Genf nach Le Grand-Lemps/Grenoble 2

19.10.19

Yenne nach Maurice de Rotherens, 19 km

Grau ist es draußen, schade. Nun solange kein Regen kommt ist es okay. Heute haben wir einen wunderschönen Weg vor uns mit wunderschönen Aussichten auf das Rhône-Tal. Ob wir das jedoch sehen können, das steht noch in den nicht sichtbaren Sternen. Nun, erst mal frühstücken. Das ein oder andere Brot, der ein oder andere Kuchen verschwindet in unseren Beuteln. Die Meditationsgruppe kommt etwas später, müssen erst meditieren, von daher haben wir freie Auswahl. Sogar Cornflakes gibt es, über die ich mich erst mal hermache, das gibt’s ja eher selten.

Wir machen uns auf, packen unsere Sachen, gehen nach unten. Eine neue Gruppe ist angekommen. Die eine Frau schaut uns erstaunt an und meint: "Es regnet, sie sollten noch warten." Ich schaue raus. Oh Gott! Es regnet in Strömen, na herzlichen Dank auch. Nee, kannste abhaken! Wir lassen uns von der Rezeption unseren Schlüssel wiedergeben, gehen wieder nach oben, packen unsere Rucksäcke beiseite und sitzen auf den Betten und warten. Na das ist ja mal ein Scheiß-Anfang. Ein besorgter Blick fällt nun doch auf die Wetter-App, da ziehen so einige fiese Sachen durch, aber alsbald sollte der jetzige Regen aufhören.

Nach einer Weile warten ist es dann soweit und wir schultern wieder unsere Rucksäcke und verabschieden uns. Das ein oder andere muss noch eingekauft werden, Geld abholen und ähnliches, wer weiß wann noch was kommt. Wir haben jetzt tatsächlich nach Maurice eine Wanderung vor uns, wo uns kein einziger Ort begegnen wird, spannend. Nun und die Höhenmeter sind auch spannend. Man kann wohl auch eine Variante gehen, die weniger Höhenmeter, weniger auf und ab beinhaltet, soll aber nicht so schön sein. Nö, einfach mal nö! Wir kommen raus aus dem Ortskern, gehen an der vielbefahrenen Straße entlang, über den Fluss Flon und dann geht’s auch gleich ab in die Stille und schön bergauf. Oben thront eine große Maria, die Chapelle Notre-Dame de la Montagne. Sieht schon speziell aus. Pünktlich dazu kommt ein Hauch Sonne ums Eck. Ah, die Sonne aus Toulouse. Ich mache mir einen Spaß daraus und erzähle ganz zuversichtlich und optimistisch, dass die Sonne, die gerade laut meiner Wetterapp über Toulouse weilt, auch bald zu uns kommen wird und dann scheint. Nun denn, schauen wir mal.  Eine kleine Verschnaufpause, dann geht es auf schmalem, steinigen Wege weiter bergauf. 

An der Chapelle Notre-Dame de la Montagne und die beiden Pilger

Kurze Zeit später kommt ein Schild, welches auf einen Belvedere (Aussicht) hinweist (Belvedere de Pierre Châtel), den nehme wir doch mal mit. Passend dazu kommt ein weiterer Sonnenstrahl ums Eck, na das erheitert das Pilgerherz. Man hat einen tollen Blick runter ins Rôhne-Tal, über die Berge gegenüber und zum Fort Pierre Châtel, welches sich an den Berghang quetscht. Toll sieht das aus. Tiefliegende Wolken hängen noch vereinzelt über dem Tal, das hat schon was, finde ich. 

Blick von oben zur Rhône-Brücke bei Yenne und wenig später rüber zum Fort Pierre Châtel und das bei Sonne

Wir gehen weiter, einen steinigen Weg mit feuchten Blättern entlang. Da kommt die Erinnerung von gestern hoch, oh oh! Aber nee, beim Bergaufgehen hält es sich mit der Glätte in Grenzen. Es ist waldig, Bettina kommt schneller den Berg hoch und so geht jeder wieder seinen eigenen Weg. Wir treffen uns aber ab und an an den Belvederes, davon gibt es ja einige. 

Einige Pilze sind zu sehen, die tollen quietschgrünen Farne und die moosbewachsenen Äste, groovy. Wenig später gibt es wieder einige Maronen, über die wir hinweg laufen. 

Überhaupt ist dieser Wald sehr abwechslungsreich, scheint keine Forstwirtschaft zu sein, sondern einfach nur Wald, der hier so wachsen darf. Toll ist das. Ich habe wieder angefangen zu zählen, immer bis 80, Pause, verschnaufen und weiter. So kann ich solche Berge ganz gut bewältigen. Auch ist die Temperatur zum Wandern ideal und es geht gut voran. 

Spannende Wege führen stetig bergauf

Ja, an Maronen mangelt es wahrlich nicht :-)

Leider verschlechtert sich das Wetter. Am Belvedere du Rhône ist dann auch nichts mehr zu sehen, eine Nebelwand kommt da vorne auf mich zu und hüllt mich wenig später ein. Nun sieht der Wald gespenstisch aus. Leider fängt es dazu wenig später noch an zu pieseln und dann zu regnen. So ein Mist! Rucksack runter, Regenhose an, Cape drüber, doof. Wo ist die Sonne aus Toulouse man? Der Weg ist wie immer gut ausgeschildert und auch im Nebel gut zu erkennen, ansonsten ist die Sicht eher mäßig vorhanden. Schade um die tollen Aussichten, die man eigentlich haben sollte. Neben mir fällt steil der Abhang in den Nebel, hat auch was, aber ohne wäre trotzdem schöner. 

Mitunter geht es ziemlich steil bergauf

Irgendwann stoße ich wieder auf Bettina, die Schutz suchend vor dem Regen telefonierend im Wald steht. Was soll man tun? Irgendwann muss es weitergehen und irgendwann hört es auch wieder auf mit dem Regen. Wie schön! Es geht einen schönen Abhangs-Weg entlang mit toller nicht vorhandener Sicht auf Wolken, die sich kontinuierlich über der Rhône halten, man sieht ein paar Bergspitzen aus ihnen hervorluken. Ich bin echt k.o. und möchte jetzt eine Pause machen. Da ist eine Jagdhütte, Botozol heißt die, da will ich hin. Der Wegweiser führt vom Abhang weg ins Inland, es soll nicht mehr weit sein. Da wird es ja hoffentlich einen überdachten Tisch mit Bank geben. Über schlammige Wege marschiere diesmal ich zuerst an der Hütte ein. Ich dachte mir noch im Vorfeld: Bitte mach, dass keine Jäger da sind. Und was sehe ich? Nicht nur eine Gruppe Jäger, sondern auch noch ein aufgehängtes gehäutetes Reh. "Ein fantastischer Platz für eine ausgedehnte Rast", sagt mein Wanderführer. Oh nee, da habe ich gar keine Lust drauf, einen dooferen Platz gibt es echt nicht! Ich sage "Bonjour" und gehe weiter, um mich wenig später auf ein paar Baumstämme zu setzen. Pause ist jetzt echt wichtig und ich habe Hunger. Ich whatsappe Bettina noch, dass ich hinter der Jagdhütte sitze, da ich es hier nicht schön finde. Ein Jäger ruft mir noch zu, dass es hier doch einen Tisch gibt, nee danke, lass mal.

Bettina kommt ums Eck und setzt sich zu mir auf den Baumstamm. Nun es gibt schönere Locations, aber was soll man machen? Füße lüften, Brote essen, was trinken, das muss jetzt sein. Lange sitzen wir auch nicht hier, da es frisch wird. Es ist immer noch leicht neblig und somit feucht. Naja, schön ist anders. Wir machen uns gemeinsam auf den Weg um uns wenig später wieder zu verlieren. Am Punkt Bois de Glaize befinden wir uns schon auf 675 m, na das ist doch was. Da wir immer wieder auch bergab gehen nehmen wir nicht wirklich an Höhenmetern zu. Na da haben wir ja noch was vor uns. 

Es kommt der Aussichtspunkt Recorba. Ich biege nach rechts ab. Man muss wissen, dass die Aussichtspunkte immer so ein kleines Stück vom Wanderweg abgehen. Ich komme an einen kleinen Platz mit Zaun drumrum. Eine Bank wäre ideal, aber nein, der Franzose steht. Bettina sitzt schon am Abhang jenseits des Zaunes und bestaunt das Panorama, dass jetzt nun wirklich zum Hammer geworden ist. Die Wolken sind hier noch nicht gelandet, man hat einen tollen Blick runter zur Rhôneschleife und in die Ferne. Wir haben tatsächlich eine tolle Fernsicht und neben uns die steile Felswand. Von rechts kommt ein Wolken-Komplott ums Eck, was sich stetig über dem Tal vorwärts schiebt. 

Es ist einfach nur Hammer. Wir machen tolle Fotos, setzen uns nochmals hin, essen was und befinden uns wenig später komplett über den Wolken, die in einem ziemlichen Tempo das ganze Tal eingehüllt haben. Ich meinte noch, wenn die sich entscheiden auch den Berg hoch zu kriechen, dann stehen wir im Nebel, aber es bleib dabei, sie blieben auf einer Höhe. 

Es war wie im Flugzeug über den Wolken, wie klasse ist das denn? Wenn man denn Abgrund runter schaut und die weiße Wolkendecke sieht, dann hat man das Gefühl runterspringen zu können und in einem weichen Wolkenbett zu landen. Wir probierten das natürlich nicht aus. Ein kleiner Schwarm Vögel kommt plötzlich aus der Wolkendecke hoch geflogen, toll. Wir bestaunen das Schauspiel. Linker Hand kommt tatsächlich dazu noch etwas Sonne ums Eck und beleuchtete den fies dunkelblau aussehenden Gewitterhimmel vor uns, der uns aber nichts anhaben sollte. Zwar wollte die Sonne aus Toulouse nun doch nicht vorbeischauen, aber wir sollten auch keinen Regen mehr heute abbekommen, das ist doch auch schön.

Weiter geht es einen Wurzelweg, der mehr aus Wurzel, als aus Weg bestand, durch den Wald bis zum höchsten Punkt der Etappe. Es wurde jetzt mächtig steil. Prustend, zählend, schnaufend arbeitete ich mich voran, bis ich dann irgendwann, Bettina ist schon wieder außer Sicht, am höchsten Punkt bei 850 m ankomme. Keine Aussicht, nur Wald, und nur ein weißer Stein mit rotem Kreuz besagt, dass ich jetzt da bin. Nun gut, Bettina hat den nicht mal mitbekommen, ist jetzt auch nicht spektakulär. Danach geht es bergab, auch steil, klar. 

Ich sage mal: völlig im Eimer. Die Wege sind doch sehr abwechslungsreich und mitunter ziemlich speziell :-)

Wenig später gibt's einen neuen Aussichtspunkt, Bettina steht schon wieder am Abgrund mit Blick auf die schöne Rhône ohne Wolke, toll. Es geht weiter ordentlich bergab, dann über Wiesen und Felder an diverse Walnussbäumen vorbei, wo eine Familie fleißig Nüsse sammelt. Wir nehmen uns auch die ein oder andere, welche dann in unseren Mägen verschwindet. Es gibt wirklich viele Walnussbäume und Maronen hier in der Gegend. Na und jetzt ist Erntezeit, nichts wie ran. Die Maronen müsste man ja dann in die Pfanne hauen und rösten, die Wallnüsse eher noch trocknen. Nun es geht weiter durch den Weiler Le Borgey hindurch, um wenig später tatsächlich an einer Bank nochmals Pause zu machen, bevor wir weiter nach Maurice gehen. In der Ferne kann man wieder die Alpenkette mit den stark gezackten Bergen erkennen, toll. 

Letzter Ausblick ohne Wolken und es geht über Wiesen mit Blick auf die Alpenkette im Hintergrund

Gemäßigt geht es nach Maurice de Rotherens hinein, doch ein etwas größerer Ort (okay nur 150 Einwohner, immerhin). Irgendwie habe ich mir das nur als eine Straßenkreuzung vorgestellt, aber nein, es gibt ein paar Häuser, eine Kirche, sogar ein Tennisplatz und all sowas. Neben der Kirche ist ein Lädle und das Radiomuseum Galetti. Herr Galetti, war Pionier der drahtlosen Datenübertragung, welcher im Jahre 1912 Im Ort eine drahtlose Telegrafie installierte. Aha! Es ist offen, die Museumsdame kommt auch gleich heraus. Es gibt ein Café dazu, in welches wir uns gerne reinsetzen. Wir wollen heute bei Patrick in Le Mollard übernachten, eine Pilgerunterkunft mit Selbstversorgung, es soll wohl alles da sein. Es sind wohl noch zwei oder drei Kilometer, aber er holt auch ab. Wir entscheiden uns fürs Abholen, was definitiv die richtige Entscheidung, war, denn die Fahrt später nach Le Mollard war schon ganz schön lange. Wir überlegten wie Patrick wohl aussehen möge. Ich meinte, bestimmst so ein Alternativer, langhaariger vielleicht Bob Marley hörender Joint-Raucher. Nun er kam rein, langhaarig, ziemlich übergewichtig und ein bissel wie ein Waldschrat, würde meine Mutter jetzt sagen. Er nahm uns mit. Sein Auto sah entsprechend aus, ich kramte erst mal alle Papiere beiseite und es machte sich eine Sorge breit wie wohl die Unterkunft aussehen möge und ob auch die Heizung ginge. Er sah irgendwie nicht danach aus. Er war aber sehr nett und brachte uns in die Unterkunft mit allem drum und dran, Küche, Wohnzimmer und oben über eine steile Treppe die Schlafkammer unterm Dach.

Unsere Bleibe heute, das gute französische Bier und der tolle Stempel: Soif! Faim! Sommeil! Durst! Hunger! Schlaf! 

Es fing gerade wieder an zu regnen und die Bude war kalt. Meine erste Frage galt der Heizung. Er schaute auf ein Thermometer und meinte es wären 18 Grad, das ist warm genug, super zum schlafen. Ich war da gaaanz anderer Meinung, wie man sich vorstellen kann und bat ihn die Heizung anzuschmeißen. Er war nicht wirklich überzeugt und verstand das Ganze nicht, ist auch egal, er schmiss die Heizung an, das war die Hauptsache. Im Bad wurde erst mal das Elektro-Heizmodul auf volle Pulle gestellt, welches dann mindestens noch die nächste Stunde so weiter lief. Besser is! Bettina fing an das Klo zu putzen, da es mit der Reinlichkeit nicht so weit her war, wie ich mir schon dachte. Nun, wir schrubbten hier und da und richteten uns dann aber häuslich ein. Oben in der Schlafkammer befanden sich mehrere Liegen, es gab auch Zusatzdecken, die aber nicht so ansehnlich aussahen und ich war froh später keine von denen zu benötigen, da es warm genug war. Die Dusche war dezent, aber schön heiß. Und letztendlich waren die Schränke gefüllt mit Essen, Dosen, Spagetti, Tomatensoßen, welche selbstgemacht waren, Marmeladen, Biere und Cola. Toll war das, schon der Hammer. Überhaupt hat er sehr viel selber gemacht, muss einen großen Garten haben der Herr. Er gab mir später auch noch selbst geerntete Tomaten und Paprika, als ich nochmals zu ihm gehen musste, da ich mit dem antiken Dosenöffner nicht klar kam. Bettina zauberte daraus einen tollen Salat, dann gab es Ravioli und dazu lecker Bier aus der Region. Tiefenentspannt, die Bude ist auch wärmer geworden, saßen wir beim Essen beisammen und fanden die Bleibe dann doch ganz toll. Das tollste war dann auch der Hammerstempel von Patrick, den besten, den ich je bekommen habe. Schön! Draußen regnete es sich so ein bissel ein, ich hoffe dass der morgen vorbei ist. Mal sehen.

Wir gingen dann irgendwann schlafen, noch ein bissel Hörbuch mit Hape, dann war aber Schluss. Hauptsache ich muss nicht heute Nacht aufs Klo, die Treppe ist echt abenteuerlich. Nun, kannste abhaken, klar musste ich aufs Klo. Dann wurde nachts eben ein bissel rumgeturnt, wir haben es überlebt :-)

Morgens aus der Tür rausschauend: 

sieht doch ganz gut aus!

20.10.19

Maurice de Rotherens 

nach Les Abrets

21 km

Heute gibt es wieder Marmeladen-Frühstück mit selbstgemachter Marmelade. Die Baguettes dazu haben wir gestern schon aus dem Gefrierfach genommen und kommen jetzt in den Ofen. Lecker knusprig! Es ist schön hier so zu sitzen, entspannt zu frühstücken und zu wissen, draußen regnet es nicht. Ich habe gerade mal rausgeschaut, es ist unheimlich mild und leicht bewölkt, das lässt doch hoffen. Patrick meinte später noch, als er uns nach langem hin-und her überlegen, ob er uns wieder zurück nach Maurice bringen soll oder weiter nach unten nach Grésin, dass es noch stürmisch werden soll. Hmm, kann ich mir gar nicht vorstellen, momentan ist es nur mild und angenehm. Wir starten also doch in Maurice, da ich nochmal in die Kirche wollte. Da war ich gestern nicht drinnen gewesen, bzw. habe sie von außen nicht fotografiert, was ich aber gern noch machen wollte. Ich war unschlüssig mit dem Abwärtsgehen, da meine Bänder am rechten Fußgelenk anfingen ein bisschen zu ziepen. Es warten knapp 400 Höhenmeter bergab auf uns. Ich bandagierte den Fuß und dann ging es los. Noch ein Blick in die Kirche, die ganz süß ist, mal nicht so düster und auf der rechten Seite einen kleinen süßen Jakobspilger beinhaltet.

Die Kirche von Maurice de Rotherens mit dem kleinen Jakobspilger, inklusive Mairie (Rathaus) und Galetti-Museum

Wir machten uns auf einen  ziemlich steilen Weg bergab, einen schönen Wiesenweg mit schönen Aussichten. Und dann kam die Sonne schön warm und hell heraus. Unten ist schon die kleine Kirche von Grésin zu erkennen, hübsch sieht das alles aus. 

Der schöne Bergwanderweg mit Blick zurück auf die Alpenkette und links runter nach Grésin

Unten in Grésin angekommen statte ich der Kirche mal einen Besuch ab. Beim Eintreten fängt eine schöne Musik an zu spielen und macht das ganze sehr emotional. Ich stehe vor dem Kreuz und bete, verweile her eine Weile. Bettina ist schon weitergegangen. Wir werden uns später sicher wiedertreffen. Heute geht es zum Campingplatz "Le Coin tranquille", "Der stille Ort", hört sich gut an. Würde man weitergehen, wäre es zu weit für mich gewesen, dann ist man bei 26 km oder so. Nee, muss nicht sein. Mal sehen was auf uns wartet heute. 

In der süßen Kirche von Grésin, Église Notre-Dame de l'Assomption, was auch immer das ist

Hinter der Kirche beim weiteren Abstieg wartet eine doofe kläffende Töle auf mich. Es nervt echt ab. Ich schaue ihm ganz tief in die Augen und meinte nur: "Halts Maul!" Das hat ihn sehr aufgeregt, er kläffte nun noch krasser. Vielleicht hätte ich es auf französisch versuchen sollen. Eine Stimme von hinten ertönt und ruft das Tier zurück, kannste abhaken, hört nicht, blödes Vieh. Nun denn, ich gehe weiter. Es geht weiterhin bergab, bis ich an einem von diesen halbfertigen Häusern vorbeikomme. Unten ist sowas wie eine Garage oder so, kann ich nicht genau sagen, vielleicht auch einfach ein Abstellraum. Es ist ein Tisch aufgestellt mit diversen Leckereien und Getränken für den durstigen und hungrigen Pilger. "La petite halte de Jacques". Ich bin gerührt, das ist ja toll. Ich nehme mir ein Madeleine (französisches Gebäck, lecker), lege 10 Cent (die hier übrigens immer noch Centimes heißen) ab, stempel in mein Pilgerbuch und ziehe lächelnd weiter. Sowas finde ich immer ganz toll. Schade, dass ich keinen zum bedanken gesehen habe. Es geht weiter bergab Richtung Côte Envers, es wird waldig und felsig. Unten geht eine kleine Brücke über den Ruisseau de Truison (Truison-Strom). Es ist feucht, leicht kühl und irgendwie groovy. 

Über maronenbestückte Hohlwege geht es weiter durch den Wald ein Stück aufwärts um dann an eine akkurate neu geteerte Straße zu kommen, wo kein Auto fuhr. Hmm, hat's das gebraucht? Wie dem auch sei, ich laufe diese Straße lang, mein Zeh macht sich natürlich wieder bemerkbar und muss ab und an entkrampft werden. 

Zum Glück geht es von der Asphaltstraße einen kleinen Weg in den Wald ab, der dann auf einer großen Wiese endet. Die Sonne scheint und wärmt schön. Mittlerweile bin ich im T-Shirt unterwegs, tatsächlich ist es auch windiger geworden. Ein warmer böiger Wind weht uns um die Ohren. Ich habe Bettina, die hier Pause auf einem Stein machte, wieder getroffen und so saßen wir noch kurze Zeit zusammen, bevor sie wieder aufbrach. Ich blieb noch ein bissel und machte Pause mit Brot und Co. Diesmal Marmeladenbrot, speziell, aber es gab keinen Käse bei Patrick. 

Pausenort oben auf der Bergwiese kurz vor St.-Genix

Unten ist St.-Genix-sur-Guiers schon auszumachen

Die ganze Zeit suche ich in meinen Erinnerungen nach einem Taizé-Lied, welches wir schon 1000 mal beim "Stilleabend" und im Kloster gesungen haben, in das ich ab und zu mal gehe. Mir fällt es einfach nicht ein. Ich frage Hannah, die die Abende immer mit leitet via Whats app. Und? Endlich weiß ich es, es heißt: Per crucem, ist wunderbar und so gehe ich singend und happy weiter. Ja manchmal hat man einfach ein Brett vorm Kopf. Da ich ja so einiges zusammen singe, wenn ich so alleine unterwegs bin, je nach Stimmungslage, kommt das jetzt gerade recht. Es geht singend weiter in den kleinen Ort La Tour, wo mich ein weiterer Hund begrüßt und scheinbar mit meinem Lied nicht einverstanden ist oder was auch immer, wer soll da noch durchblicken? Von hier oben kann ich schon St. Genix-sur-Guiers sehen, das ist der Ort, wo ich eigentlich schon im Juni hin wandern und beenden wollte. Nun es kam ja alles ganz anders als gedacht und nun bin ich jetzt hier. Ich freue mich auf St. Genix und dem absoluten Highlight, den Gâteaux Labully, eine mit quietschpinken Pralinen verzierte Brioche aus Hefeteig mit Mandeln, eine Spezialität aus der Region. Sowas finde ich ja immer ganz klasse, bin gespannt. St. Genix liegt unten an der Guiers, der Fluss der die beiden Départements Savoie und Isère trennt. Ich gehe bergab, komme an der Chapelle de Pigneux vorbei, die ich auch besuche. Ich verweile nachdenklich vor den Kerzen und dem schönen Text dahinter, zünde zwei an, für mich und meine Kleine und denke nach, versunken im Gebet. Schön ist es hier. 

Innehalten in der Chapelle de Pigneux

Weiter geht’s am Friedhof entlang nach unten in den Ort und für mich gleich nochmal zum Geldautomaten, das muss genutzt werden. Bettina sitzt schon bei der Kirche in einem Café und teilt mir mit, dass eine Riesenschlange vor dem Kuchenladen steht und sie noch keinen Kuchen gekauft hat. Oh man, das muss ja der Hammer sein. Nun ein kurzer Gedanke vor dem Automaten sagt mir: "Lass es, nicht gut!" Ich höre nicht drauf, packe meine Karte rein, ordere Geld und nichts passiert. Ich drücke auf "Abbruch", nichts. ich könnte mich ohrfeigen, immer dasselbe, warum höre ich nicht auf diese Stimme? Ich weiß noch in Einsiedeln die Geschichte mit meinem Handy, als ich das Ganze neu starten wollte, weil die Wanderapp immer abschmierte und eine leise Stimme sagte: "Mach's nicht!" und was mache ich? Ich starte alles neu und gebe 3 x die falsche Pin ein. Brechmittel, war echt ätzend! Und was haben wir daraus gelernt? Nun, lassen wir das :-( Lohnt sich nicht sich aufzuregen. Nach einer ganzen Weile spukte er doch meine Karte aus und ließ mich ohne Geld weiterziehen. Ein anderer Automat war da vertrauenserweckender und gab mir auch das benötigte Geld. Jetzt muss ich ja nicht mehr so aufs Geld achten, denn es sind ja Euro, die kann ich einfach mit nach Hause nehmen und dort weiter verwenden, mit den Franken war das eine andere Sache. 

Der Friedhof oben auf dem Berg neben der Chapelle de Pigneux

Ich komme an den Kirchplatz und wander geradewegs in die Konditorei Labully hinein und hole einen kleinen süß eingepackten Kuchen. Traditionell werden Saint-Genix-Kuchen in rotes und weißes Pergamentpapier eingewickelt, was an die symbolischen Farben von Savoie erinnert, schön.

Ich setze mich zu Bettina ins Café und bestelle  einen Espresso, fülle auf dem Klo Wasser auf und schaue mir wenig später noch die vorhandene Kirche an, die aber innen etwas öde ist. Aber sie spielen auch Musik: "Laudate omnes gentes", und "Bei Gott bin ich geborgen" auch aus Taizé. Ich liebe es und bleibe gerührt stehen. Ich komme nochmal sehr ins Nachdenken über mein letztes Pilgern, was ja dann doch in Genf endete und nicht hier in St. Genix.

Am Kirchplatz und der Kuchenladen für den Gâteaux Labully

Es geht weiter "Bei Gott bin ich geborgen"-singend zu einem Schild vor der Brücke: "Merci de votre visite" und einem großen Labully-Kuchen darauf. Ich bin ja mal gespannt wie der schmeckt. Vorsichtig habe ich ihn in meinem Rucksack verstaut, den werden wir dann heute Nachmittag wenn wir angekommen sind, verspeisen. Über die große Brücke geht es ins Département Isère, mein letztes Département in diesem Jahr.

Auf der Guiers-Brücke geht's in einen neuen Département: Isère. Und die tolle "Kuchen"-Verabschiedung, Hammer!

Dahinter geht es gleich links runter und am Fluss entlang. Von weitem kann ich Bettina mit ihrem Pilgerstock sehen. Es geht einen langen geraden Weg weiter. Ich könnte mal wieder Pause machen, zeitgleich dazu bleibt sie stehen und wartet auf mich. Wir packen uns auf eine Steinbank gleich an einem der kleinen Angelteiche nebenan und essen noch mal was. 

Kurz nach dem Aufbruch geht es über die A43 und an einem traurig aussehendem Château vorbei. Nun habe ich Tempo unterm Hintern und laufe voran. Mittlerweile ist es tatsächlich stürmisch geworden, aus Westen kommend, was auf Dauer etwas nervt, da wir nach Westen gehen und somit die volle Breitseite ins Gesicht bekommen. Aber der Wind ist warm. Wenn die Sonne rauskommt wird es richtig heiß. Ich schwitze ordentlich und marschiere durch diverse Weiler, an vielen Feldern und Weiden mit den typischen französischen Kühen vorbei, die Charolais-Rinder. Diese sind ganz weiß, sehen sehr kompakt aus und sind wohl auch sehr zäh und bringen die gute Milch für die tollen Käse der Region. 

Die Gegend ist landwirtschaftlich sehr geprägt und leicht hügelig. Ich marschiere, passend zum Sturm, im ziemlichen Sturmschritt voran. Eine schöne Wiese mit Blick lädt zum Hinlegen ein, aber nein, auch hier höre ich nicht auf meine innere Stimme. Ich gehe weiter, den Berg runter und suche, ob ich nicht noch eine Banc (Bank) oder so finde. Nun leider gibt es weder eine Banc, noch eine Wiese, da entweder abgeerntete Felder, abgezäunte Weideflächen oder eben doofe Piekspflanzen auf mich warten. Die Bank im Ort finde ich doof, ich will alleine sein und auch nicht angesprochen werden. Ich wander also gegen den mittlerweile heftigen Sturm ankämpfend über die Wiesen. Meine Bänder am rechten Fußgelenk finden das gar nicht gut, mein Zeh muckt auch rum, meine Laune ist am Tiefpunkt und ich fluche so vor mich hin. Wehe, wenn jetzt noch ein Hund bellt, grr! Nach langer Suche komme ich an einer Wiese ohne Zaun an, wo ein einziger Heuballen steht, der Windschatten spendet. Das ist mein Platz, den nehme ich. Ich packe mich hin, freue mich über die Windstille, ziehe meine Schuhe aus und liege da mal einfach so. Wenig später kommt Bettina ums Eck, fühlt sich aber noch fit und geht weiter, auch hier wäre die innere Stimme nicht schlecht gewesen, denn kurze Zeit später war es aus mit der Fitness, wie sie erzählte. Ach ja, es gibt noch so viel im Leben zu lernen und man lernt nie aus, wie schön, grmpf!

Nun bin ich aber gut ausgeruht. Ich muss mir in Les Abrets vielleicht doch noch eine Bandage, eine kleine, und auch Voltarensalbe holen. Ich mache mir schon wieder Sorgen, dass das mit den Bändern noch ein mächtiges Problem gibt, nun hätt' ich mir natürlich auch mal wieder sparen können. Aber man sorgt sich halt. 

In Vérou ist kurze Pause angesagt. Der Weg danach ist klar ausgeschildert. Hier geht's vom Jakobsweg ab zum Campingplatz

Ich breche auf und gehe ganz langsam, besser ist es für meinen Fuß. Nach einigem auf und ab komme ich im letzen Weiler, Vérou, vor dem Campingplatz an und packe mich auf die Wiese an den Straßenrand um was zu trinken und ärgere mich über die Bank-Losigkeit in Frankreich. Nun, dann muss ich eben im Dreck sitzen, kann man nichts machen. Ich zweige beim Campingschild ab und komme endlich dort an. Die machen erst um 17 Uhr auf, oh man, das nervt jetzt. Bettina sitzt unweit der Rezeption an einem Tisch und wartet auf mich. Wir melden uns drinnen im Restaurant an, suchen wenig später die Bleibe, die sich aber als winzig erweist, aber eine Heizung hat. Es gibt noch ein Mehrbettzimmer (Dortoir) ohne Heizung. Aufgrund der Hitze, die uns umgibt und dem Gedanken vielleicht nachher im hauseigenen Pool noch baden zu gehen, entscheiden wir uns gegen die Heizung und für das große Dortoir, welches schön mit einer großen Terrasse bestückt gleich neben den Duschen und Toiletten liegt. Das ist doch mal klasse, haben wir eh für uns alleine heute.

Stürmisch ist es, da heißt es: Stühle festhalten :-)

Ich bin im Eimer, erst mal duschen. Bettina kommt noch auf die Idee Wäsche mit der Waschmaschine zu waschen. Gut, können wir machen, der Wind ist so stark, dass er garantiert die Wäsche auf dem Wäscheständer trocknen wird, was er später auch tat. Leider flog dann doch das ein oder andere Kleidungstück durch die Gegend. Es ist echt nicht mehr Wind, sondern Sturm. Ich sitze im Unterhemd und Kurzrock auf der Terrasse und habe den St-Genix Kuchen vor mir, der wird jetzt probiert. Wir sind gespannt. Nun was soll ich sagen? ist doch ganz schön süß, wie die pinkfarbenen Pralinen im Kuchen schon vorab verhießen. Ich find' ihn klasse, Bettinas Begeisterung hält sich in Grenzen. Wir genießen noch die Wärme und sitzen in bequemen Sesseln auf der Terrasse, bevor wir uns auf den Weg zum Restaurant machen. Oh, das ist ja mal schick gedeckt, es sieht aus wie ein Nobelrestaurant und nicht wie ein Campingbistro. Wir bekommen einen Platz zugewiesen und dann geht es los. Großer toller Salat, dann irgendein Fleisch mit Pommes, Fromage und noch ein Dessert, dazu Bière und auch Vin, eine Karaffe Wasser. Also würde ich hier jetzt noch zwei Wochen weiter wandern, dann würde ich den Berg runter rollen. Das Essen ist echt der Hammer hier mit den ganzen Gängen. Wir können uns kaum bewegen, essen aber alles auf.

Und hier also die Spezialität, der Kracher aus Savoie: Der Gâteaux Labully, der Labully-Kuchen. Hmm, lecker und süüüüß!!!

Wir machen es uns mit kleinen Lämpchen im Zimmer gemütlich, leider sind wir auch nicht alleine, diverse Stinkwanzen sitzen oben auf den Vorhangstangen. Nun gut, dann schlafen die eben mit uns, solange sie nicht rumstinken, was sie Gott sei Dank auch nicht taten. Es ist ganz angenehm von der Temperatur her. Wir machen trotzdem den vorhanden Heizkörper an, sitzen auf den Betten und schreiben, als plötzlich das Licht weg ist. Die Sicherung ist wohl raus geknallt. Zum Glück haben wir das Notausgangslicht in leuchtgrün, welches in diesem Moment uns hilft, uns aber nachts total abnervt, mich zumindest. Was soll das überhaupt? Es gibt hier schließlich nur diese Tür, wo soll man denn sonst rausrennen im Notfall? Bettina macht sich auf den Weg in den nun einsetzenden Regen (mit dem Abflauen des Windes kam dann der Regen) und sagt Bescheid, wenig später geht das Licht wieder. Wir lassen das mal mit der Chauffage (Heizkörper). Ich turne noch auf dem Stuhl rum, um Bettinas Sitzmatte über dem blöden Notausgangslicht zu drapieren, damit es nicht so hell leuchtet, denn es bescheint den ganzen Raum. Nun meine Nacht sollte eine sehr unruhige werden, ich türmte die Bettdecke vor meinem Kopf auf, damit ich das Licht nicht sehe. Ein Kampf, der sich gewaschen hat und den ich leider nicht wirklich gewann. Somit war heute einfach weniger Schlaf angesagt, kann man nichts machen.  

21.10.19

Les Abrets nach Le Pin, 11 km

Wir werden morgens wach, ich fühle mich ziemlich gerädert, die Notausgangslampe hat ganze Arbeit geleistet. Draußen ist es grau, aber es regnet nicht. Weiterhin sind die Temperaturen gemäßigt, aber nicht mehr so warm wie gestern. Mein Fuß macht gut mit, das erfreut mich enorm, trotzdem muss ich vorsichtig sein. Zum Glück bleibe ich absolut blasenfrei, was bei dem Bergauf-und ab nicht unbedingt selbstverständlich ist. Unsere Klamotten sind alle trocken geworden und duften wieder herrlich, das ist ein gutes Gefühl. Ab und an braucht man schon mal ne Waschmaschine, Handwäsche ist halt nur so la la. Wir gehen runter zum frühstücken, die Luft ist herrlich. Pfützen befinden sich hier und da auf den Wegen, der Regen hat nachts scheinbar alles gegeben. Das Brot ist total lecker und wir hauen ordentlich rein und nehmen auch noch was mit. Mit Sack und Pack gehen wir die kleine Straße runter nach Les Abrets, ein etwas größerer Ort mit einer Durchgangsstraße, die abnervt, zuzüglich noch die Laubsauger, die auch hier in Frankreich zugegen sind und das Laub von einer Ecke zur nächsten pusten, dann noch die Baustelle ums Eck, oh man! Bettina geht in die Boulangerie, ich gehe in die Farmacie. Wir brechen wenig später getrennt voneinander auf. Ich habe nun Voltarensalbe mit im Gepäck und eine neue Binde, die leider klebend ist, irgendwie konnte ich dem Apotheker dann doch nicht klar machen, dass ich eine ganz normale ohne Klebe haben will. Vielleicht gibt es hier sowas auch nicht, ich weiß es nicht. Egal, weitergehen, bloß raus hier, nervt. Rechts auf einen Wiesenweg abbiegend wird es ruhiger, das ist angenehm. 

Zusehends wird es aber auch feuchter. Was anfangs mit leichtem Gepiesel anfing ging jetzt in einen starken Regen über. Okay, mit Ganzkörperkondom stapfe ich den Berg hoch, die Kamera wieder sicher im Rucksack verstaut. Schnaufend gehe ich von einem Weiler zum nächsten, bis ich oben scharf links in eine Garage abbiege und auf Bettina treffe, die sich untergestellt hat. Es handelt sich mittlerweile um Starkregen, das braucht keiner! Wir labern ein wenig und ulken rum. Noch haben wir gute Laune. Ein Blick aufs Handy verrät, dass es mit dem Regen so bleibt, also machen wir uns singend (Raindrops are falling on my head) auf den weiteren Weg, welcher heute 300 Höhenmeter hat und stetig bergauf geht. Irgendwann verstummen wir, keiner singt mehr, die Füße werden langsam nass und wir sind genervt. Bettina rennt vorneweg, ab und zu höre ich einen Hund bellen. Somit weiß ich, ah da läuft sie gerade vorbei, wahrscheinlich nicht ohne den Hund im Gegenzug anzubrüllen. Verstehen würde ich es. Ich bin langsam k.o. vom vielen Hochsteigen, außerdem, ist es Pausenzeit. Mein zuversichtliches: "Oh guck mal, da oben ist eine Kirche, da können wir Pause machen!" ist in Totalfrust umgeschwenkt, denn diese Kirche hat sich in nichts aufgelöst. Bettina meinte es wäre mit einem Umweg die Kirche oben auf dem Berg in Valencogne gewesen. Na ich weiß nicht. An der kläffenden Töle vorbei, die auch ich ankläffe, denn ich bin echt genervt, geht es weiter, als endlich die ersten Häuser von Valencogne auftauchen.

An einem Zaun befindet sich ein Schild mit Taxirufnummer, welche ich gleich mal fotografiert habe. Ich komme endlich an die Kirche, stürme mit einem völlig genervten: "So ein fuck" (sorry, musste einfach sein) in die zum Glück offene Kirche, in der Bettina sich schon eingerichtet hat. Sie muss lachen aufgrund meines Ausbruches und das in den heiligen Häusern. Nun, Gott hätte ja auch schon eher mal eine Kirche schicken können. Wo war denn die tolle Kirche, die wir vorhin gesehen haben? Nun egal, macht jetzt keinen Sinn. Sie ist eine nette Kirche, ist trocken und nicht ganz kalt, das ist ein Segen. Die nassen Klamotten werden ausgezogen, die Schuhe weg, neues Shirt an und neue Strümpfe und auf Socken erst mal die Kirche begutachten, bevor es ans Pausenbrot geht. 

Und nun? Was tun? Ich schaue auf die Wetterapp, ich schaue nach draußen, Regen, Regen, Regen und  dass noch ziemlich heftig. Nö, einfach mal nö, ich habe keine Lust mehr weiterzulaufen, will nicht! Bettina ist der gleichen Meinung. Ich hole die Taxinummer raus, die ich zuvor fotografiert hatte und rufe an. Leider ist der Empfang in der Kirche mäßig und mein französisch auch, sodass ich halb aus der Kirchentür raus gelehnt versuche den Taxifahrer zu verstehen, der mir mitteilt, nee, jetzt kann er uns nicht abholen, aber in vier Stunden. Was? Brech! Geht gar nicht, dann ist die Verbindung weg. Ich rufe jetzt die Leute aus Le Pin, unserer nächsten Unterkunft, an ob sie eine Idee hätten. Haben sie! Er wird nach oben fahren und uns abholen, wie geil ist das denn? Halb im Regen, halb im nebenan befindlichen Klo stehend ob der besseren Verbindung, mache ich mit ihm ab, dass er gleich vorbei kommt. Danach müsse er aber gleich zum Arzt, habe ich noch verstanden. Toll. Wir ziehen uns an und warten stehend vor dem strömenden Regen an der Kirchentür. Ein Auto kommt den Berg hochgefahren, das muss er sein. Es ist Roland Meunier, ein sehr netter, der sogar ein paar Brocken deutsch kann, da er mal nähe Stuttgart stationiert war in den 60ern. Er fährt die 8 km nach Le Pin und noch ein Stück weiter, denn sie wohnen etwas außerhalb des Ortes, schön. Ländlich, sehr nett. Wir stürmen ob des strömenden Regens in unsere neue Bude, brr, kalt ist sie, und stehen da so triefend vor uns hin. Elisabeth, seine Frau kommt auch gleich ums Eck. Beide versuchen lange mit älterem Gerät einen Kaffee für mich zu zaubern und einen Tee für Bettina. Sie versucht noch den Dreck, der leider unvermeidbar ist, wenn man bei so einem Wetter in die Bude kommt, permanent mit einem Tuch vom Boden zu wischen, finde ich etwas befremdlich, nun, ist eben so. Bettina macht es ihr dann nach und wischt irgendwie vor sich hin. Endlich sind wir dann aber alleine in der Bude, alle Heizkörper werden natürlich erst mal angeschmissen. Ich entdecke glatt ein Treppchen höher einen kleinen Schlafraum unterm Dach mit zwei Betten. Toll, da richten wir uns ein, dann müssen wir nicht unten in der Küche schlafen. Also tolle Wohnung, die auch schnell warm wird, die Dusche ist Hammer, die Schuhe sind schon mit Zeitung bestückt und alles trocknet so vor sich hin. 

Endlich in der Accueil Pelerins (Pilgerherberge) angekommen, die Wäsche und Schuhe trocknen und wir auch

Die eigene Körperkälte, die immer so nach dem Wandern ums Eck kommt, ist verflogen und so sitzen wir Tee trinkend am Tisch und reden, schreiben, sitzen da einfach so. Ich hatte ja noch zwei Teebeutel meines geliebten Roibusch-Caramel-Tees mit dabei und genieße den. Noch ein Keks dazu, toll! Es ist noch recht früh am Tag, Bettina geht nach oben und macht Yoga. Ich lese in ihrem Wanderführer, wie es denn mal weitergehen könnte mit dem Weg. Für uns beide ist der Weg morgen beendet. Sie möchte ja nach Le Grand-Lemps pilgern und dann den Zug nach Hause nehmen und ich wollte eigentlich eine Station weiter nach La Frette und dann übermorgen den Bus nach Grenoble und dann nach Hause. Das macht gelinde gesagt wenig Sinn und so entschieden wir uns beide nach Le Grand-Lemps zu wandern, den Zug nach Grenoble zu nehmen, uns dort gegenüber dem Bahnhof einzuquartieren und noch abends schön gemeinsam essen zu gehen. Das ist ein toller Plan und ein schöner Abschluss für unser gemeinsames Pilgern, finde ich. Ich sage also in La Frette ab. Wir buchen ein Hotel gegenüber des Bahnhofes in Grenoble und werden nun also morgen gemeinsam den Tag noch verbringen. Ich finde das ganz wunderbar. Schön war es, dass sie da war. Besonders wenn man angekommen ist und sich was zu erzählen hat, nicht alleine in der Bude hocken muss, das ist schon toll. Wie gesagt, beim wandern war uns beiden das nicht so wichtig, ich schätze es auch sehr alleine unterwegs zu sein, in mich zu gehen oder einfach nur zu machen was ich gerade machen will oder eben auch nicht. Das genieße ich sehr am alleine gehen. Wir hatten eine ganz gute Mischung für uns gefunden, finde ich. 

So saßen wir noch Musik hörend am Tisch, bis es Zeit für das Abendessen wurde. Draußen hat es tatsächlich mal aufgehört zu regnen, die Luft ist frisch und riecht eben nach Regen, schön! Es steht neben dem Eingang ein Schild der Pilgerherberge: Accueil Pelerins St. J. de Compostelle, 1700 km. Yeah, ich werde also die 1700er-Marke knacken dieses Jahr. Geht doch langsam voran gell? Super finde ich das. Wenn ich mir die Karte so anschaue, es geht schnurgerade dann in südwestlicher Richtung weiter bis an die Pyrenäen, dann habe ich doch schon einen Riesenteil bewandert. Die Hälfte habe ich schon hinter mir. Ich bin so gespannt, was noch alles auf mich warten wird. Diese ganze Pilgertour jetzt hier durch Frankreich war schon beeindruckend und unheimlich spannend. So viel neues, so viele neue Eindrücke, Menschen, Sprache, Landschaften, Eigenarten. Ich finde das toll und habe manchmal das Gefühl meine Birne ist übervoll von den ganzen Eindrücken, ich muss mich in Ruhe erst mal hinsetzen und das alles verarbeiten. 

Jetzt gehen wir erst mal rüber ins Haupthaus, wo die beiden wohnen. Es wird also wieder ein gemeinsames Essen, wobei die beiden wohl schon gegessen haben. Anfangs sitzt sie auf dem Sofa, er bei uns am Tisch gegenüber, wir reden etwas über dies und das. Sie geht irgendwann nach nebenan und wir unterhalten uns weiter. Ist nicht ganz so leicht zu essen und französisch zu reden, da ich mich doch noch sehr konzentrieren muss, somit brauche ich etwas länger. Uns wird eine Riesenplatte Wurstaufschnitt, Salamis, Schinken mit viel Brot aufgetischt. Okay, heute bleibt die Küche kalt. Warum wir nur Wurst vor uns haben erschließt sich irgendwie nicht, erst später, als natürlich noch die klassische Fromage-Käseplatte auf den Tisch kam, davor noch der leckere, heiße Quiche. Oh oh, damit hatten wir mal wieder nicht gerechnet, somit wurden wir wieder gemästet. Ein Dessert mit Eis und allem drum und dran durfte dann auch nicht fehlen, geschweige von dem guten Vin, der immer wieder nachgeschenkt wurde. Voll in jeder Hinsicht gingen wir leicht angeheitert dann rüber und saßen noch lange am Tisch und redeten. Wir haben uns ja nun immer besser kennengelernt und wurden somit offener, das ist schön. Es wurde schon spät, Zeit fürs Bett in der Koje oben unterm Dach. Ich schlüpfe in den vorhanden Seidenschlafsack mit Decke drüber und schlief auch sogleich ein. Schön!

 

22.10.19

Le Pin nach Le Grand-Lemps und Grenoble, 16 km

Oh man, es regnet wieder, das nervt jetzt echt langsam. Ich würde mal sagen, dass es nach meiner ersten Tour von Lüneburg nach Hannover die regenreichste Tour ist. Nun im Oktober muss man mit allem rechnen. Ich hatte damals, als ich spät im Oktober von Böbingen nach Biberach pilgerte einfach echt Glück gehabt, goldener Oktober. Nun ich will mich nicht beklagen, wir hatten auch einige sehr schöne Tage. Wir sitzen mit Roland etwas bedröppelt am Tisch und frühstücken. Er kommt immer wieder mit neuem geschnittenen Brot ums Eck, das ist wunderbar, somit ist das Petit déjeuner nicht petit, sondern grand. Wir können noch sämtliche Brote und Käse mitnehmen, somit sollte der Tag essensmäßig gerettet sein, denn ich konnte nichts mehr einkaufen und habe tatsächlich nichts mehr in meiner Essenstüte. Sowas kann mich doch nervös machen und so nehme ich seine Brote und Käse (Käses? Was ist eigentlich die Mehrzahl von Käse?) gerne an. Wir gehen rüber in unsere Bude und sitzen am Tisch wartend, da wir mal wieder Starkregen haben und es so aussieht, als ob es vielleicht doch etwas besser werden könnte. Ganz ohne Regen werden wir nicht loskommen, das nervt. Nach langem Rumhängen entscheiden wir uns gegen 11 Uhr für den Aufbruch, nützt ja alles nichts. Außerdem müssen wir ja den Zug, der nur alle zwei Stunden aus Le Grand-Lemps fährt, bekommen. In voller Regenmontur geht es bei leichterem Regen los. Wir verabschieden uns von den beiden, bekommen noch einen süßen Stempel und starten. Der Jakobsweg führt direkt am Haus vorbei und biegt dann gleich ab den Berg hoch zum Kloster Chartreuse de la Sylve Bénite, wer auch immer das ist. 

Es ist ein schöner Blätter/Steinweg, aber nicht glatt. Der Blick schweift weit ins Landesinnere und zu den Bergen gegenüber, leider mit tiefen Wolken verhangen und grau. Es pieselt nur noch leicht und so machen wir oben angekommen ein paar Happyfotos. Man sollte es nicht denken, aber der Regen hörte tatsächlich auf und kam auch nicht wieder. Wo die große dunkelblaue Regenfront unserer Wetterapps hin verschwunden ist, wir wissen es nicht, freuen uns aber darüber. Es geht oben angekommen auf schönen Wiesenwegen an Wiesen und Feldern vorbei. Hoch über uns kreist eine Horde Milane, ein Rabe erzählt uns Geschichten und die Sonne erhellt ab und an dezent die Landschaft. 

Die Delfine sind im Wappen gut zu erkennen

Wir befinden uns in der historischen Ecke Dauphiné zwischen Rhône und italienischer Grenze, südlich von Savoyen und nördlich der Provence. Die Bewohner werden Dauphinois genannt; ebenso heißt der hier gesprochene Dialekt, der zur frankoprovenzalischen Sprache gezählt wird. Das Wappen ist sehr süß, beinhaltet rotgeflosste Delfine. Die Dauphiné entspricht den heutigen Départements Isère, Drôme und Hautes-Alpes. Der Delfin (frz.: dauphin) ist heute noch das Wappentier dieser drei Départements, welches man im nächsten Weiler an den Straßenschildern gut erkennen kann. So, so. Über abgeerntete Äcker geht es auf ebener Strecke weiter Richtung Autobahn. 

Ziemlich eben geht es über Felder, bleibt aber nicht so :-)

In der Ferne sehe ich Bettina wandern, wir treffen uns wenig später oben auf dem Berg vor Le Grand-Lemps zur Pause wieder. Ich unterquere die Autobahn. Oh man, ich muss pieschern. Ob hier wohl jemand die kleine Straße langfährt? Nützt alles nichts, ich hocke mich hin und hoffe. Geht gut, alles wieder anziehen, was mit der ganzen Regenmontur, die ich einfach angelassen habe in Erwartung des nächsten Starkregens, nicht ganz einfach ist. Weiter geht’s. Kurz hinter der Autobahn im Weiler Quétan steht ein dunkles Kreuz am Straßenrand, drum herum sind ganz viele kleine Steine hingelegt worden, ich nehme mal an von Pilgern. Auf dem einen steht "Danke" darauf. Ich bin zutiefst gerührt, dieser Ort spricht mich an und ich erinnere mich an den kleinen Stein, den ich auf dem Berg am Croix de Vin vor Charly aufgenommen habe und ihn seither mit mir trage. Ich wollte ihn inklusive meiner Sorgen wieder irgendwo ablegen und da lassen. Ich holte ihn aus den Tiefen meiner Hosentasche und legte ihn zu dem "Danke"-Stein und ging in mich. Die ganze Tour war so aufregend, die Landschaft, das gemeinsame Pilgern, ich habe wenig in mich gehen können. Ab und an mal in einer Kirche kurz, aber jetzt ist der Zeitpunkt, das merke ich, als ich hier so stehe und über die Lasten nachdenke, die ich hier lassen will.

Ich erinnere mich an dieses Jahr, welches ein sehr ereignisreiches war und wo ich noch nicht mal weiß wo es mich noch hinführen wird. Mein fünfzigster Geburtstag, meine ganzen Freunde waren da, große Party, meine Erkrankung wenig später und das Absagen der Pilgertour, die ich dann verkürzt und noch krank doch startete nach Genf, meine ganzen beruflichen Themen und das Infragestellen von allem, die schönen Momente, die nicht schönen und dann jetzt tatsächlich hier in Frankreich zu stehen. Es kam alles hoch auf meinem weiteren Weg, der ziemlich steil bergauf ging, den ich aber so gar nicht in seiner Steilheit wahrnahm, da ich total in Gedanken verloren war. Auch die Beendigung einer langen Freundschaft, die mir sehr zu schaffen macht, wanderte lange durch meine Gedanken. Es war alles sehr emotional und Tränen flossen. Schön, dass dieser Ort mit diesem Kreuz hier war und ich meinen Stein hier ablegen konnte und in gewisser Weise eine Erleichterung verspürte. Es wird alles gut werden. Es ist schon so viel gut geworden, ich habe mein Augenlicht wieder und meine Nervenschmerzen halten sich sehr in Grenzen, auch nach notwendigem Reduzieren der Medikamente auf meiner Pilgertour, da ich zu wenig mitgenommen hatte, falsch gezählt, kann man nichts machen. Ich werde von dem ein oder anderen zotteligen Charolais-Rind begutachtet, wenig später schaut ein Pferd ums Eck und begrüßt mich, hie und da läuft eine Katze über den Weg, der Hund im nächsten Garten schaut nur und bellt nicht. Ja das gibt es auch ab und an, schön!

Klar wo es langgeht und wo nicht gell? Ich werde nett von einem freundlichen Schimmel begrüßt

Schwer in mich gehend, nachdenkend, komme ich auf der Bergkuppe an und sehe etwas weiter unten Bettina in der nassen Wiese sitzend ihr Brot essen. Nun an Ermangelung von Bancs (hier oben wäre aufgrund der schönen Aussicht eine Banc wirklich keine schlechte Investition) bleibt uns auch nichts anderes übrig. Ich setzte mich dazu. Wir haben ja Regenhosen an, somit wird’s nicht nass. Es ist ein wundervoller Weg mit einer tollen Aussicht ins Tal und die dahinter liegenden Berge.

Wir gehen gemeinsam runter, kommen an dem ein oder anderen Bauernhof (Ferme) vorbei mit wiederum exorbitanten Hausnummern, um dann vor einem Variante-Schild zu stehen. Die eine Variante, die kürzer ist, besagt auf Grund des Bildes eines fallenden Männchens, dass es sehr schwierig sein könnte. Da der Boden feucht ist und wir unsere Erfahrungen schon gemacht haben, entscheiden wir uns für die längere, aber nicht so schlimme Strecke, hofften wir. Nach anfänglich dezentem Gefälle mit vielem Maronen auf dem Weg, ging es nun steil bergab was wieder etwas abenteuerlich war, aber dann doch ganz gut ging. Auf einer Lichtung stehend kann man die Kirche und den Ort von Le Grand-Lemps schon erkennen, Zeit für's Abschlussfoto. Die Sonne erhellt passend dazu das Panorama. 

Dann doch besser die Variante, die über einen netten, aber steilen Weg bergab 

nach Le Grand-Lemps geht

Unten angekommen, an diverse kläffenden Hunden vorbei, ging's Richtung Kirche. Ich dachte so ein Abschlussgebet wäre nicht schlecht, aber sie ist zu, kann man nichts machen. Wir gehen durch schäbig aussehende Gassen zur Ortsmitte, einem Platz, an dem eigentlich ein Markt heute stattfinden sollte, laut unseres Wanderführers. Es ist aber ziemlich menschenleer. Wir gehen in ein Café, haben noch etwas Zeit. Nun ist die Tour beendet, schon ein komisches Gefühl,  jedes Mal, so auch dieses Mal. Wir buchen unseren Zug via Handy, finde ich schon toll was alles heutzutage so geht. Somit müssen wir uns nicht mit französischen Ticketautomaten rumschlagen, und trinken Espresso. Eine deutsche Frau gesellt sich zu uns, die mit dem Auto unterwegs ist und ihre Kinder oder Enkel besucht oder besucht hat. Nun denn. Wir brechen auf zum Bahnhof. Nun stehen wir hier so, klar auch hier gibt es zwar eine Überdachung, aber keine Banc. Wir sind ja lösungsorientiert und setzen uns auf die Treppe der Unterführung, die schön bunt in diverse Graffitis gehalten ist, essen noch ein Brot und warten in der aufkommenden Sonnenwärme, die doch tatsächlich noch ums Eck gekommen ist. Der Zug fährt ein. Toll, das erste Mal im französischen Zug sitzen finde ich klasse. 

Abschlussfoto der kernigen Pèlerines am Bahnhof ohne Bancs, dafür aber mit toller Graffiti, ist doch auch was :-)

Eine halbe Stunde ist es bis nach Grenoble an der Isère, welches eingebettet zwischen den Bergen und Alpen liegt. In Grenoble angekommen umfängt uns die Stadt-Bambule. Viele Menschen, es gibt Straßenbahnen, Busse fahren durch die Gegend und leider auch eine Baustelle gleich vor unserem Hotel. Na hoffentlich haben wir die Zimmer nicht zur Baustelle raus. Nun leider ist dem so, aber auch egal, wir sind ja nur zum schlafen hier und nachts wird ja wohl nichts sein. Bettina meinte schon, dass die hoffentlich nicht Gleisarbeiten machen, denn sowas wird generell nachts gemacht. Ach was, glaube ich nicht. Und? Gleisarbeiten und das nachts, na toll! Zum Glück gibt es Ohrstöpsel. Aber erst mal zurück, wir haben beide ein Einzelzimmer nebeneinander, duschen, machen uns fertig und gehen dann gemeinsam in die Stadt. Vielleicht gibt es ja hier noch eine offene Kirche fürs Abschluss-Gebet. 

Ordentlich Bambule vor der Nase in Grenoble, aber gleich gegenüber dem Bahnhof, was für mich morgen der Hit ist, klar!

Grenoble ist die Hauptstadt des französischen Départements Isère und der Dauphiné in der Region Auvergne-Rhône-Alpes. Deren Kathedrale ist leider auch zu, ich gebe es auf, what can I do? Wir kämpfen uns durch das Stadtgewusel, was mich leicht nervt nach dem ganzen schönen ländlichen. Es geht an die Isère, die eine steingraue Farbe, wenn man das überhaupt Farbe nennen kann, aufweist. Sowas habe ich auch noch nicht gesehen, sieht aus wie ein schwarz-weiß Foto. Warum das so ist konnte sich nach späterem Suchen im Internet nicht erschließen. Ich nehme mal einfach an, dass es auch am Wetter liegt, der Bewölkung oder so. Wir wollen die kleine Seilbahn, die aus 4 kleinen Gondeln besteht, nach oben nehmen zur Aussichtsplattform. Oben angekommen hat man eine grandiose Aussicht in die umliegenden Berge und französischen Alpen, die schneebedeckt in der Ferne auszumachen sind. Die Isère schlängelt sich durch die Felsen und die Stadt liegt eingebettet in eben diesem Tal. 

Hoch hinaus zur Bastille geht es mit der "Téléphérique de Grenoble Bastille" mit Blick auf die Stadt an der Isère in den Alpen eingebettet

Schön! Wir lassen ein weiteres Abschlussfoto von uns machen und gehen rüber zur Plattform mit den Fahnen. Das ist klasse, Wir in Frankreich, cool, drittes Abschlussfoto, kann man nie genug haben gell?

Es ist empfindlich kühl und windig hier oben, lange werde ich hier nicht stehen können. Wir wollen im Café hier oben noch was trinken gehen, einen schönen Vin oder so. Leider schließen sie gerade. Das eröffnet mir der Herr, der da am Eingang steht. Er meinte wohl wir sollten einfach runterfahren, eine Nacht schlafen und morgen wiederkommen. Ich verstand was ganz anderes und dachte, der macht mir ein obszönes Angebot. Zum Glück hatte Bettina ihn verstanden, denn ich wollte gerade wütend werden. Gröl! Ist schon lustig mit den Missverständnissen. Gut wenn wenigstens einer versteht worum es geht. Die gleiche Situation hatten wir ich Chanaz mit den Bancs und Banques. Ich sagte, dass es wenig Bancs in Frankreich gäbe und sie verstand, aufgrund meiner falschen Aussprache, was völlig anderes. "Ja in den Orten fehlen oft Distributeurs". Hä! Was haben denn jetzt Geldautomaten mit Sitzbänken zu tun? Wir haben herzhaft gelacht. 

Wie dem auch sei, wir gondelten wieder nach unten. Für mich ist es Zeit noch was für die Fahrt morgen einzukaufen bevor die Geschäfte schließen. Bettina war am verhungern, nicht gut. Ich hatte im Hotel noch die restlichen Käses (?!) gegessen, bei mir ging's. Wir irrten durch die Altstadt. Essen vor 19 Uhr? Kannste abhaken! Wir saßen wenig später in einem Bistro, tranken einfach ein Bier und aßen meine frisch eingekauften Schokokekse dazu, geht doch. Nebenan war eine Pizzeria, Bettina buchte uns da einen Tisch für 19 Uhr, solange mussten wir eben warten und saßen bei lecker Bier draußen, denn es war nicht wirklich kalt. Wir redeten über unsere Erlebnisse, wie es weitergeht, ob sie nochmal pilgern will, wann ich wieder unterwegs sein werde, wie es zu Hause sein wird und so weiter. Pünktlich um 19 Uhr wechselten wir die Seiten, suchten uns einen Platz draußen unter einer Wärmelampe und schauten in die Speisekarten. Der Kellner stellte noch sämtliche Tische an unseren ran. Oh nee, da habe ich jetzt gar keine Lust zu, ich will jetzt keine anderen Leute hier haben, ich will jetzt mit Bettina alleine den Abend beim Essen verbringen. Ich will jetzt auch nicht französisch reden. Als wir dann unseren Pastis als Aperitif (muss schon mal sein in Frankreich finde ich) bestellten und kurz danach das Essen wunderte sich der Kellner und fragte ob die anderen fünf noch kämen. Hä, was für andere fünf? Er hatte vorhin von Bettina verstanden, dass 7 Leute um 19 Uhr kämen. Ja ja, das mit den Missverständnissen. Ich habe herzhaft gelacht, Bettina fand's doof. Nun, was soll's, so ist das mit den anderen Sprachen, ist ja kein Problem. Es gab lecker Pizza, leckeren Rotwein aus der Region Côte du Rhône, klar, tolle Pasta und zum Abschluss noch einen Crème Brulée und ein Chartreuse, ein Likör, der sehr nach Thymian schmeckte. Dazu gab's die obligatorische Karaffe Wasser, noch einen Espresso, das komplette Programm. Was für ein toller Abschluss. Gut gelaunt liefen wir Richtung Hotel, Bettina leitete uns akkurat durch die Straßen, ich habe schon jedwede Orientierung verloren. Wir verabschiedeten uns an der Tür mit der Abmachung, dass ich mich morgens nochmal melde, bevor ich rüber zum Bahnhof gehe. Ich packe meine Sachen zusammen, schaue bedenklich rüber zu den Gleisarbeiten, mache mir die Ohrstöpsel rein und versuche zu schlafen, was mir nicht ganz gelingt, zu viele Gedanken schwirren mir im Kopf herum und ich bin aufgeregt wie das morgen alles klappen wird mit den französischen Bahnen. Zumindest bin ich schon mal in Grenoble, das entspannt doch ungemein und mein Zug fährt zur gemäßigten Zeit von 8.30 Uhr, schön.

 

23.10.19

Grenoble nach Lüneburg

Früh am Morgen bin ich wach und mache mich auf eine Boulangerie zu finden, die auch gleich ums Eck ist und wo ich mir ein paar Pains au chocolat kaufe zum mitnehmen. Kaffee wird’s ja hoffentlich im Zug geben. Auch bin ich schon im Bahnhof unterwegs und kaufe mir das ein oder andere Schokolädchen, ist hier überhaupt kein Problem, alle Läden sind vorhanden, habe ich mir ganz umsonst gestern Gedanken gemacht. Nun denn. Im Zimmer angekommen verabschiede ich mich mit einer dicken Umarmung von Bettina, schön war es mit ihr gemeinsam Frankreich zu erleben, zu pilgern, zu essen, zu reden. Was für eine tolle Tour. Jedes Mal ist es anders, jedes Mal ein anderer Weg, neue Abenteuer, neue Menschen. Toll ist das! Ich schultere meinen Rucksack, schaue mich noch mal um und gehe rüber zum Bahnhof. 

Früh morgens bei blauem Himmel und aufgehender Sonne blicke ich nochmal zurück. Nun geht's zurück nach Hause

Die Gleise sind mit Buchstaben gekennzeichnet, meiner fährt von e, besagt das Schild. Ach nee, kurz danach wird das Gleis gewechselt auf g. Okay, dann eben g. Das scheint in Frankreich mitunter so üblich zu sein, denn wenig später in Lyon passiert mir dasselbe. Auch werden die Voies (Bahngleise) auch erst so 20 Minuten vor Eintreffen des Zuges angezeigt, davor hat man einfach keine Ahnung, was mich etwas beunruhigte. Naja und sowieso werden sie kurze Zeit später oft wieder geändert. Es dauert ca. 1 Stunde bis ich in Lyon bin. Heute fahre ich TGV (Train à grande vitesse)  der französische Schnellzug, ich bin gespannt. Der soll mich nach Frankfurt bringen. Mal sehen wie die Franzosen es so mit der Pünktlichkeit haben. So ein bissel Zweifel hatte ich schon, die aber auch unbegründet waren, die hätte ich mir für den deutschen Zug aufheben sollen. Ich stehe aufgeregt auf dem Bahngleis und finde keine Wagonanzeige. So frage ich den vorhandenen Bahnhofstypen, der mir sagte, dass ich ganz entspannt sein soll, kommt doch alles noch. Okay, gut, schaun wa ma! Wenig später kommt die Anzeige inklusive Wagonnummern und wo sie stehen in Sicht. Aha so ist das also hier. Interessant!

Auch kann man nicht TGV fahren ohne einen Sitzplatz, es gibt keine stehenden Leute im TGV. Erstaunlich, wo die Franzosen doch so gerne stehen :-) Der Zug ist zweistöckig, ist ja auch mal eine gute Idee, und ziemlich voll. Ich sitze neben einer Thailänderin, die ich auf französisch anspreche, die mir aber mitteilt, dass sie nur deutsch kann. Na das ist doch mal klasse, so unterhalten wir uns eine Weile, das macht die Fahrt kurzweiliger. Einen Wagon weiter befindet sich das Bistro, was nicht so klasse aussieht, Stehplätze, klar. Da können die sich von der deutschen Bahn eine Scheibe abschneiden. Aber es gibt Kaffee und für mich nun Frühstück mit Pain au chocolat und Café, schön. Das Klo, welches ich später besuchte habe ich bis heute nicht wirklich verstanden, jedenfalls was das Händewaschen betrifft. Nun gut, vielleicht im Verlauf meiner weitern Frankreichtouren. Es gibt keinen Klodeckel, das ist in Frankreich auch nicht unüblich, ich kann ja noch froh sein, dass es kein Stehklo gibt, denn auch das gibt es in Frankreich noch. Andere Länder, andere Sitten, sage ich ja immer. Bis Strasbourg geht alles gut, super pünktlich angekommen. 

Danach nahm das Chaos seinen Lauf. Kaum über den Rhein rüber, jetzt mit deutscher Lok vorne dran, ging's mit Verspätungen weiter, kennen wir ja schon. Das machte mir nicht viel aus, da ich eine Stunde Zeit zum Umsteigen in Frankfurt hatte. Kurz davor schaute ich nochmal in mein Handy um die Mitteilung zu bekommen, mein Anschlusszug ist einfach mal ausgefallen. Geil! Deutsche Bahn lässt grüßen. Ich kann's echt nicht glauben. Mit anderen rumwütenden Menschen nahm ich einen Zug nach Dresden um in Fulda umzusteigen, wo ich eigentlich überhaupt nicht hinwollte, aber der Sonnenuntergang über der Rhön war sehr schön gewesen. Wir standen in Massen in Fulda, es war klar, dass das mit einem Sitzplatz schwierig wird. So stand ich jetzt hoffentlich auf Höhe des Bistrowagens und erhoffte mir hier einen Platz zu ergattern. Mein Stiefvater meinte mal, dass er das immer macht, wenn der Zug so voll ist. Der Bistrowagen hielt direkt vor mir und ich stürmte rein um mir einen Platz zu sichern. Gleich hinter mir drei Herren. Bingo, hier bekommt uns keiner mehr weg. Das war auch eine sehr gute Aktion denn der Zug sollte sich noch mit Leuten stapeln, die in den Gängen standen und saßen. Erst mal ein Bier zum runterkommen. Die Herren wurden dann sehr redselig. Leider waren deren Themen sturzlangweilig. Wie toll es doch ist sich mal den Teilchenbeschleuniger in Grenoble anzuschauen, total spannend und überhaupt ging es dann um IT-Probleme und wie toll es ist zu jagen. Männerthemen, die mich überhaupt nicht interessieren. Hätte nur noch Fußball gefehlt, das ließen sie Gott sei Dank sein. Ich saß whatsappend mit Bettina, die mittlerweile auch schon im Zug nach Zürich saß, daneben. Langsam bekam ich Hummeln unterm hintern. ist doch eine lange Bahnfahrt, das ermüdet jetzt doch schon, muss ich mal sagen. Na und mit diesen Querelen ist es auch nervig. Ich überlege das nächste Mal doch einen Flug nach Lyon zu nehmen, das stelle ich mir weniger stressig vor. Auch dieser Zug hatte Verspätung. Die Kellnerin tat mir unendlich leid, stieg über die im Gang sitzenden Leute, Gläser gab es auch keine mehr, Fassbier war alle. Klar die Leute versuchten sich's schön zu trinken, ist dann besser zu ertragen. Meine Herren am Tisch waren schon gut angeheitert, Zum Glück stieg eine Frau in Hannover ein, die sich dann zu uns quetschte, somit änderten sich die Themen etwas.

Man beachte den Bierdeckel :-) Okay ich konnte es mir nicht verkneifen und habe den Text etwas geändert :-)

Kurz vor Lüneburg blieb der Zug in Deutsch Evern, dem Dorf davor, dann stehen. Ich hatte mich schon auf den Weg über die Leute steigend zur Tür gemacht. Kurz vorher meinte der Herr neben mir, er hatte mal ein alte Frau getroffen, die meinte: "Hauptsache et rollt…." Nun jetzt rollt nichts mehr, Signalprobleme, das übliche. Die Frau aus dem Lautsprecher ist eine sehr nette, die uns immer jedes Problem erläutert. Wir fahren nun auf Sicht durch den Wald, das geht nur langsam voran, fahren wir überhaupt? Ich schaute auf mein Google Maps, keine Bewegung. Ich hätte brechen können, schmiss wutentbrannt meinen Rucksack auf den Boden und ging zu meiner Truppe wieder zurück, die doch herzhaft lachen mussten. So saß ich noch eine Weile und quatschte, bis ich dann doch langsam die Lichter von Lüneburg sah. Also wieder über alle Leute rüber und endlich kamen wir an, und tatsächlich ging auch die Tür auf, die Erleichterung der Leute war nicht zu überhören. Meine Marmel holte mich ab. Ich war so erschöpft, dass ich dort übernachtete und dann am nächsten Tag erst nach Hause fuhr. Was für eine Aufregung.

In hiesige Kirche in Kirchgellersen, wo ich wohne, kam ich am nächsten Tag nicht mehr rein, abgeschlossen. Nach Erntedank ist es aus mit den geöffneten evangelischen Kirchen schade. Somit blieb mein Abschlussgebet meinem kleinen eigenen Gebetsplatz vorbehalten. Schön mit Kerze und allem drum und dran, auch gut. Ich konnte es mir aber nicht verkneifen die Bank, die direkt vor der Kirche und auch gleich ums Eck am kleinen Platz stand zu fotografieren und Bettina zu schicken. Eine Banc, nee sogar mehrere!  Tja, andere Länder andere Sitten. 

 

Und nun? Ein heiteres und zuversichtliches Buen Camino auf dem Lebenswege!

 

Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt!

Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land.

Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit.

Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit. 

EG 395

Fortsetztung folgt....

....so Gott will