Interlaken nach Genf 2

7.6.19

Fribourg nach Posieux, 18 km

Gemeinsam standen wir auf, es war immer noch bewölkt draußen, meine App besagte aber, dass die Wolken vorbeiziehen und es dann sonnig wird. Trotzdem schauten wir uns gemeinsam Fribourg an bevor wir frühstückten, wurde so beschlossen, also ging ich mit. Erst mal ging's in die Kathedrale, die mit hoher Decke aufwartete, toller Beleuchtung und toller Orgel, inklusive Jesus, der auf sei Herz zeigt, klar.

Später ging es an der Brücke runter zur Zweitbrücke (die Brücke bestand aus zwei Stockwerken, hab' ich so auch noch nicht gesehen und sollte ich so in Lausanne später auch noch mal entdecken). Dort ging es rüber zur weiteren Altstadt und über die hölzerne Bernbrücke über der reißenden Sarine, welche nach langem Weg irgendwann in die Aare mündet. 

Fribourg von der anderen Seite aus gesehen

Blick auf die Bernbrücke und die Auberge de l'ange, damaliger Pilgertreffpunkt

Der Fluss wird gerne mit dem sogenannten Röstigraben, der Sprachgrenze zwischen der deutschen und französischsprachigen Schweiz, gleichgesetzt. Es ist der Graben, der im Besonderen den Unterschied im Abstimmungsverhalten zwischen Deutschschweizern und Romands, also der deutschsprachigen Bevölkerungsmehrheit und der frankophonen Bevölkerung der Schweiz bezeichnet, wie ich später von einem Schweizer erfuhr, mit dem ich einen Teil des Weges ging. Die Schweizer machen ja viel über Volksabstimmungen, da ist es dann mit den Meinungen doch mitunter sehr unterschiedlich zwischen den beiden größten Schweizer Sprachregionen. 

Fribourg ist schon klasse,  kann man nicht anders sagen, sehr beeindruckend, wie hier in und auf dem Felsen gebaut wurde. 

Fribourger Brückenansichten

Wir holten uns bei einer Boulangerie (Bäcker) noch Brötchen, Käse und diverses und machten uns auf, die Treppen hoch zum Kloster, um zu frühstücken. Vanessa wollte eine Woche Pause einlegen und mit ihren Eltern Urlaub in Südfrankreich machen und dann wieder weitergehen, somit blieb sie dann noch einen Tag hier und setzte später den Weg hinter Le Puy fort, also ein Riesensprung, schade, hat sie einiges verpasst. Nun, etwas später erfuhr ich, dass sie komplett abgebrochen hatte aufgrund von körperlichen Problemen, aber auch Heimweh. Die Jungs wollten nachher den Bus aus der Stadt rausnehmen und dann weiterwandern zum Kloster Hauterive. Ich wollte mir aber noch Fribourg bei Sonne anschauen und den schönen Abhangsweg am Fluss langgehen. Somit trennten sich unsere Wege nun für immer. Ich hatte noch gedacht, dass ich die Jungs vielleicht einholen könnte, aber mit deren Busfahrt waren sie zu weit weg. Wir blieben aber im Whatsapp-Kontakt. 

Wir kamen noch an der schönen Eglise St. Maurice vorbei

Josef rief im Kloster an, um die Betten zu organisieren und redete deutsch am Telefon, nix da, nur französisch. Er schaute mich verzweifelt an, ich nahm den Hörer und regelte die Betten für die beiden heute Abend. Ja hätte ich auch nicht gedacht, war der Annahme, dass die hier beides sprechen, deutsch und französisch, ist mitunter auch so, kann aber eben auch nicht so sein. Da keiner der drei ein Wort französisch spricht, hielten sie sich an mich. Ich bin froh, dass ich wenigstens ein bissel kann und gehe gerne lesend durch den Ort und freue mich, wenn ich alles soweit verstehe, schon spannend, finde ich. 

Und in unserem Franziskanerkloster Couvent des Cordeliers, in der Klosterkirche und im Klostergarten

Wir packten nach dem Frühstück unsere Sachen, zogen die Schuhe an, umarmten uns und jeder ging seinen Weg. Ich weiß gar nicht was aus den beiden aus Beuron geworden ist, ich sah sie auch nie wieder, sie machten aber eher einen etwas unfitteren Eindruck, wenngleich sie aber nach Santiago laufen wollten.

Nun denn, so bin ich nun wieder alleine unterwegs. Die Sonne lacht von einem blauen Himmel, was sich heute auch nicht mehr ändern sollte. Ich ging also wieder an der Kathedrale vorbei, die Treppe runter auf die zweite Ebene der Brücke, über die Sarine in die Altstadt gegenüber und zur nächsten Brücke. Die ein oder andere Brücke sollte noch folgen und einfach nur Hammeraussichten auf Fribourg oben auf dem Berg und die Sarineschlucht zu Füßen.

An und auf der Pont de St. Jean

Fribourger Ansichten mit Brasserie

Der Fluss schlängelt sich durch die Berge und ich ging immer schön einen kleinen schmalen Weg am Abgrund entlang. Wenig später kam ein Stausee und kurz darauf wurde es nochmals spannend, dann ging es durch einen Tunnel durch den Felsen, mit orangenem Licht beleuchtet, toll. Was für ein klasse Weg. Kurze Zeit später erzählt mir ein Schild mit Mammuts drauf, dass vor 55000 Jahren eine Zunge des Rhônegletschers bis ins Freiburger Land vorstieß und diese bergige Landschaft formte, so so! Schön blöd, dass der Jakobsweg woanders langgeht. Also aus der Stadt rauslaufen hätte ich jetzt auch keinen Bock gehabt, aber hier ist es einfach nur klasse und bleibt auch klasse. Ein schmaler Weg oben auf dem Berg mit schattigen Abschnitten, ab und zu eine Bank, so richtig nett. Ich lasse Fribourg hinter mir. 

Ausblick über die Schlucht und die Berge dahinter

Der schmale Weg am Abgrund entlang, ein bissel französisch und die Brücke über die Glâne

Ein bisschen bin ich aber doch traurig nun wieder alleine unterwegs zu sein. Der Weg macht vieles wett, aber es ist schon eine Umgewöhnung. Aber so ist es nun mal beim Pilgern, man kommt zusammen und dann trennen sich die Wege auch wieder. Alles hat seine Zeit. Ich komme in den Ort Villars-sur-Glâne an eine hohe Brücke, die nun über die Glâne, welcher ein Nebenfluss der Sarine ist, führt. Ein schmaler steiler Weg führt an ihr hinunter und dann geht es auf ebenen Wege weiter. 

Pilgerpause an der Glâne und die kleine uralte Brücke an der St. Apolline

Nun ist aber mal Pause angesagt. Der Fluss rauscht im Hintergrund und es ist Zeit fürs Mittagsbrötchen und Füße lüften, wenngleich man das mittlerweile nicht mehr Lüften nennen kann, da beide bandagiert sind, links in grün und rechts in blau, aber es läuft damit alles super, das ist doch die Hauptsache.  Also ich weiß auch nicht, wenn ich wieder zurückkomme, müssen die alten Einlagen wieder rein, die waren weicher und da habe ich keine Probleme gehabt. Aber vorab, es kam natürlich anders, denn die Sohle, die ich ja habe auswechseln lassen, fing an sich etwas zu lösen. Nun ist es dann wohl doch Zeit für neue Schuhe. Nun denn.

Auf geht's, weiter am Fluss entlang, schöner Wanderweg, muss ich mal sagen, heute auch mit sehr wenig Asphalt, was den Füßen, Gelenken und auch Bändern sicher gut tut. Ich komme an die kleine uralt aussehende Steinbrücke St. Apolline, sieht aus wie zur Zeit des römischen Reiches, toll. Hier gab es wohl schon im 13. Jahrhundert eine Brücke welche den Weg von Fribourg nach Bulle erschloss. Gleich dahinter die gleichnamige kleine Kapelle aus dem 16. Jahrhundert. 

Es geht über die Brücke und an der kleinen Kapelle vorbei

Es geht vom Fluss weg einen Feldweg den Berg hoch, welche in den Bois de Monterban (bois = Wald) mündet und schattig weitergeht, was ganz nett ist, da es mittlerweile wieder recht warm geworden ist. In nicht allzu weiter Entfernung sehe ich eine andere Pilgerin laufen. Ich hatte noch in Gedanken gehofft, dass wir vielleicht zusammenkommen, irgendwie hätte ich gerne jemand zum quatschen, aber es sollte nicht sein. Ich holte sie nicht ein und wir sahen uns auch nicht wieder. Nun denn. Wenig später hatte ich plötzlich wieder Alpenblick. Oh, damit habe ich nun so gar nicht gerechnet, wenngleich es ja eigentlich auch nicht so ungewöhnlich ist, denn ich gehe ja am Alpenrand entlang. Die waren mir aber für eine Weile abhanden gekommen. Schön sah das aus mit den schneebedeckten Bergen. 

Am Bois entlang mit Blick hinten auf die Alpen

Ich komme an einer Kuhweide vorbei, hier gibt es nun wieder nur die gefleckten Kühe, Almkühe gibt's nicht mehr, aber sie bimmeln auch vor sich hin, liegen alle im Gras und entspannen. Ich freue mich immer total sowas zu sehen, denn das sind Happy-Kühe, denke ich, nicht wie bei uns, wo die meisten Kühe im Stall ihr Leben fristen müssen und nie auf eine Weide kommen. Schön sieht das aus und ich beobachte sie eine Weile. Die geben bestimmt die Milch für den berühmten Gruyère-Käse, ist ja hier die Ecke.

Nicht mehr weit nach Posieux. Es geht an einer Weide mit entspannten Gruyère-Kühen vorbei

Kurz vor Posieux, meinem Übernachtungsort irre ich ein wenig umher, bekomme aber noch die Kurve und laufe die Straße in den Ort hinein. Ein Tisch mit zwei Stühlen ist vor dem einen Haus aufgebaut: Pause pèlerin, Pilgerpause, café gratuit, Kaffee gratis. Na das ist doch mal süß, das Angebot nehme ich gerne an, jetzt einen Kaffee, klasse. Auch habe ich noch ein wenig Zeit, mein Herbergsvater, so nenne ich ihn mal, ist erst ab 17 Uhr da und es ist halb. Ich sage ja, nett die Schweizer, ob nun drüben in der deutschen oder hier in der französischen Schweiz, schön. Wenig später komme ich am Haus der Familie Chatton an. Es ist eine sogenannte Accueil jacquaire, eine Herberge für Pilger, so heißen sie später in Frankreich dann auch. Es handelt sich um ein Zimmer im Hause der Familie, wie es in der Schweiz ja häufiger der Fall ist, man wohnt mit ihnen zusammen. Wir unterhalten und in einem französisch-englisch-deutsch-Kauderwelsch und ich merke wie schwer mir das mit dem Französischen fällt. Englisch ist kein Problem, aber französisch reden oder gar ein Gespräch führen, nun ja, geht so. Ich habe ein schönes Zimmer. Bin erst mal ein wenig unsicher, die beiden kleinen Kinder mustern mich und sagen was, ich kann sie kaum verstehen, wenig später kommt noch Gregorys Frau. Nach der Dusche geht es schon ein bissel besser. Oh oh, das kann ja heiter werden hier im französischen. Bis Fribourg und auch in der Herberge war alles kein Problem, jetzt aber so ab vom Schuss ist es doch wohl anders. Ja da kann man sich wieder Sorgen machen, die aber natürlich unbegründet sind, da ich im weiteren Verlauf auf Leute treffen werde, die eben doch beides sprechen. Nun denn. Zusammen sitzen wir am Tisch und essen Spagetti, trinken Rotwein, klar, das ist hier nun so Gang und gebe, und reden eben im Kauderwelsch. Nett sind die Beiden. Sie war aber auch mal Krankenschwester und hat es drangegeben, zu stressig. Hmm, ich dachte in der Schweiz wäre das besser, aber scheinbar ist es auch nicht ganz leicht. Ich spreche ihn auf sein The Clash-T-Shirt an und Irgendwann hören wir alte Lieder von The Clash und The Fall, Erinnerungen aus meinen Gruftzeiten werden wach. Spannend. 

8.6.19

Posieux nach Romont, 22 km

Ich verbringe eine Gute Nacht und morgens ein nettes Frühstück. Zum Schweizer Brot sind nun auch Croissants zugegen, der französische Einfluss ist unverkennbar. Ich verabschiede mich von den Beiden und gehe bei Sonnenschein wieder meiner Wege, noch eben beim Bäcker vorbei, überquere die zum Genfer See führende Autobahn und komme wenig später in Posat an. Ein Wegweiser besagt, dass wir uns auf 676 m Höhe befinden und es bis Romont 4:50 Stunden sind. Nun, Maika wird da bestimmt 7 Stunden draus machen :-)

Mittlerweile kann ich meine Geschwindigkeit gut einschätzen, somit kann ich mit den Stundenangaben auch was anfangen. Aber etwas kurioses hatten wir ja vor Fribourg gehabt. Da hieß es: ist nur noch eine Stunde bis Fribourg, wir wunderten uns schon wie schnell wir unterwegs waren, dann waren es wenig später aber 1:45 Stunden und so ging das irgendwie weiter. Sehr eigenartig. Nun denn, in Posat gab es eine kleine Kapelle, die ich besuchte, welche eine katholische mit alten Wandmalereien war und laut meinem Wanderführer ein vielbesuchter Wallfahrtsort ist. Darinnen ein Vater mit seiner Tochter, wir kamen ins Gespräch. Ist ja schon jetzt doch eigenartig finde ich, da ich ja nicht weiß, ob diejenigen deutsch sprechen. Also auf französisch ein Gespräch zu führen, das haut noch nicht so ganz hin, da muss ich noch ein bissel lernen. Aber nach kurzer Zeit bekommt man das schon mit und somit redeten wir ein wenig, was sehr schön war, weil er deutsch konnte. Seine Tochter konnte auch deutsch, wächst 2-sprachig auf. 

Die kleine Wallfahrtskapelle von Posat

An Teufelskralle mit riesigen Blüten und viel Waldmeister ging es nun einen schmalen Weg runter zum Fluss, immer noch die Glâne, die hier jetzt etwas schmaler unter der kleinen Brücke hindurch rauscht. Gegenüber ging's genauso steil wieder hoch, auf einem Hochplateau entlang und dann über Gersten-und Roggenfelder mit schönen Aussichten auf die schneebedeckten Berge Richtung Autigny.

Glâne-Überquerung

Landschaft Richtung Autigny und links hinten sieht man die Alpen

Kurz vor dem Ort besagt das Generell 50-fahren-Schild, welches in der Schweiz ja überall steht und was ich ganz witzig finde, da es sich für mich anhört, als ob generell 50 mal nicht schlecht wäre: Limite générale. Aha, das ganze gibt's also auch auf französisch, ich muss schon schmunzeln. Andere Länder, andere Schilder :-)

Autigny mit dem kleinen Hotel de l'Ecu und der hübschen Kirche. Na und generell 50 gell?

Die nette Kirche von Autigny

Le temps est venu, faites une pause: Die Zeit ist gekommen, machen sie eine Pause. Wieder ein Stuhl, ein Tisch und was zu trinken. Finde ich total süß, aber ich gehe weiter zur Kirche, habe doch noch einen langen Weg vor mir. Am Hotel de L'Ecu mit seinen roten Fensterläden vorbei und gleich neben dem Magasin (wohl so ein Tante Emma-Laden, würde ich mal vermuten) ging's geradewegs in die Pfarrkirche Saint-Maurice zum Stempelholen und gucken. Sie ist hell und im schlichten Barock gehalten, sehr angenehm. Es geht über hügeliges Gelände, landwirtschaftlich genutzt weiter Richtung Romont. Es herrscht bestes Wanderwetter, sonnig, ein leicht kühlender Wind, angenehme Temperaturen. Ich komme gut voran und fühle mich fit. Also wenn ich bedenke wie desolat ich losgelaufen bin und wie ich jetzt hier unterwegs bin, das ist schon ein gravierender Unterschied, ich freue mich sehr darüber, hatte anfangs ja doch enorme Zweifel gehabt. Auch die Füße machen nun gut mit, schön bandagiert, so verschwinden die anfänglich beginnenden Blasen an der rechten Außenseite und unter dem rechten großen Zeh ist nichts mehr zu sehen, schön. Auch die Bänder mucken nicht mehr rum. Heute ist wieder einiges an Asphalt zu laufen, was doch die Füße schneller ermüdet. 

Es geht hügelig durch landschaftlich genutztes Gelände

Ich komme ins kleine Örtchen Chavannnes-sous-Orsonnens, besuche die süße Kirche, die oben auf einem Hügel steht und auch mit ganz alten noch sichtbaren Malereien an den Wänden verziert ist. Hier ist auch der St. Jakobus mit seinem Pilgerstab zu sehen. 

In Chavannes-sous-Orsonnens besuche ich die kleine Kirche auf dem Hügel

Kurz nach Orsonnens komme ich an einen Pferdehof. Das Wasser ist mir ausgegangen, ich brauche neues, was heißt das jetzt noch auf französisch? Ein bissel unheimlich ist mir das schon. Es kommt ein junger Mann mit Mistgabel aus dem Stall, den frage ich: Vous avez un peu de l'eau pour moi? Oui bien sûr! Na geht doch :-) Ich freue mich immer total wenn mein Gegenüber mich dann auch versteht, toll. Er bringt mir aus dem Haus frisches kaltes Wasser, ich verabschiede ich und gehe meiner Wege. Irgendwann mache ich auf einer Wiese in den Bergen Pause, der angenehme Wind weht mir um die Ohren, das Brot ist nun mit Gruyère bestückt und sehr lecker. 

Pilger-Impressionen

Weitergehend über den nächsten Hügel kommend habe ich schon mal einen ersten Blick auf Romont, was nicht allzu schwer ist, denn hier wird gerne oben auf dem Berg gebaut, wie auch in Fribourg. Oben auf einem Berg sieht man die Stadtmauer, das alte Schloss, die Kirche, toll sieht es aus. Na dann mal zu. 

Der Jakobsweg geht zur Abtei Fille-Dieu und zur Straße. Ich sehe aber am Romontberg einen tollen Weg, der sich den Berg hochschlängelt, den nehme ich, also links abgebogen, statt rechts. Kurze Zeit später komme ich auf den Kiesweg. Meine Blase drückt mittlerweile gewaltig. So auf den offenen Wiesen wollte ich jetzt auch nicht pieschern, zumal ab und an immer wieder Radler vorbeikommen. Ich gehe bergauf, bete um eine Bank, die dann auch just auftauchte. Schön, es ist echt nochmal Zeit für eine Pause, auch wenn ich schon fast im Ort bin. Mir alles egal, ich muss pieschern und hocke mich einfach neben die Bank auf den Boden, hoffe dass keiner vorbeikommt und schaue derweil runter auf die Straße und den Verkehr da unten, spannend. Gut ausgeruht, noch ein paar Kekse und ein Getränk, mache ich mich an den weiteren Aufstieg. In der Ferne kann ich die Alpen wieder sehen, ganz schön viel Schnee. Da ist auch einer, der ist total nur weiß, also ein großes weißes Dings. Hmm, was das wohl ist?

Der Weg den Romont-Berg hoch

Die schöne Aussicht vom Schloss 

Oben angekommen komme ich am Schloss mitten in eine Hochzeitsgesellschaft, voll was los hier. Nun ich suche erst mal meine Unterkunft auf, auch muss ich schauen, ob ich noch schnell was einkaufen kann, morgen und übermorgen ist Feiertag: Pfingsten. Ich weiß ja nicht wie die das hier so handhaben, muss aber damit rechnen, dass alles zu ist. Und da ist noch ein Magasin (Laden), schnell rein, es ist kurz vor vier und um vier macht der zu. Noch ein frisches kühles Quöllfrisch ergattert, Käse und Brötchen, schön. Es geht an der großen Kirche vorbei und runter zur Grand Rue. Ich komme heute bei Familie Dernierre unter. Ich stehe vor dem Es-geht-so-aussehendem Haus und denke mir schon: oh je, das kann ja was werden. Durch ein schmales Treppenhaus komme ich oben an, klopfe, Tür ist auf. Ich werde nett von Frau Dernierre begrüßt. Er sitzt vor dem Fernseher und sagt ein Bonjour, sie kann Gott sei Dank deutsch, kommt ehemals aus der deutschen Schweiz, schön. Mein Zimmer ist dann aber echt der Hammer. Tolle Hammer-Aussicht mit Blick auf die andere Seite des Romontberges, auch das Juragebirge ist auszumachen, mit kleinem tollem Balkon mit Strippen fürs Wäscheaufhängen. Sie macht mir gleich einen Kaffee und bringt eine Karaffe Wasser. Wow, damit hab ich ja nun gar nicht gerechnet, als ich vor dem leicht schäbig aussehendem Haus stand. Toll!

Meine Naja-aussehende Unterkunft in der Grand Rue mit der Eglise des capucins daneben und mein kleiner Balkon mit Wäscheleine und Ausblick

Das mittelalterliche Romont erstreckt sich auf einem rund 1 km langen und 600 m breiten Berg, der wohl während der letzten Eiszeit entstanden ist, wie mein Wanderführer sagt. Der Name des Ortes wird von rotundus mons abgeleitet, was runder Berg bedeutet, besser kann man es nicht ausdrücken. Der neuere Teil der Stadt liegt unten im Tal, ist aber eher uninteressant für Pilger. Toll dass ich hier so zentral und gut übernachten kann. Und natürlich ist es compris le petit déjeuner (inklusive Frühstück), welches auch echt lecker und reichhaltig war am nächsten Morgen.

Steil geht es die Treppe hoch und oben hat man die tolle Aussicht ins Land

Nachdem ich eine Dusche genossen, meine Wäsche zum Lüften auf die Balkon-Wäscheleine gehängt und meinen Kaffee ausgetrunken hatte, machte ich mich nochmal auf den Weg eine kleine, jedoch steile Treppe, die l'escalier de l'église, hoch zur Stiftskirche Maria Himmelfahrt zum Stempel abholen. Sie ist eher schlicht gehalten mit hohen Steinsäulen, tollem Chorgestühl und einem schönen Bild im Kirchenvorraum. Im Hintergrund singt der Chor, der gleich im Gottesdienst aktiv werden wird, sie proben, schön hört sich das an. 

Die Stiftskirche mit ihren schönem Interieur

Dann ging ich nochmal am Schloss vorbei. Im Innenhof trötete eine Blaskapelle vor sich hin, viele Hochzeitsgäste standen da, unterhielten sich und tranken Sekt. Ich schmuggelte mich so ein wenig dazwischen. Hier ist auch das Glasmuseum beheimatet, Romont ist das Zentrum der Glasmalerei in der Schweiz. Die ein oder anderen Glasarbeiten kann man im Innenhof bewundern, als auch später in der Kirche. Das Museum selbst ist ja nicht so meins, bin nicht so der Museumsgänger.

Das Schloss von Romont mit dem Brunnen davor

Ich will viel lieber nochmal zur Alpenaussicht, die ja von hier aus toll ist. Und ach klasse, da ist ein Bild mit allen Bergen drauf, die alle auch benannt werden und auch die Höhenmeter. Mal sehen was das große weiße Dings da sein soll. Ich fall vom Glauben ab, damit habe ich ja hier nun noch gar nicht gerechnet. Neben dem Weg am Thuner See entlang, den ich unbedingt gehen wollte, auch wenn ich noch nicht gesund bin und wenn es das einzige ist, was ich hier tue, hatte ich im geheimen noch den großen, großen Wunsch den höchsten Berg Europas zu sehen: den Mont Blanc. Das große weiße Dings da hinten ist der Mont Blanc, 4810 m, Hammer! Ich freue mich total, kann's kaum glauben. Happy! Daneben an der Touriinfo besagt ein Schild, dass es von Romont nach Compostelle noch 2000 km sind, ich werde also die 2000er-Marke knacken, toll. Auch wünscht es einen "buen camino" und "ultreia", der Ruf der Pilger, nett, danke!

Blick vom Aussichtspunkt auf den Mont Blanc (rechts) und es sind nur noch 2000 km bis Santiago

Ich bin zwar viel gelaufen heute, aber ich mache mich doch noch auf den Weg die Stadtmauer, die komplett erhalten geblieben ist, zum Teil zu umrunden, ab und an kommt ein Turm in Sicht. Haus an Haus stehen sie da auf dem Berg mit kleinen süßen Gärtchen davor und alle mit toller Aussicht auf das Juragebirge, dem ich ja dann am Genfer See nahe kommen werde. Bin gespannt. Mittlerweile fühle ich mich so fit, dass ich nicht mehr wirklich daran zweifel auch in Genf anzukommen, nun wir werden sehen. 

Umrundung der Stadtmauer, hier der Blick auf die andere Seite

Irgendwann komme ich wieder in meinem Zimmer an, setze mich auf den Balkon und esse mein lecker Abendbrot, zum Nachtisch gibt es Maoam, mmh lecker! Meine Wäsche ist nun gut durchgelüftet, Binden zusammengewickelt für morgen, Klamotten zurecht legen. Morgen soll es leider nicht so klasse mit dem Wetter werden, schade. Nun mal sehen. Ich mache die Fensterlädchen zu, das finde ich ganz wunderbar, dass hier viele Häuser eben diese Vorrichtung haben, dann ist es richtig klasse dunkel in den Zimmern. Nicht so wie im Kloster in Fribourg, da war rein gar nichts davor, ist im Sommer nicht so der Hit, nun die schnarchenden Kandidaten haben einen eh ziemlich wach gehalten, da machte das helle am Morgen den Kohl auch nicht mehr fett. Mensch bin ich kernig, ich freue mich darüber. Meine Augen machen auch ganz gut mit, ab und zu brennt es mal ein wenig, geht aber, halt viel Augentropfen, viel hilft viel. Die Kopfschmerzen halten sich auch sehr in Grenzen, schön!.

Abendstimmung vom Balkon aus

9.6.19

Romont nach Vucherens, 18 km

Es ist bedeckt. Nun Hauptsache kein Regen. Wir sitzen gemeinsam am Frühstückstisch und reden, deutsch zum Glück. Sie erzählte mir, dass die Französisch-Schweizer die Zahlen anders benennen, als die Franzosen, was die Franzosen sich über sie lustig machen lässt. Wenn ich ehrlich bin, finde ich die schweizer Variante der Zahlen 70 bis 99 wesentlich besser. Im Französischen muss man da rumrechnen, wie bekloppt: soixante-dix (60 + 10), also 70 und noch krasser die 80: quatre-vingt (4 x 20) und 90 quatre-vingt-dix (4 x 20 + 10). Im schweizer-französischen heißt es einfach soixante, septante, huitante usw. Viel einfacher :-) Nun, wenn man die deutschen Zahlen erklären will, auch nicht viel besser :-) Ich finde es immer sehr spannend was über Land und Leute, Gewohnheiten und Gepflogenheiten zu erfahren. 

Wenig später ging ich dann los. Ich ging die Rue de Château entlang, welche mit sämtlichen Fahnen aufwartet, die an einer Schnur über die Straße gespannt sind (Schweizer Fahne, Kanton Fribourg-Fahne, Romont-Fahne), dann den Berg runter zur Neustadt, die nicht so der Hit ist.

Heute ist Sonntag, nicht viel los. Ich laufe zick-zack durch die Straßen, passiere die Bahngleise, laufe durch ein Gewerbegebiet und komme wenig später am Gebetsort: Notre Dame des pauvres vorbei, eine ich sage mal Mariengrotte, wenngleich ohne Grotte, halt ein Platz um in sich zu gehen, zu beten (zu Maria) und Danksagungen (in Steinen gemeißelt) dazulassen. Ganz viele "Merci" sind dort aufgehängt und ein kleines ewiges Feuer brennt, schöner Ort. Priez pour nous, bete für uns, steht da geschrieben

Die Stadt Fribourg und der Kanton sind katholisch, das ist nicht zu übersehen und ich finde es ganz wunderbar, denn ich kann mit den Ein-Tisch-und-ein-paar-Stühle-Reformierten-Calvin-Kirchen nicht viel anfangen. Aber heute wird es in einen neuen Kanton gehen. So viele Kantone wie auf dem Weg nach Interlaken werde ich dieses Mal nicht passieren: Bern, Fribourg, dann kommt jetzt Waadt oder auf Französisch Vaud und zum Schluss Genf (Genève). Moaom-essend geht's weiter den Berg hoch als es langsam anfing zu pieseln. Okay, Regenkluft rausholen bevor es schlimmer wird, gut vorbereitet sein. Noch ein Blick zurück zu den Bergen, die im Dunst verschwinden und nach Romont, was da auf seinem Hügel thront, dann geht's weiter über Feldwege hoch zum Sendemast, der höchste Punkt des heutigen Tages. Nun ist kein so schlimmer Aufstieg, der Abstieg runter hatte es aber in sich: 300 Höhenmeter und dann mittlerweile im strömenden Regen, ganz toll. In den Serpentinen weiter unten kann ich einen anderen Wanderer oder Pilger erkennen, aber auch den werde ich nicht einholen und auch nicht wiedersehen. 

Bergauf kurz vor Le Glaney

Viele Mohnblumen säumen den Weg, welche dem trüben Grau des Wetters mit ihrer kreisch-orangenen Farbe entgegenwirken. Ich kann den Kirchturm von Lovatens ausmachen, welcher sich dann aber im Ort nicht als Kirche erweist, sondern als Dorfschulhaus. Na toll und ich hatte auf einen trockenen Pausenort gehofft. Es sollte wohl noch eine Kapelle geben, aber da bin ich wohl dran vorbeigestürmt, auch an der Kantonsgrenze, ich befinde mich nun in Waadt/Vaud, bin ich rasant vorbei marschiertIm französischen Schweizteil ist es auch nicht so klasse gemacht mit den Wegweisern, wie in der deutschen Schweiz, hier ist das Wappen nicht mit aufgedruckt. Das fand ich immer so klasse, da wusste man immer wo man war und überhaupt sah es gut aus. Ich habe nur ganz selten in Fribourg das Wappen gesehen und in Vaud nur an Fahnen, davon aber reichlich: Liberté e Patrie, Freiheit und Heimat. Wow! Das sind Worte, die mir noch gefühlte 1000 Mal begegnen werden :-) Wie dem auch sei, ich stapfte also im militärischen Marschschritt aus Lovatens raus weitere 100 Höhenmeter runter nach Curtilles.

Mohnumrandeter Weg vor Lovatens

Oh man, jetzt mal Pause wenigstens unter einem Häuserdach zum Maoam rauskramen und mampfen, Nervennahrung. Der Regen geht mir echt auf den Keks. Wenig später geht's weiter, ich komme unten am Fluss Broye an, der schnurgerade seine Bahn zieht und daneben einen Schotterweg aufweist, den ich nun triefend langstapfe. Auf der gegenüberliegenden Seite die Bundesstraße, schön ist anders. Nach einigem Gekrampfe, um meinen iPod rauszuholen, damit ich ein bissel mit Musik gehen kann, leider aber feststellte, dass der komplett ohne Saft ist, ihn also frustriert wieder in die Tasche stopfte, ging es weiter. Pünktlich zum Hinhocken und pieschern hörte es auf zu regnen, um kurz danach wieder volle Kanne loszulegen. Nun denn, danke zumindest dafür. Endlich kam ein überdachter Rastplatz in Sicht. Ich bin nun am Stück fast 15 km durchgewandert und nun brauche ich Pause, dann eben nicht in einer Kirche, sondern hier. Schade nur, dass das Dach des überdachten Rastplatzes nicht dicht war, na toll. Trotzdem ein Brötchen reinschieben und weiter im Stechschritt nach Moudon rein, wo gerade ein schönes, aber leider völlig verregnetes Musikfestival stattfand, das Festi musique Moudon. Davon hatten mir die Jungs schon erzählt. Wir sind ja immer noch im Whats app-Kontakt und die waren ja gestern hier gewesen und hatten viel Spaß bei Sonnenschein und Getränk. 

Moudon an der Broye gelegen, das verregnete Fest und die Kirche St. Étienne

Die Altstadt an der Broye gelegen ist eigentlich ganz schön, mich zieht's aber in die nächste Brasserie, die komischerweise, naja wen wundert's, proppenvoll war. Egal, hinsetzen und erst mal einen Rotwein bestellen, das Wetter schön trinken, naja und einen Café Crème. Ich habe beschlossen den Bus nach Vucherens zu nehmen, keine Lust mehr auf Regen, das hört heute auch nicht mehr auf, sagt meine App, womit sie auch recht behielt. Zu mir setzten sich ein deutsches Pärchen, wir schnackten ein wenig, schön, freue ich mich. Ich schulter meinen Rucksack, mein Bus kommt bald und ich will noch in hiesige Kirche gehen mir einen Stempel holen. Gerade ist Musikpause, da kann ich mal schnell rein hüfen. 

Die Kirche ist eher schlicht gehalten, aber mit tollem Chorgestühl

Wenig später sitze ich in einem warmen trockenen Bus, der mich wiederum später in Vucherens raus lässt. Ist schon toll mit dem Nahverkehr hier in der Schweiz und das sogar sonn-und feiertags, toll. Ich stapfe den Berg hoch zu meiner Pilgerunterkunft bei Familie Bünzli, die nur noch aus Herrn Bünzli besteht. Nun, wie das Leben so spielt. Er erzählte mir auch was passiert ist, was ich jetzt hier aber nicht erzählen werde, ist doch zu persönlich. Er konnte zum Glück gut Deutsch und zeigt mir mein Zimmer mit kleiner Küchenzeile und was der Oberhammer war, mit Waschmaschine und Trockner nebenan, na nichts wie los und richtig Wäsche waschen, alles rein und sauber, toll. Auch gab es ein Heizmodul, was den Raum schön wärmte, denn es ist doch mittlerweile ob der vielen Regnerei auch frisch geworden. Es war liebevoll eingerichtet mit dem ein oder anderen Spruch hie und da: Les clé du bonheur se trouvent dans ton coeur, Die Schlüssel zum Glück befinden sich in deinem Herzen. Es gab Pilgerlektüre, einen Stempel und ein tolles mit Mosaiksteinchen besetztes buntes Klo, das hat wohl seine künstlerisch begabte Exfrau gemacht. 

Meine schöne Unterkunft in Vucherens

Er spendiert noch ein schönes kühles Bier, der Abend war gerettet. Essen hatte ich ja genug, Maoam gab es auch noch, so konnte ich den verregneten Tag schön ausklingen lassen. Schön wenn es am Ende so schön gut wird. Da ich ja durch meinen Pilgerblog nun auch in Facebook unterwegs bin, schaue ich da immer wieder rein, poste was oder bekomme was gepostet, damit kann man sich den Abend auch versüßen. Die Jungs teilten mir via Whats app mit, dass sie nun in Lausanne ganz toll mit super Ausblick runter zum See angekommen sind (es hatte noch ein wenig dort aufgeklart, so konnte man den See und die dahinter liegenden Berge so ein wenig erkennen). Oh oh, war wohl in der Jugendherberge nichts mehr frei, will nicht wissen was die bezahlt haben. Ja ist mitunter nicht so klasse und in der Schweiz schon mal gar nicht und in Lausanne noch weniger, wenn man sich erst kurz vorher um die Unterkunft kümmert, kann echt schief gehen. Lausanne ist echt unbezahlbar, genauso wie Genf, wo ich ja eigentlich im Hostel übernachten wollte. Da ich aber einen Tag früher in Genf einreiten werde, als ursprünglich vorgesehen, hatten die nichts mehr frei, somit komme ich in einer Airbnb-Unterkunft unter, die dann aber auch noch bezahlbar war, aber grenzwertig, dazu aber später. Morgen geht es also auch für mich nach Lausanne, toll. Mal sehen ob sich das Wetter doch noch ein wenig bessert, wäre schon toll, denn der Weg nach Lausanne runter soll toll sein mit tollen Aussichten. Ich sage nur :-)

10.6.19

Vucherens nach Lausanne,

9 km mit viel Regen, Bus und Métro :-)

Es regnet und das nicht zu knapp. Irgh! Irgendwann soll eine Lücke kommen, zeigt meine Wetterapp. Ich lasse mir Zeit mit dem Losgehen, entscheide den Bus bis nach Montpreveyres zu nehmen und von da aus weiterzugehen, da soll dann eine Lücke sein, nun mal sehen. Nach einem guten Frühstück mit Herrn Bünzli (ich kann die Herberge nur empfehlen, ganz toll, überhaupt sind die Herbergen toll, finde ich und die Leute unheimlich nett) ziehe ich das Ganzkörperkondom an und gehe den Berg runter zur Haltestelle. Bus 62 Epalinges, Croisettes, Vorort von Lausanne und Métrostation. Als ich Montpreveyres ausstieg hatte es tatsächlich aufgehört zu regnen, hatte meine App doch recht gehabt, toll. Ich freue mich, schaue auf meine Wanderapp und freue mich doppelt, dass der Wanderweg genau hier an der Haltestelle anknüpft, na geiler geht's doch nicht. Nur komisch, dass ich nirgendwo ein Jakobswegschild finden kann. Nun was soll's, wird schon richtig sein und der Weg ist schön. Es geht von der vielbefahrenen Straße ab, einen Berg hoch und einen einsamen Asphaltweg entlang. 

Tatsächlich kommt sogar die Sonne kurz raus, in den Wäldern hängen noch die Nebelschwaden. Ja aber wie geht es nun weiter? Aus meiner Wanderapp werde ich nicht wirklich schlau und weit und breit kein Zeichen in Sicht. ich entscheide mich den Berg links runterzugehen, lande dann aber wieder auf der vielbefahrenen Straße, dachte vielleicht geht hier ein Radweg oder so lang, aber nichts, gar nichts. Na toll. Mir ist schon häufiger aufgefallen, dass der gpx-Track nicht mit dem eigentlichen Weg übereinstimmt, da habe ich im letzten Jahr auch schon mal was diesbezüglich bemängelt, scheinbar habe ich nun das gleiche Problem. Ganz klasse, wie kommt man darauf, hier an der Hauptstraße langzugehen, das geht doch gar nicht. Die Autos brettern vorbei, nee, ich gehe zurück, den Berg hoch und lotze mich mit meiner Wanderapp oben lang in den Wald hinein, davon hatte der im Wanderführer auch gesprochen, der übrigens auch nicht so klasse ist, zu wenig Details. Vanessa hatte die neueste Ausgabe von dem Outdoor-Wanderführer, der ist doppelt so dick, ist auch nötig, kann ich nicht anders sagen. Meiner ist nicht der Hit, habe es aber nicht als Problem gesehen, da ich eben die App habe und die Wege in der Schweiz einfach gut ausgeschildert sind. 

Wegweiser mitten im Wald, aber wo führen sie hin?

Nun steh ich hier im Wald und es fängt nicht nur aus Kübeln an zu regnen, sondern dazu noch heftigst an zu gewittern mit lautem Donner und dem kompletten Programm, ganz klasse. Ich stehe unter einer Buche, ist nun auch egal, ist Wald, wo soll man sonst stehen. Ein bissel schützt sie und ich hoffe das alles gut geht, bin total genervt, so ein scheiß und jetzt reicht's. Wenig später komme ich an einen Wegweiserstein, nach links der gelbe Pfeil, nach rechts geht's nach Lausanne. Sollte das jetzt der Jakobsweg sein oder nicht? Ach was weiß ich, ich gehe Richtung Lausanne.

Schön grün, aber sehr feucht

Irgendwann kam ich in einen Ort mit Bushaltestelle, stieg da wieder ein und fuhr nun nach Epalinges. Raus aus dem Bus, rein ins Café das Wetter schön essen mit einem Schokocroissant, einen schönen Café crème und schön warm. Es kübelte und schüttete, ich musste mich nun mal damit abfinden, dass ich nicht mit schöner Sicht auf den See nach Lausanne reinlaufen werde, nee, ich werde hier überhaupt nicht mehr laufen. Schön aufgewärmt wartete ich eine kurze Regenpause ab um nach drüben zur Métrostation zu joggen, bevor es wieder losgeht. Nun hocke ich da in der vollautomatischen Métro, spannend. Man kann auch gar nicht auf die Gleise fallen, da die Bahn komplett durch Außentüren abgeschirmt ist, also wie in einem Käfig, die sich erst öffnen, wenn die Bahn angekommen ist, alles vollautomatisch ohne Schaffner.

Es gibt in Lausanne zwei Métros, wobei ich die M2 nahm, welche erst 2008 fertig gebaut war. Epalinges liegt auf einer Höhe von 711m, die Endstation Ouchy-Olympique auf 373 m, also 336 Höhenmeter, sie weist damit den größten Höhenunterschied aller U-Bahnen der Welt auf. Ich find's toll hier jetzt in der Métro zu sitzen und auch sehr spannend. Ich steige Bessiéres aus, da es in der Nähe der Kathedrale Notre-Dame ist, die möchte ich doch noch besuchen und mir einen Stempel holen. Auch muss ich noch was einkaufen. Ich stehe an einem Fahrstuhl, welches Stockwerk? Nun ich nehme das wo die meisten aussteigen. Es handelt sich wieder um so eine 2-stöckige Brücke, also mit 2 Ebenen, ich steige ganz oben aus, damit ich auf den Kathedralenberg komme. 

Die schöne Kathedrale Notre-Dame von Lausanne

Ich springe in die Kathedrale, endlich dem Regen entkommen. Sie ist schlicht gehalten, Frühgotik mit hoher Decke, tolle Orgel und schönen Kirchenfenstern. Und einen schönen Stempel gibt es auch. Ich halte mich eine Weile hier auf und mache mich dann auf den Weg zur Bushaltestellte, denn der Bus soll mich in die nächste Nähe der Jugendherberge bringen, die doch ganz schön ab vom Schuss ist, stelle ich gerade fest. Nun kann man nichts machen, isso. Der kommt in 6 Minuten, sagt mir eine Digitalanzeige, na das ist doch mal klasse. Da braucht man auch nicht französisch zu können, das Verkehrssystem hier mit Bus und Bahn versteht auch jeder Doofe, toll finde ich das. Ich lasse mich also mit dem Bus durch den strömenden Regen fahren, steige an der Endhalte aus, irre durch die Gegend an einem riesigen Kreisverkehr und schaffe es dann doch unterirdisch drunter durch (hier gab es mal was schönes, buntes zu bewundern bei all dem Grau, tolle Graffiti), komme an einem Schild vorbei: Vallée de la jeunesse (na hoffentlich ist die Jeunesse, Jugend, nicht so laut :-) , um irgendwann klitschnass in der Jugendherberge anzukommen.

Endlich angekommen im Valée de la jeunesse und in der Jugendherberge mit netter Hängematte, mit Regen jedoch nicht so klasse

Ein wenig muss ich noch warten, bis das Zimmer sauber ist, dann kann ich rein, bin die erste, das ist schon mal gut. Nun was soll ich sagen? Von den Jugendherbergen, die ich bisher kennengelernt habe ist dieses Zimmer mit Abstand das ollste. Alte Betten, der Schrank fällt fast auseinander, kurze Zeit später hab ich auch die halbe Tür in der Hand. Dafür ist es auch die günstigste von allen. Nun annehmen und weitermachen. Ich richte mir mein Bett unten schon ein bissel höhlenmäßg ein und gehe erst mal duschen, die Duschen sind okay. Da ich so früh dran bin ist alles leer, ist doch auch was. Nun sitze ich auf dem Bett und schaue aus dem Fenster, es strömt und strömt, mich kriegen keine zehn Pferde da in die Pampe raus, nee! Ich hoffe das wird noch besser. Da macht sich glatt wieder eine Sorge breit, was ist wenn nicht? Abbruch? Habe ich ja auch noch nicht gemacht. Aber was ist mit meinem Flug von Genf, soll ich den aufgeben? Oh Shittenkram und unnützerweise erzählten mir dann noch die Jungs, die ja nun schon wieder aus Lausanne raus gewandert waren, dass sie in St. Prex abgebrochen haben. Die Wetterapp sagt nichts gutes und Richard hatte keine Lust mehr auf nasse Füße, so erzählte Josef. Oh oh. Nun hocke ich also auf dem Bett und schaue aus dem Fenster in den Regen. Draußen ist ein kleiner Innenhof, es hängt eine Hängematte traurig und triefend zwischen zwei Bäumen. Ab und zu schaut mal ein Kopf aus den Zimmerfenstern gegenüber raus und verzieht sich wieder. Was soll man machen, ich döse so vor mich hin. Plötzlich wird die Tür geöffnet. Ja vielleicht treffe ich einen Pilger hier, in der Jugendherberge, wäre ja möglich und wahrscheinlich, aber nee, es kommt eine Chinesin rein, na toll, die sind auch überall. Aber sie ist eine nette, heißt erstaunlicherweise Steffi, kann gut englisch und reist ein wenig rum. Wir quatschen ein wenig. Sie macht sich aber doch tatsächlich auf den Weg mit Regenschirm ins Sauwetter und will sich irgend so ein Gebäude anschauen, was ganz toll sein soll, habe den Namen vergessen. Nun denn, so hocke ich hier wieder alleine. Da geht wieder die Tür, noch eine Chinesin. Man Leute, das ist doch nicht euer Ernst. Die letzte im Bunde ist eine Französisch-Schweizerin, die kein Deutsch kann. Nun wir können alle englisch, dann eben so. Sie wird morgen in Lausanne ihr Examen machen und muss früh aufstehen. Die andere Chinesin ist geschäftlich hier und hat morgen früh ebenfalls Termine. Weit und breit kein Pilger. Schade. Ich setzte mich später in die Mensa und schreibe, schaue mir die weitere Tour an und auch die Wetteraussichten. Nun kann so oder so kommen, so ganz schlau werde ich nicht draus. Ich habe eine Etappe nach Gland, die 26 km lang ist, ich entscheide mich dagegen und ändere die Etappen, das Ganze dann am Telefon auf französisch. Ich schreibe mir den Text zuvor auf und dann klappt es tatsächlich immer besser mit dem französisch reden und auch telefonieren. Toll. Alles geändert, kein Problem.

Nun werde ich also nicht in Gland übernachten, sondern vorher schon, damit der Weg nicht so weit ist. Aber erst mal abwarten aufs Wetter, denn ich habe überhaupt keine Lust mehr auf Regen. Es kommt eine Gruppe rein, die sich ihr Abendessen am Tresen abholt. Da ist auch so ein toller Salat-Tresen, der mich total anlacht. Da viel übrig bleibt frage ich nach, für einen Aufpreis kann ich mir einen Salatteller kreieren, der ist Oberhammer. Immer nur Käsebrot ist dann auch nicht so der Hit. Am Tisch sitzt ein Typ mir gegenüber, ich spreche ihn einfach an, er ist Italiener und ist mit dem Rad unterwegs. Wir können uns prima auf Englisch verständigen und labern eine Weile. Er will morgen den ganzen Genfer See runter radeln bis nach Frankreich, weil da irgendwo ein Fest in Annecy ist, welches über 100 km entfernt ist, nun wer's braucht :-) Es war bei einem Glas Wein noch ein sehr netter Abend. Im Zimmer haben wir uns auch alle noch ein wenig unterhalten und sind dann auch eingeschlafen. Da bin ich schon fast in den Genfer See gefallen und habe noch nichts davon gesehen. Mal sehen wie es morgen damit ausschaut. Ob beten hilft?

11.6.19

Lausanne nach Morges, 19 km

Früh standen die Damen auf, ich blieb noch etwas liegen. Ein Blick nach draußen: Beten hat geholfen, es hat endlich aufgehört zu regen und meine WetterApp teilte mir mit, dass das auch so bleiben könnte. Ich habe heute einen kürzeren Weg vor mir, 14 km nach Morges, weil ich mir noch etwas Zeit für Lausanne lassen möchte, denn die Stadt hat ja einiges zu bieten, eine schöne Altstadt mit der Kathedrale, in der ich ja gestern schon war, einen tollen Blick von oben (bei der Wetterlage sollte ich doch vielleicht den See sehen können), der See selbst, das Olympische Komitee (Comité International Olympique), denn hier in Lausanne ist ja der Sitz. Und vielleicht noch das Olympische Museum, mal sehen. 

Blick von oben auf den Genfer See (na endlich!) und dem Garten des Olympischen Museums

Nach einem leckeren Frühstück machte ich mich auf zum Bus, der mich in Richtung See brachte und zum Olympischen Museum, welches ich dann aber doch nicht besuchte, erstens war es tierisch teuer und zweitens ist das Interesse dann doch nicht so groß. Ein großes Areal, man konnte einige Skulpturen erkennen von oben (sowas finde ich dann schon wieder toll, aber eben zu teuer alles) und nette Elektrohauskunst am Eingang. 

Eingang zum Museum und dessen schöne Elektrohaus-Kunst

So entschied ich mich also nach einigen Irrungen runter zum See zu gehen und Richtung Metrostation Ouchy-Olympique, welches auch der Schiffsanleger war. Ein netter Weg führte am See entlang, so langsam lichteten sich auch die Wolken. Nach einer Weile merkte ich jedoch, dass ich in die falsche Richtung aus Lausanne rausging, also wieder wenden und den Bus nehmen, macht nichts, ich kann umsonst fahren, das ist das tolle, wenn man in schweizer Jugendherbergen übernachtet. Am Anleger angekommen kam glatt die Sonne raus, was den See dann doch freundlicher aussehen ließ. Hinten konnte man die Alpen erkennen, aber nicht ganz klar. Der Genfer See (Lac Léman) ist der größte See sowohl Frankreichs als auch der Schweiz. Er ist nach dem Plattensee (Balaton) in Ungarn der zweitgrößte See Mitteleuropas. Gespeist wird der Genfersee (oder Genfer See, ist wohl egal wie man es schreibt) vor allem durch die Rhône, die ja dann später durch Genf fließt und weiter nach Frankreich und irgendwann ins Mittelmeer, schon toll. Ich werde heute also meinen Weg an eben diesem See beginnen, aber erst mal ist noch Lausanne dran.  Lausanne ist die fünftgrößte Stadt der Schweiz und Hauptort des Kantons Waadt bzw. Vaud und liegt schön am Genfer See und hat, wie ich schon sagte die U-Bahn mit dem steilsten Gefälle der Welt, cool. 

Nun stehe ich aber am Anleger am See, die Sonne scheint, es ist total schön hier. Viele Segel-und Sportboote tummeln sich im Hafen und auch ein Schiff der Genfer Flotte, ein Raddampfer, ist zugegen. Es gibt einige historische Schiffe, die hier verkehren. Man kann hier das Schiff nach Genf nehmen, welches dann gute drei Stunden dauert, aber nein, ich will wandern :-)

Ein großes weißes "C" steht dort im Wasser, es ist die Windfahne Eole. Sie hat einem Durchmesser von 20 m, richtet sich an der Ufermauer des Hafens von Ouchy je nach herrschender Windrichtung aus. Aha, schön. Dann gibt es noch eine nette Skulptur, die die Schiffe am Hafeneingang empfängt, mit dem Namen  "Öffnung auf die Welt" Aha, interessant! Sieht toll aus, finde ich. 

Ich sehe zwei Koreanerinnen (oder Chinesinnen, ich kann das immer nicht unterscheiden), welche voneinander Fotos machen, da frage ich doch mal, ob sie auch eins von mir machen können. Oh je, sie hörte überhaupt nicht mehr auf: "Dreh' dich mal so", mach mal dieses oder jenes. Verrückt die Asiaten, aber ist was gutes bei rumgekommen. Die Sonne wärmt schön. Ich gehe in hiesige Touriinfo, lass mir erzählen was es nettes hier gibt und wo ich hin müsste, kaufe noch ein paar Postkarten für die Lieben daheim und mache mich auf zur U-Bahnstation, an mondänen, herrschaftlichen Hotels vorbei. Edel, edel, sage ich da nur. Ich fahre wieder nach Bessiéres. Am Lausanne Gare angekommen scheint alles irgendwie schief zu sein. Hier ist die Bahn tatsächlich mit Gefälle im Bahnhof am Start, komisch sieht das aus. Ich laufe wenig später über die Pont Bessiéres, sie ist eine der drei großen Brücken in Lausanne, schon beeindruckend. Gestern habe ich gesehen, dass es einen Aussichtspunkt nahe der Kathedrale gibt (war natürlich keine Aussicht da, da Regen), da will ich jetzt hin.

Pont Bessières mit Blick auf die Cathédrale Notre-Dame de Lausanne

Toll, da hinten ist der See, die Berge hängen in tiefen Wolken, die Stadt schlängelt sich den Berg hinauf. Weiter geht's zum Schloss, Château Saint-Maire, welches jetzt Regierungssitz ist, auch mit einer tollen Aussichtsplattform. Durch kleine Gässchen mit netten Cafés geht's nun runter, die Escaliers du marché (Markttreppe) hier geht auch der Chemin de St-Jacques lang besagt ein Schild.

Das Château, die Kathedrale, die kleinen Gässchen und die Escaliers du marché den Berg runter

Ich komme unten am Place de la Palud an, mit seinem kleinen Brunnen und der Justitia-Statue. Er ist der älteste Brunnen der Stadt. Ich finde dieses französische Flair einfach toll, die kleinen Lädchen, die Cafés und Brasserien, die schmalen Gässchen, schmale Häuser dicht an dicht. Und es gibt viel zu lesen, ich lese mir sämtliche Plakate, Geschäftsnamen und so durch und freue mich, dass ich so viel von dem verstehe: le fleuriste, la boulangerie, la librairie, la maison du tabac, hört sich alles so vornehm an.

Altstadt-Ambiente

Auch finde ich es süß, wenn man sich begegnet mit einem "Bonjour", dann kommt auch mal ein "Bonjour madame". Da stellt man sich gleich gerader hin und fühlt sich ganz adelig :-) Ich muss noch zur Post Briefmarken holen. Das ist ja klasse, man zieht hier wie bei Ämtern eine Nummer und es geht ganz tiefenentspannt und flott. Super. Also dann mal Briefmarken für Karten nach Deutschland kaufen, davon bitte 6. Je voudrais six timbres pour des cartes postales en Allemagne. Sie versteht mich sogar, toll. Ich nehme meine Timbres und mache mich wieder auf den Weg zur U-Bahn, es ist langsam Zeit aus Lausanne aufzubrechen, will ja noch nach Morges

Am Place de la Palud mit dem Paludbrunnen, auf deren Sockel die Justitia mit verbundenen Augen thront, alles klar?

In der Herberge angekommen gönne ich mir erst mal einen Kaffee und suche wenig später im Koffer-Stauraum unter diversen Taschen und Koffern meinen Rucksack und den vom Japaner neben mir, der ganz verzweifelt dreinschaut und verabschiede mich wenig später. Der Jakobsweg geht direkt hier vorbei, unter der Autobahn durch und dann Richtung See, das passt ja. Das nächste Lausanner Highlight ist das Olympische Komitee, an dem ich vorbeigehe und vor dem die Olympischen Ringe in gaaanz groß aufgestellt sind, sowas kann mich ja immer begeistern. Das Gebäude selbst ist auch ein sehr interessanter, geschwungener großer Bau, aus dem diverse Leute ein und ausgehen. Ein nettes Foto mit den Ringen: Pilgern wird olympische Disziplin, wäre doch was. Naja, geht so. Obwohl es auch Leute gibt, die scheinbar das im Kopf haben. Pilger sind doch sehr unterschiedlich mitunter unterwegs erfahre ich auf meinem Jakobsweg-Facebook-Chat. Da gibt es Leute, die 40 km und mehr laufen. Naja, wer's braucht. Da muss man aber auch strammen Schrittes von morgens bis abends unterwegs sein, Pausen und was anschauen ist da nicht drin, oder gar ein Gespräch führen. Hmm, nicht meins.

Das Olympische Komitee (le Comité International Olympique)

Durch einen schönen Park mit Strand geht es ganz unauffällig aus der Stadt raus, immer am See entlang. Der Weg ist spannend, schmale Wege, die teilweise im Zickzack am See entlang führen, Stege an denen verlassene Boote an der Leine liegen. Es ist ruhig, nichts los auf dem See, die Wolken hängen tief, die Berge sind kaum zu erkennen, aber es regnet nicht und kalt ist es auch nicht. Ich erreiche den Vorort St. Sulpice, dort mache ich am Anleger mit seinen vielen Fahnen Pause. Also wenn ich ehrlich bin, viel Schiffsverkehr ist hier aber nicht zugegen, habe erst ein einziges fahrendes Schiff gesehen. In der Ferne kann ich noch Lausanne sehen. Es gibt eine nette Bank und für mich ein nettes Brot mit lecker Käse, klar. Keiner da, außer ein paar Enten und Spatzen, die erhoffen, dass sie etwas von meinem Brot abbekommen. Nee Leute, meins! 

Einsame Stege, wolkenverhangene Berge, Genfer See und der Anleger von St. Sulpice

Eine kleine Kirche befindet sich gegenüber, sie stammt aus dem 12. Jahrhundert, die besuche ich mal. Sie ist süß und sieht wirklich sehr alt aus. Still ist es auch hier, an den Wänden ganz alte Malereien und tolle Kirchenfenster. Sogar eine kleine Orgel gibt es in der Ecke. 

Die kleine Kirche von St Sulpice mit ihren alten Wandmalereien

Ich setze meinen Seeweg fort, mal durch waldiges Gebiet, an diverse Stegen vorbei, an Gärten mit vielen Blumen. Kaum einer kommt mir entgegen. Ich hätte echt gedacht, dass der letzte Weg jetzt hier am Genfer See bambulig wird, aber das Gegenteil ist der Fall, schön einsam und still. Ich überquere einen Fluss und komme wenig später an seine Mündung, wo man auf den Steinen ganz viele Kormorane sehen kann, das ist ja mal klasse. Ich setze mich auf eine Bank. 

Schöne, schmale, einsame Genfer See-Wege

Ein Pärchen, sie mit Kopftuch, kommt vorbei, er spricht mich auf französisch an, merkt es ist etwas schwierig und redet deutsch weiter. Sie sind auf den Weg nach Morges zum einkaufen. Oh, da müssen sie aber weit gehen. Er wünscht mir noch einen "buen camino". Nett. Wenig später überholte ich die beiden wieder, denn ich bin im Marschschritt unterwegs. Ich marschiere am Plage de Préverenges vorbei. Hier ist normalerweise total was los, viele Einheimische tummeln sich auf den Wiesen, heute jedoch nicht, dazu ist das Wetter nicht gut genug. Nun, dann habe ich auch nicht so viele Leute um mich rum, ist ja auch was. Ich genieße es gerade sehr. 

Einsamkeit, Vogel-Halligalli und Morges kommt in Sicht

Von weitem ist die Kirche von Morges schon zu erkennen, sieht beeindruckend aus. Es fängt leicht an zu pieseln. Nun dann mal zu, Regenklamotte an und weiter. Ich komme in die Kirche, erhoffe mir einen Stempel und musste das jetzt einfach mal fotografieren. Reformiert mit Stühlen und nem Tisch, die Orgel fehlt und sonst nichts, könnte auch eine Schulaula sein. Komisch find' ich das, naja und einen Stempel gibt es natürlich auch nicht. So eine klasse Kirche von außen und innen nichts. Nun denn.

Das muss jetzt mal dokumentiert werden: tolle Kirche von außen und innen calvinistisches Nichts :-)

Aber Liberté et Patrie muss mit dabei sein :-)

Ich finde den Coop, kaufe alles für das Abendbrot und mache mich auf zu meiner heutigen Unterkunft bei den Bezençons. Ich suche die Nummer, gehe an Einfamilienhäusern vorbei in der Hoffnung, dass es eines von denen sein wird, nee, natürlich nicht, ist eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Mal sehen was mich erwartet. Und was erwartete mich? Ein schönes großes Zimmer, sogar ein Kühlschrank ist mit dabei, kann der Käse mal kühlen, ist ja auch nicht schlecht, kleiner Tisch mit Stühlen und ein Riesenbett. Toll. Draußen regnet es jetzt so richtig, hab ich noch mal Glück gehabt, dass ich nur so Gepiesel abbekommen habe. Frau Bezençon meint, dass es morgen besser werden soll. Nun, mal sehen.

Es gibt einen Föhn, was mich zum Haarewaschen und eine Kaffeemaschine, welche mich zum Kaffeemachen animierte. Zeit für Postkarten schreiben. Ich gehöre wohl zu den wenigen Leuten, die das noch machen. Ich jedenfalls freue mich immer, wenn ich eine bekomme, also schreibe ich mal. Es ist auch nicht mehr so leicht schöne zu finden, finde ich, aber ich habe zwei Varianten, die sind ganz gut. Ich lasse den Tag mit all seinen Erlebnissen ausklingen und schlafe in meinem Riesenbett ein.

12.6.19

Morges nach Rolle 22 km

Morgens aufgewacht sieht es immer noch nicht so klasse draußen aus, es regnet. Aber in der Ferne kann man schon etwas blau ausmachen und es sollte sich tatsächlich noch aufklaren. Wir frühstückten zusammen, zum Glück konnte sie auch deutsch, und dann schulterte ich wieder meinen Rucksack und machte mich auf den Weg runter zur Grand Rue, die mich mit buntem Treiben überraschte, denn es ist Markttag. Die Sonne lugte langsam hinter den Dächern hervor und es gab wieder viel spannendes zu lesen für mich. Das komplette Fahnen-Ensemble ist wieder zugegen, die von Morges, von Vaud und der Schweiz, alles dabei. Überall wehen die Liberté et Patrie-Fahnen des Kantons von den Häuserwänden. Toll sieht das aus, hat immer so was festliches, finde ich. Am Ende der Straße steht die Kirche mit dem nicht vorhandenem Interieur, schön.

Ich komme an der Promenade an. Toll sieht der See aus mit Sonne, habe ich so ja noch nicht gesehen, sogar die Berge sind fast frei, ein paar vereinzelte Wolken hängen noch fest. Überall große Pfützen, hat doch noch ganz schön gegossen die Nacht. Happy ob des tollen Wetters und der wärmenden Sonne mache ich mich auf den Weg aus Morges raus, am Anleger vorbei, der gesäumt ist mit diverse Geranien-Blumenampeln. Wenig später geht's noch am Schloss vorbei.

Promenade von Morges

Morges Anleger

Ein schmaler Weg führt direkt am Wasser entlang, gesäumt mit hohen Bäumen, kleinen Strandabschnitten und wenig später einem tollen Graureiher, der auch einfach mal auf dem Ast sitzen blieb, als ich vor ihm stand, und nicht wegflog. Es ist der Sentier de la truite (der Forellenweg) mit einigen Hinweisschildern über die Natur drumrum. 

Ich gelange an einen Fluss, Le Boiron, der reißend an mir vorbei scheppert. Der Weg geht durch einen Tunnel, leider überschwemmt vom Flusswasser, hat ja doch viel geregnet. Was tun? Ich muss hoch zur Straße, gehe auf die andere Seite und da ist wieder mein Weg. 

Ein schöner Weg am Fluss entlang, leider unter der Brücke überschwemmt, da gehe ich besser nicht lang

Schön! Irgendwann komme ich aus dem Wald auf eine Lichtung mit einer Apfelplantage und vielen vielen Bienen, die hier in bunt bemalten Bienenkörben leben. Attention, abeilles! Vorsicht Bienen! Vorsichtig gehe ich an dem Gesumme vorbei wieder in den Wald hinein, einen steilen Weg runter und rumms! Da lag ich nun. Ich bin bisher auf meinen ganzen Weg von Lüneburg bis hierher nicht gestürzt, nun war es soweit. Mit dem Rucksack plumpst man ja hin wie ein nasser, schwerer Sack, auf die Seite. Habe mir dabei aber nichts getan, außer eine dreckige Hose und einen Schrecken. Nun sowas kann passieren. Ich denke ohne meine Wanderstöcke wäre ich schon viel öfters mal hingefallen. Nun haben auch sie versagt, kann man nichts machen. Aufstehen,  Krone richten, weitergehen :-)

Aus dem Wald tretend stehe ich vor der ersten Weinplantage, aha nun geht’s los mit dem Genfer Wein, wie schön. Kleine Träubchen sind schon zu erkennen, die brauchen noch etwas.

Weinstock kurz vor St-Prex

An der Schiene entlang (hier fahren die Züge nach Genf, ja auch den könnte man nehmen) wander ich nach Saint-Prex rein. Auf einer Anhöhe steht die Kirche, die nehme ich jetzt mal mit und von hier aus hat man auch einen tollen Blick auf den Ort und den See dahinter. Der Ort liegt auf eine in den See rein ragenden Landzunge, zu der ich auch noch gleich gehen werde. Aber erst mal geht's in die Kirche, die sogar einen Stempel hat, zwar reformiert ist, aber mit den alten Säulen ihren ganz besonderen Charakter hat, finde ich.

Die hübsche Kirche von St-Prex

Und der schöne Ausblick vom Kirchberg aus

Runter geht’s zum Anleger, auch mit vielen Fahnen bestückt, aber ohne Boot. Ich setze mich auf einen der leeren Bänke, im Hintergrund das Schloss aus dem 13. Jahrhundert. Hier gibt’s wirklich ne Menge Schlösser, fast jeder etwas größere Ort hat ein Schloss. Haben wohl ne Menge Geld die Lieben. Das dem so ist wird, je näher man Genf kommt, einem immer klarer. Hinter hohen, akkurat geschnittenen Lebensbaumhecken, mit großen verschlossenen Toren versehen,  verstecken sich die Reichen des Genfer Sees. Selten, dass man einen Einblick erhaschen kann. Also als Gärtner wirste hier bestimmt nicht arbeitslos.

Nun denn, leider hab ich mir eine Blase in Lausanne gelaufen, da habe ich nicht so auf meine Füße geachtet, hatte mal wieder eine neue Variante mit den Einlagen gewählt, was dann wohl der kleine linke Zeh nicht so klasse fand. Shittenkram. Also wenn ich zu Hause bin muss ich mir echt was überlegen, diese Einlagen gehen nun mal gar nicht, also den alten Zustand wieder herstellen. Aber das hilft mir jetzt nicht, denn ich habe nun mal jetzt das Problem. Nun heißt es also abends Blase mit Kanüle aufpicken, damit die über Nacht abtrocknen kann und dann mit Pflaster für die Wanderung schützen. Piekst aber schon, besonders wenn man eine Pause eingelegt hat und dann wieder losgehen will. Beim Wandern selbst geht das irgendwann weg, zum Glück. Nun ist aber Füße lüften und Pausenbrot essen angesagt.

An der einsamen und ruhigen Promenade von Saint-Prex, Pausenort

Der tolle Ortskern mit dem Stadttor

Weiterhin bin ich ziemlich alleine unterwegs, hier ist auch nichts los, ich sitze alleine auf einer der zahlreichen Bänke. Ab und zu hört man Möwengeschrei, Entengequake oder auch Teichhuhn-Gackern, mehr nicht. Der See liegt ruhig vor mir, leichte Wellen, kein Boot, Frieden, schön! Ich mache mich wieder auf, gehe durch den schönen Ort mit seinen kleinen Steinhäuschen und den vielen Blumen, die irgendwie schon einen sehr südländischen Touch haben, und durchs tolle Stadttor wieder hinaus und in einem kleinen Bogen an den See zurück. Über schmale Uferwege, der Sentier du Lac (Seeweg), an akkurat gepflegten Rasenflächen mit Bänken vorbei, geht es später den Berg hoch vom See weg. 

Nun geht es richtig in die Weinberge, spannend, ich freue mich drauf. Die Sicht von oben bei Buchillon ist wirklich toll. Unten die herrschaftlichen Häuser der Weingüter, daneben stehen Zypressen und dann der in einem tollen Blau schimmernde See mit den wolkenverhangenen Bergen dahinter. Da drüben auf der anderen Seite ist schon Frankreich, die Grenze geht mitten durch den See. Die Schweiz wird ja Richtung Genf immer schmaler und endet dann dahinter. Aber noch ist es nicht soweit.