leben begleitet. Den wollte ich dann wieder irgendwo ablegen und alles hier lassen, bevor ich heim fahre. So wie ich es auf meiner Tour von Fulda nach Böbingen einst machte.

Lungern am Lungerner See

Der See strahlte jetzt im Sonnenlicht noch türkiser als gestern. Die Herz-Jesu-Pfarrkirche steht in Lungern auf einer Anhöhe und ist von weitem zu sehen. Sie ist der berühmten Mutter-Gottes-Basilika von Lourdes nachempfunden und wurde 1893 gebaut, da die vorherige nach einer Überschwemmung mit Geröll und Steinen bedeckt wurde. Sie ist schlicht im gotischen Stil gehalten. 

Herz-Jesu-Pfarrkirche Lungern

Die Sonne kam nun so richtig raus und krachte vom Himmel, das hätte ich ja echt nicht gedacht, toll ist das. Ich machte mich auf zu meinem letzten Pass, den Brüningpass (1007 m, kein Problem). Es ging teilweise in Serpentinen den Berg hoch, immer mit einem tollen Blick runter zum See. Teilweise wurde der Weg sehr speziell, da mit großen Steinen belegt. Aber wer Wanderstöcke hat, der bleibt in Balance.

Toller Blick von oben auf Lungern und den in Bergen eingebetteten See und später den steinigen Weg entlang

Ich passiere wieder die Schiene des Luzern-Interlaken-Express und lande dann an der Passstraße auf dem Brüningpass und in einem neuen und meinem letzten Kanton: Bern.

Hinten kann man schon die Alpen des Berner Oberlandes erkennen und es geht über die Schiene inkl. Zahnradschiene in der Mitte

Die Alpen des Berner Oberlandes im Hintergrund, nach unten der Blick ins Tal und auf Meiringen an der Aare, die später dann auch durch Interlaken fließt und tatsächlich mal länger ist, nämlich 288 km und der wasserreichste Nebenfluss des Rheins darstellt, schön ist es hier. Ich gehe auf einem oberhalb der Straße liegenden schmalen Wanderweg entlang, welcher später in den Wald hinein führt. 

Mein letzter Pass für dieses Jahr: der Brüningpass und der schmale Weg oberhalb der Passstraße

Überall wehen die Schweizer Fahnen. Vielleicht machen die das immer so oder es liegt an der Fußballweltmeisterschaft, die Schweizer sind mit dabei. Leider nicht lange. Naja Deutschland auch nicht wirklich :-) 

Blick nach unten, nach Meiringen und die schweizer Fahne weht mal wieder

Durch wunderbar blühende Wiesen mit Natternkopf, Kuckucks-Lichtnelke, Königskerze und Bartnelke geht es in einen verwunschenen mit viel Moos bewachsenen Wald auf schmalem Wege weiter. Toll ist es hier.

Natternkopf, Kuckucks-Lichtnelke, Königskerze, Bartnelke

Blühende Landschaften

Aha, wir befinden uns nun im Kanton: Berner Oberland und es geht einen tollen Weg in den Wald hinein

Und was seh' ich da? Eine schweizer Pilgerin, die sich mit einem dicken Rucksack und ohne Wanderstöcke wenig später mühsam den schmalen und vom vorherigen Regen rutschigen Weg runter hangelte. Ich sah mich schon erste Hilfe leisten, aber sie packte es. Wir redeten ein wenig miteinander, sie kommt aus Zürich und wollte mal ein wenig allein pilgern, hat das noch nie gemacht. Nun denn, wir sahen uns auch nicht wieder und ich hoffe sie hatte eine schöne Tour.

Es ging aus dem Wald raus mit einem tollen Ausblick auf die Berge, ganz hinten dem Brienzer See und davor Brienzwiler, wo ich heute eigentlich in der Pilgerherberge unterkommen wollte. Aber auch hier entschied ich mich anders, ich wollte weiter laufen nach Brienz, wo ich mir schon die Jugendherberge am See ausgesucht hatte. Das Wetter sollte toll bleiben und so wollte ich einen Tag früher in Interlaken einreiten, um dann noch die Hochalpen besuchen zu können, wenn ich schon mal hier bin.

Der schöne Ort Brienzwiler mit seinen typischen schweizer Holzhäusern und schon mal die erste Sicht auf den Brienzer See

Der Weg

Da meine körperliche Kondition immer besser wurde war das auch ohne Probleme möglich, was ich mir zuvor überhaupt nicht vorstellen konnte. Ich sagte also die Pilgerherberge in Brienzwiler ab und machte mich auf den Abstieg in den Ort, der mit seinen ganzen in der schweizer Bergwelt typischen Holzhäusern einfach nur schön aussah. Vor Brienz machte ich noch eine ausgiebige Pause auf der Wiese und begab mich dann runter zum See, der schon von weitem in einem herrlichen Blau leuchtete. Ich bezog ein 6-Bett-Zimmer und sollte tatsächlich mal oben schlafen, denn unten war belegt und gegenüber waren die Betten zusammengestellt, das war mir zu dicht. Wir sollten aber nur drei Leute werden, eine Pilgerin und eine Schnitzerin, die hier einen Kurs belegte, denn wir befinden uns in der Schnitzergegend, wovon auch viele Holzskulpturen am See zeugten. Es waren einige Jugendliche hier und eine Dusche zu bekommen war nicht einfach. Das nervte etwas, ging dann aber. Die Herberge ist etwas abseits des Hauptortes und so ging ich noch den See runter mir den Ort anschauen. Der See liegt wunderbar in steile Alpen zu beiden Seiten gebettet, die eine Höhe von ca 1800 m aufwiesen. Das Wasser ist auch hier glasklar und es sieht einfach nur himmlisch aus.

Brienz selber hat leider ein großes Problem mit Überflutungen, so nah am Wasser. 2005 zerstörte ein Hochwasser viele Häuser. Heute ist davon nichts zu sehen, die Sonne lacht und ich packe mich auf einen der Liegestühle (natürlich aus Holz) und ruhe mich ein wenig aus, sonne mich. Schön.

See-Ambiente mit Kunst und Boot

Der Berner Bär ist auf den Wanderweg-Schildern zu sehen, das Wappentier Berns und des Berner Oberlandes. Ich kann mich erinnern, das wir mal in Bern waren, als ich noch Kind war. Da gab es den Bärengraben. Tief unten hockten die Bären und alles schaute auf sie. Ich fand das damals schon schlimm. Später erzählte mir eine Bernerin im Zug, dass es den Gott sei Dank nicht mehr gäbe. Die Bären befinden sich jetzt in einen großen Bärengehege. Ich fand das auch immer Tierquälerei, war es auch. Nun denn.

Der Wanderwegweiser mit dem Berner Wappen, die Seepromenade von Brienz und einfach mal dösen im Holz-Liegestuhl am See

Ein Pilger wandert am See entlang, natürlich aus Holz geschnitzt, 

das glasklare Wasser des Sees

und die Albert Streich, 

ein Schnitzer in Brienz geboren, 

gewidmete Statue eines jungen Mädchens

Abends sitze ich am See und esse mein obligatorisches Abendbrot. Das ist doch mal ein toller Abendbrotplatz. Lecker Brot, Käse und Quöllfrisch. Ich warte auf den Sonnenuntergang und whatsappe mit einem Freund. Es ist einfach unglaublich schön hier. Die Herberge selbst ist relativ voll, aber wir drei haben es uns gemütlich gemacht und noch eine Weile gelabert. Die Pilgerin fängt hier an und möchte morgen aber den Zug nach Interlaken nehmen, da sich auf dem Weg dahin eine Hängebrücke befindet und sie Höhenangst hat. Hmm, nicht leicht in der Schweiz mit Höhenangst. Ich meinte noch, dass es auch auf der anderen Seite eine Wegvariante gibt (hier kann man sich entscheiden links oder rechts lang zu gehen, ich entschied mich für rechts), aber sie wollte den Zug. Nun denn. Schade, denn da verpasst sie einiges schönes. Wir gingen gemeinsam schlafen und standen auch gemeinsam auf, das war wunderbar.

Abendstimmung beim Abendbrotessen am Strand vor der Herberge

Brienz nach Interlaken

23 km

15.6.18

Ich sitze beim Frühstück mit der Pilgerin und beneide sie schon ein wenig. Heute ist mein letzter Pilgertag, ich werde es wohl tatsächlich bis Interlaken schaffen. Hatte ja mitunter Zweifel ob der Knieprobleme, die gar nicht mehr vorhanden sind oder meiner Kotz-Brech-Krampf-Attacke in der Nacht in Flüeli. Ich könnte auch wieder weiterwandern, wenngleich mir die französische Schweiz, die ja dann auch alsbald kommt schon ein wenig unheimlich ist. Ja da kann man sich wieder Sorgen machen, aber das ist eine andere Geschichte, die soll ein anders Mal erzählt werden :)

Ich schulterte meinen Rucksack, holte mir einen tollen Stempel in der Herberge und ging den See wieder runter in den Ort und dann den Berg hoch, immer mit der tollen See-und Bergaussicht. 

Es geht einen Höhenweg lang mit toller Aussicht

Irgendwie hatte ich gedacht würde der Weg ziemlich eben verlaufen, da täuschte ich mich aber gewaltig, es wurde sehr bergig und mitunter anstrengend. Der ein oder andere Bach kreuzte den Weg und kurze Zeit später besagte ein Schild mit stolperndem Radfahrer und mit dem Hinweis: "Velo stoßen", dass wir an die Hängebrücke kommen. Velo stoßen? Nun ist auch eine Möglichkeit, einfach weg damit :-) Da stand ich nun an der Brücke, die eine tiefe Schlucht überspannte. Sie wird wohl in den Wintermonaten abgebaut, zu gefährlich, jetzt ist sie da und ist einfach Hammer. Ich gehe über die Brücke, sie quietschte enorm, was unten im Tal ein lautes Echo von sich gab. Der Blick ist toll, ob nun auf See und Berge oder durch den gelöcherten Boden hindurch in den Abgrund. Okay, mit Höhenangst würde ich hier auch nicht unbedingt rüber gehen wollen. Ich find's großartig. Das Velo würde ich da auch lieber stoßen :-)

Durchgeschwitzt ob der doch krassen Aufstiege komme ich wenig später (nach einen krassen Abstieg) im schönen Ort Oberried mit seinen tollen Holzhäusern an. Hier wäre ich auch untergekommen, aber wie gesagt, ich habe ja einiges geändert. Ich verbringe meine Pause am Bootsanleger. Es ist still, keine Menschenseele. Ein paar Enten quaken, das war's. Schön. Viele Boote fahren nicht auf dem See. Es fühlt sich eigenartig an nun meine Tour bald zu beenden. Was für eine aufregende und schöne Tour das doch gewesen ist. Viel Möglichkeit zum in mich gehen auf den Wegen hatte ich nicht, da ich mich sehr auf den Weg konzentrieren musste, das war ein Unterschied zu vorher, aber es gibt ja immer die stillen Räume von Kirchen, da kann man auch verweilen und sein.

Ansichten vom schönen Örtchen Oberried

Ich mache mich wieder auf den Weg einen anstrengenden Bergweg hoch. Ich bin doch ganz schön k.o. und komme kurze Zeit später an einem Geröllfeld an. Oh nee, jetzt noch so ein doofer Geröllweg. Ich wollte mich gerade ärgern, als ich feststellte, dass ich mich auf Eis befand. Ich schaute hoch, ein Gletscher schlängelte sich den Berg runter und ich stand mitten drauf. Na das ist ja mal der Hammer. Ich nahm mir ein Stück vom Eis und kühlte meine Stirn, es ist doch sehr warm geworden heute. Das tut gut.

Gletschereis mitten auf dem Weg

Frohgemut und gut gelaunt wegen dieses tollen Erlebnisses ging ich weiter und setze mich vor Obermoos auf eine Bank mit Aussicht. Ein Schmetterling gesellte sich zu mir und nahm auf meinem großen Zeh Platz. Ein Schild teilt mir mit, dass ich mich nun auf dem Planetenweg befinde, aha, warum auch immer. Darüber wird mein Endort: Interlaken/Ost angezeigt. Ich werde in der großen Jugendherberge in einem 4-Bettzimmer unterkommen. Sie liegt direkt am Bahnhof, von dem ich übermorgen um 7 Uhr nach Hause fahren werde, also super gelegen.

Auf einsamen Weg geht es oberhalb des Sees nach Ringgenberg, der letzte Ort vor Interlaken. Ich genieße noch die Ruhe, bevor es in den Trubel geht, auf den ich so gar keine Lust habe, kann man nichts machen. Eine Eisenbahnbrücke kommt in Sicht, die über die Aare geht, die hier durch Interlaken (bedeutet: zwischen den Seen) in den Thuner See fließt und eine türkise Farbe aufweist. 

Und an der Aare angekommen, die die beiden Seen: Brienzer See und Thuner See verbindet

Ich stehe an der Aare gegenüber der Stadt und freue mir einen Keks, geschafft! Von der Norddeutschen Tiefebene in die Alpen. Hammer, Hammer, Hammer! Freudig überquere ich die letzte Brücke, die Beaurivage-Brücke, aha französisch. 

Tatsächlich in Interlaken angekommen, freu!!!

Die Straße entlang entdecke ich im Hintergrund ein großes weißen Dings. Was ist das denn? Ich falle vom Glauben ab, da hinten steht ein 4000er, die Jungfrau (4158 m), schneebedeckt. Ich wusste nicht, dass man die von hier aus schon sehen kann. Eiger, Mönch und Jungfrau, die berühmte Alpenkette ist hier nicht weit und morgen will ich die auch alle sehen, deshalb bin ich einen Tag früher hergekommen. Ganz aufgeregt gehe ich zur Jugendherberge, muss nachher unbedingt noch mal los und gucken. Ich checke ein, muss noch ein bissel draufzahlen, da ich wegen der Änderung ein anderes Zimmer, ein schöneres, bekommen habe, mit Dusche und Toilette. Ist doch schön am Ende. Ich belege mein Bett unten und mache mir später wieder eine kleine Höhle draus, dusche und gehe gleich los in den Ort, die Jungfrau suchen.

Das große weiße "Dings" entpuppt sich als Jungfrau, 4159 m

Ganz Asien kommt mir entgegen. Ich habe das Gefühl nicht in der Schweiz, sondern irgendwo in Asien zu sein, ist schon erstaunlich. Es gibt scheinbar so Orte, wo man als Asiat einfach mal gewesen sei muss, wie Rothenburg ob der Tauber, Schloss Neuschwanstein, Wartburg und auch hier Interlaken. Meine Zimmergenossinnen, die ich später kennen lerne sind zwei nette Koreanerinnen, auf Englisch kann man sich gut unterhalten. Interlaken ist als Kurort weltberühmt und wird als Ausgangsort für Alpentouren gerne genommen. Von Grindelwald geht es hoch zum Jungfraujoch, gleich ums Eck ist die Bahn hoch zur Harder Kulm und ich werde morgen zur Schynige Platte (1967 m aufbrechen). Eiger (3970 m), Mönch (4107 m) und Jungfrau (4158 m) sind halt gleich ums Eck.

Ich laufe zur großen Wiese, wo diverse Paraglider ankommen und man einen tollen und freien Blick auf die Jungfrau hat. Ich schnappe mir einen Japaner, die können ja gut fotografieren, der macht ein schönes Foto. 

Paragliding-Landeplatz im Zentrum von Interlaken

Interlaken selbst ist sehr touristisch, überall kann man was kaufen, ich kaufe mir mein Abendbrot und ein kühles Quöllfrisch und laufe einmal durch den Ort zum Bahnhof Interlaken West. Durch mein Wohnen in der Jugendherberge kann ich mit der Bahn umsonst fahren und bekomme Ermäßigung bei der Schynige Bahn morgen, das ist doch mal was. Abends unterhalte ich mich noch ein wenig mit der einen Koreanerin, die gut englisch kann, da sie in London wohnt, die andere kann kein Englisch und so gehen wir gemeinsam schlafen, denn morgen früh geht's für uns alle früh los. Sie wollen zu Jungfrau und ich eben mit der alten Schynige Zahnradbahn (1914) zur Platte hoch.

Ein Tag in Interlaken

und oben auf der Schynige Platte (1967m)

16.6.18

Die Schynigebahn überwindet 1420 Höhenmeter und braucht dazu eine Stunde. Ich denke es ist schöner die Sicht auf die berühmten Berge zu haben und nicht oben drauf zu stehen. Da ist es bestimmt total kalt, liegt ja Schnee, und außerdem gibt es hier einen Alpenblumengarten, der mich sehr interessiert. In dieser Höhe wachsen ja nun doch mal ganz andere Blumen. Und ich sollte nicht enttäuscht werden.

Ich fahre mit dem Zug nach Wilderswil und steige dort um in die Bahn, mit mir noch etliche andere Leute. Okay war klar, dass ich bei dem tollen Wetter nicht die einzige bin, muss sehen, dass ich mich da oben absetzen kann. 

Am Bahnhof ist noch ein wenig warten angesagt. Sieht ganz schön alt aus die Bahn :)

Oben angekommen ist es doch um einiges kühler, also Jacke anziehen. Ich laufe flott los, damit ich die anderen nicht an der Backe habe und komme am Bergkamm mit Blick runter auf Interlaken und den beiden Seen Thuner See und Brienzer See, an. Toll. Es ist so wunderschön, mir stockt der Atem.

Gut zu sehen: Interlaken liegt zwischen den Seen, links der Thuner See und rechts der Brienzer See, den ich runtergelaufen bin

oben :)

Also wenn man hier ist, sollte man wirklich eine Pause einlegen und nicht gleich weiterlaufen, es lohnt sich allemal. Hinter mir türmen sich die drei Berge und noch weitere in einer schneebedeckten Alpenkette auf. Es ist einfach nur schön. Es geht auf schmalem Gratweg entlang, der mich später zum Nachdenken bezüglich des eigenen schmalen Gratwanderweges, dem Leben, beflügelt. So ist es doch im Leben, wir müssen aufpassen, dass wir auf diesem Weg bleiben. Es ist ein schmaler, auch steiniger. Geht man zu weit nach links fällt man in den Abgrund, geht man zu weit rechts ebenfalls. Die goldene Mitte ist der Weg. Wie wahr!

Der Gratwanderweg mit Abgrund links und rechts

Blick auf den Brienzer See

Blick auf Eiger (die Nordwand liegt im Schatten, gut zu erkennen), Mönch und Jungfrau (etwas hinter Wolken verdeckt)

Ein bisschen Treppenkletterei gab's auch noch (Oberberghorn)

Der Weg ist mit Alpen-Wiesenblumen gesäumt und auf einen Kandidaten freue mich besonders, den ich auch einzeln stehend entdecke, den klassischen blauen Enzian oder auch schmalblättriger Enzian genannt. Toll, ich fotografiere ihn von allen Seiten, um später zu entdecken, dass es noch viele weitere Enziane gibt. Auch die Alpenanemonen in gelb und weiß sind zu sehen. Später komme ich mit der Alpengarten-Frau ins Gespräch (den schaue ich mir zum Schluss an), die meint, dass die unterschiedliche Farbe von der Bodenbeschaffenheit her rührt. So gibt es den dunkelblauen Enzian auch in hellerem Blau, auch schön.

Trollblume, Alpenanemone weiß, das Maiglöckchen blüht noch, Mehlprimel

Narzissenblütige Anemone, Frühlingsenzian, Alpenwicke, Alpenanemone gelb

Auch Trollblume, die lila Mehlprimel, Kugelblume und sogar blühende Maiglöckchen sind zugegen. Ja hier blüht alles etwas später als unten im Tal. Große Blütenteppiche mit Alpenanemonen, ich weiß gar nicht wo ich zuerst hinschauen soll. Vom Tal her schallt das Gebimmel der Kuhglocken hoch. Ich gehe an steilen Felsen vorbei, hie und da liegt noch Schnee. Es geht auf steilem Wege und später eine Leiter hochsteigend zum Aussichtspunkt Oberberghorn, dort mache ich Pause. Es gibt hier einen schönen Rundwanderweg, den ich gehe. Die Leute haben sich gut verteilt und so bin ich die meiste Zeit auch für mich, schön. 

Blumen überall: hier die narzissenblütige Anemone mit Hahnenfuß am Abhang zum Brienzer See und die Kugelblumen-Ansammlung

Hier geht auch einer der Eiger Trails lang, der Eiger Ultra Trail, das ist bestimmt eine Herausforderung, hört sich schon so fies an. Die Eigernordwand, die ich nun direkt vor der Nase habe, man kann auch gut erkennen, dass diese Wand nie Licht abbekommt, sie liegt im Schatten, ist ja berüchtigt. Einige haben es schon versucht sie zu besteigen und haben ihr Leben gelassen, sie gilt als eine der gefährlichsten zu bekletternden Berge. 

Na Lust auf Herausforderung? Wegweiser Eiger-Ultratrail und Blumenwiese mit Schreckhorn (4078 m) im Hintergrund

Ich verbringe noch eine lange Zeit hier bevor ich mich wieder zum Ausgangspunkt mache und werde da tatsächlich noch von einem Alphornbläser begrüßt, noch ein schweizer Klassiker, kitschiger geht's jetzt echt nicht mehr. Es hört sich toll an. Er steht vor der Dreier-Berg-Kulisse, im Hintergrund Kuhglocken und er spielt aus Leibeskräften. Schön. Jetzt noch der Besuch im botanischen Alpengarten mit dem Gespräch mit der Gärtnerin, die mir viel über Alpenblumen erzählen kann. Das Edelweiß, welches hier auch wächst ist noch nicht zu sehen, es blüht später. 

Ich mache mich mit der Bahn auf den Rückweg, was für ein toller Tag. Unten angekommenen ist es bestimmt 10 Grad wärmer und ich ziehe die Jacke aus. Sommertag. Nach dem Abendbrot, meine Zimmerkumpanin ist noch auf Achse (es ist nur noch die eine übrig geblieben), gehe ich noch mal in die Stadt in hiesige Heiliggeist Kirche. Sie hat zum Glück noch auf und beinhaltet eine kleine abgeschiedene Marienecke zum Kerzenanzünden und in sich gehen. Das mache ich nun und sitze noch lange hier im Gebet und in Dankbarkeit, dass ich das alles erleben durfte. 

Abends an der schönen Aare mit Blick aufs schöne teure Hotel (nix für mich)

Morgens in Interlaken

17.6.18

Früh um 6 Uhr stehe ich auf, packe meine Sachen und gehe runter zum Frühstück. Durch die frühen Abfahren nach Grindelwald und zum Jungfraujoch, haben sie ab 6 Uhr schon auf, gut für mich. Ich sitze unter einigen Asiaten (also nur Asiaten, schon speziell) und esse mein Frühstück, nehme mir für die lange Fahrt noch was mit. Kurz vor sieben gehe ich rüber zum Bahnhof, ist schon ideal die Lage, Der Zug steht schon da und ich mache mein Abschlussfoto. Da erinnerte ich mich an den Stein, den ich auf dem Weg den Lungerner See runter mitgenommen habe. Ich hole ihn raus, packe alles rauf was ich zurücklassen möchte und lege ihn einfach auf der Brüstung an der Treppe im Bahnhof ab. Ob er da noch liegt?

 

Die Zugfahrt geht über Thun nach Bern und weiter nach Basel zum umsteigen. So kann ich schon mal sehen wie es hier weitergehen wird, den Thuner See runter. Es gibt zwei Varianten, halt links oder rechts runter. Ich werde mich später für die rechte entscheiden und sie bewandern, so Gott will, aber das ist eine andere Geschichte, die soll ein anders Mal erzählt werden. Eine Frau aus Bern sitzt mir gegenüber und da ich ja offenen Herzens bin, kommen wir auch schnell ins Gespräch, sie erzählt mir die Geschichte über den Berner Bärengraben, der für die Bären letztendlich Gott sei Dank ja gut ausging und sie es jetzt schöner haben.

Und so kam mir so im Zug sitzend:

Alles sorgen macht doch keinen Sinn, es kommt ja doch oft anders als man denkt. Ich machte mir Sorgen, dass Juni doch keine gute Zeit zum wandern ist, da er doch oft verregnet ist, dass mein Knie nicht mitmacht und ich abbrechen muss, dass es blöd wird, wenn ich abends nicht essen gehen kann, dass ich in vollen Mehrbettzimmern unglücklich bin, dass ich die tollen Alpen wegen der Wolken gar nicht sehen werde, die Schweizer doof sind, es tierisch teuer wird und dass....

...bla bla bla.

Und was ist davon eingetreten?

Nichts!

Es war eine wundervolle Tour, eine wundervolle Landschaft, wunderbares Wetter, wundervolle Schweizer, nette und oft leere Mehrbettzimmer, lecker Brötchen mit Appenzeller und Quöllfrisch, toller und kerniger Körper, tolle schneebedeckte Alpen und viel günstiger als gedacht.

Da kann man echt nur grölen!

 

Oh, wie wird es wohl mit den Franzosen werden? :-)

Fortsetzung folgt...