Interlaken nach Genf 1

Blick von der Schynige Platte auf Interlaken/Schweiz zwischen Thuner See und Brienzer See gelegen

1.6.19

Fahrt nach Interlaken/Schweiz

Da bin ich also wieder. Es ist wieder ein Jahr vergangen. Eigentlich wollte ich ja eine Woche eher loslaufen, aber eine schwere Krankheit hat mich daran gehindert. Ich habe eine Gesichtsrose bekommen mit linksseitigen Kopf-Nerven-Schmerzen und Augenbeteiligung, war sozusagen für eine Weile auf dem linken Auge fast blind. Dass ich überhaupt losgehen werde stand in den Sternen. Mein Augen-und Hausarzt gaben mir aber das Okay dazu. So bin ich in einem ziemlich desolaten Zustand und mit einer Riesenapotheke im Rucksack zu meiner Pilgertour aufgebrochen. So gehandicapt bin ich noch nie losgelaufen, und ob es überhaupt klappt, auch das ist ungewiss. Ich dachte mir, ich fahre jetzt mal runter und sehe dann, ob's geht.

Der Rucksack ist gepackt, wie schon gesagt, diesmal mit einigen Dingen mehr als sonst. Falls was sein sollte, bin ich in der Schweiz gut aufgehoben, meinte mein Hausarzt und riet mir regelrecht: "Gehen sie auf alle Fälle in die Schweiz, bleiben sie nicht hier, lenken sie sich ab" Okay, mach' ich!

Morgens früh klingelt mein Wecker, Sachen gepackt, ab zum Bus, der auch gleich ums Eck kam. Ich fühle mich ganz gut, die Kopfschmerzen sind im Rahmen, das Wetter ist gut, vielleicht klappt es doch viel besser als gedacht? Nun meine Stimmung sollte noch einige Male bei meiner Tour schwanken, aber dazu später. Neben mir steht eine Frau an der Haltestelle, die mich fragt, ob ich mit auf ihrer Karte mitfahren möchte. Oh, das fängt ja gut an, die tollen und guten Menschen gibt es ja auch hier und nicht nur beim Pilgern weit weg, wie schön. So steigen wir gemeinsam ein, ein gutes Gefühl begleitet mich. Am Bahnhof habe ich noch etwas Zeit, stehe vor den Toiletten, da kommt der Toiletten-Herr vorbei, schließt mir einfach auf, sagt: "Geh'n se mal schnell rein, müssen se nich' zahlen." Oh, ich bin ganz gerührt, mein Herz öffnet sich, ich bin guter Dinge und sehr dankbar. Überhaupt bin ich total dankbar, dass ich jetzt hier stehe und tatsächliche gleich in den Zug nach Interlaken einsteige, mein Ankunftsort vom letzten Jahr und mein Startort für dieses Mal. Während ich krank zu Hause hockte hatte ich nur einen Gedanken: Ich möchte diesen Weg am Thuner See langgehen, der ja nun auf mich wartet, wenn ich weitergehe. Ich hatte eine Vorstellung von einem schmalen Weg, links unten der türkisschimmernde See, die Berge im Hintergrund, Sonnenschein. Und wenn es das einzige ist was ich schaffe und dann wieder nach Hause fahre, aber da, an diesem Ort meiner Vorstellung möchte ich stehen und gehen. Dieses Bild hat sich in mein Herz eingebrannt. Werde ich es auch tatsächlich sehen? Ich hatte tatsächlich noch etwas im Gepäck, was ich sonst nie mitnehme: Paul. Paul ist ein kleines weiches Stoff-Pferd und ein, ich sage mal, Synonym für mein inneres Kind. Also diesen Weg gehen Hand in Hand mit meinem inneren Kind, was für eine schöne Vorstellung.

Jetzt sitze ich aber erst mal im Zug, in einem Abteil ganz alleine, nach und nach kommen noch Leute dazu. Meine Stimmung schwankend, der Kopfschmerz auch, aber alles in allem hält es sich dank Medikamenten in Grenzen und ich habe tatsächlich von Göttingen bis nach Frankfurt durchgeschlafen, somit wurde das ganze etwas kurzweiliger.

Interlaken, im Park an der schönen Aare

Und dann war es nach über 8 Stunden soweit. Ich stand auf dem Bahnhof von Interlaken. Von weitem habe ich schon die Alpen gesehen, zwar mit ein paar Wolken, aber sonst klar, mein Herz hüpfte. Das Wetter war wunderbar, wie üblich sind viele Leute unterwegs, ganz Asien ist auf den Beinen in Interlaken. Die Jugendherberge nebenan kenne ich ja schon, das Einchecken geht schnell von der Hand, der erste Stempel ist auch schon gleich im Heft und das Zimmer ist ein schönes 6-Bett-Zimmer. Zwei Betten sind schon belegt. Ich suche mir eine gemütliche Koje und muss mich erst mal hinpacken, bin von der Fahrt k.o.

Kurze Zeit später kam eine Schweizerin ins Zimmer, das ist schön, nicht nur Asiaten, also hielten wir auf Deutsch einen kleinen Schnack, was sehr nett war. Sie wanderte auch ein wenig, aber nicht auf dem Jakobsweg. Später kamen noch zwei Asiatinnen dazu.

Nach allgemeiner Regeneration mit Duschen, auspacken und sortieren ging ich runter in die Stadt. Die ein oder andere Besorgung ist noch zu erledigen, ich brauche wieder schweizer Franken, nochmals Augentropfen und leider auch einen kleinen Rucksack für außerhalb des Wanderns, da mein Niedersachsen-Rucksack während der Zugfahrt den Geist aufgegeben hat und eingerissen ist. 

Interlakener Hausansichten

Nun kenne ich mich in Interlaken ja ganz gut aus und schlenderte bei schönem Wetter mit angenehmen Temperaturen durch den Ort, bekam sogar recht günstig einen schönen Stoff-Rucksack und alles andere auch. Und da steh' ich nun am Paragliding-Landeplatz, im Hintergrund die schneebedeckte Jungfrau, toll, mein Herz hüpft. Und wie letztes Jahr schnappe ich mir einen Asiaten, die können ja gut fotografieren, und lasse ein Foto von mir machen, mit Jungfrau im Hintergrund.

Am Paragliding-Landeplatz mit Blick auf die wolkenverdeckte Jungfrau (4158 m)

Das durch den Ort gehen tat mir richtig gut. Ich werde ja erst morgen loswandern, da es jetzt ja auch schon später ist. Ich ging wieder zurück zur Herberge und suchte mir ein Essen aus, wusste ich doch vom letzten Jahr, dass das Essen hier gut und bezahlbar ist. Ab morgen ist dann wieder Schluss mit Essen gehen, zu teuer. Die Leute hier sind alle total nett. Während die Köchin vor meinen Augen meine Pasta bereitet reden wir nett miteinander. Hach, es ist alles so wunderbar, ich bin so happy jetzt hier zu sein, ist mir doch zu Hause echt die Decke auf den Kopf gefallen, das muss ich jetzt mal sagen. Ich setze mich draußen vor der Herberge an einen kleinen Tisch, beobachte die vorbeiziehenden Leute aller Herkunft und esse mein Essen, trinke ein leckeres kühles Bier und fange danach an zu schreiben, schreibe meine Emotionen auf und davon gab es ja einige, nur an diesem einzigen Tag schon. 

Heiliggeist-Kirche Interlaken mit Marienecke zum Kerzenanzünden

Nach dem Essen mache ich mich auf den Weg zur Heiliggeist-Kirche, die ich ja zum Kerze anzünden und In-mich-gehen letztes Jahr auch besuchte. Hier gibt es eine kleine separate Ecke mit Marienstatue, da kann man schön bei sich sein. Ich komme mitten in die Abendmesse und setze mich einfach hinten mit dazu und singe mit. Der Satz: "Und sag nur ein Wort, dann wird meine Seele gesund", rührte mich zu Tränen, oder besser gesagt ich fing an zu weinen, denn der sprach mir aus der Seele und sollte mich auf meiner Tour begleiten. Wie schön. Nach dem Gottesdienst setzte ich mich also in die kleine Marienecke, zündete zwei Kerzen an und ging in mich, was sehr emotional war, denn ich ließ die letzten zwei Wochen Revue passieren und die waren alles andere als schön, sie waren furchtbar. Die Angst, dass ich mein Augenlicht nicht komplett zurückbekomme oder die Nervenschmerzen im Gesicht bleiben, war groß und ist auch noch vorhanden. Somit ist Ablenkung eine gute Sache. Lange saß ich dort, die Leute waren schon alle gegangen, es war ganz still um mich herum, das tat gut. Mit dem Gedanken: "Ich verstehe deine Wege nicht", bin ich dann aus der Kirche gegangen. Dieses Lied, welches es dazu ja auch gibt, sang ich dann ab und an die Tage auf meinem Wege. 

Emotional aufgewühlt, aber entspannt trat ich den Weg zurück an, ging noch über die Aarebrücke rüber zur Harder Kulm-Bahn, denn ich wollte gerne noch einmal hoch auf den Berg. Letztes Jahr war ich ja auf der Schynige Platte auf knapp 2000 m mit ihrer tollen Alpenblumenwelt und natürlich die tolle Aussicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Diesmal wollte ich auf die Harder Kulm, die auf 1300 m liegt, aber auch mit der tollen Sicht. Wenn ich schon mal hier bin. Leider war eine lange Schlange davor, ich gab es auf, das war mir zu doof. Ich versuche es morgen früh noch einmal, bevor ich los pilgere, mal sehen. So ging ich also zur Jugendherberge zurück und legte mich in meine Koje, die ich wieder mit meinem Sarong zu einer kleinen Höhle machte, somit stört Licht nicht und ich find's auch einfach schön sein eigenes Bett-Reich zu haben. Wir waren zu fünft im Zimmer, über mir schlief keiner, das finde ich schon mal gut, dann hat man dieses Rumgewackel auch nicht. Was für ein aufregender, schöner und emotionaler Tag.

2.6.19

Interlaken nach Ralligen, 18 km

Heute ging es früh los, da die Damen alle schon um 6 Uhr aktiv wurden. Nun so stand ich dann auch irgendwann gegen halb 7 auf und ging runter zum frühstücken. Da ich gestern ja nicht mehr in die Harder Kulm-Bahn gekommen bin, wollte ich es heute früh mit der ersten versuchen, die um 8 Uhr fährt, mal sehen ob ich Glück habe. Ich packte also meine Sachen, zog das Bett ab und ging runter. Sie haben für die Taschen hier Locker, den ich gerne annahm, denn ich wollte ohne meinen Rucksack los.

Schön war es gewesen morgens, Interlaken, ganz ruhig, keine Leute, keine Autos, die Sonne kam über die Berge rüber, es war angenehm warm. Nun, dann mache ich mich mal auf, rüber über die Aarebrücke, keine Schlange vor dem Eingang der Bahn zu sehen, na das ist doch mal toll. Ich bin froh und gespannt die drei Kandidaten Eiger, Mönch und Jungfrau wiederzusehen und das noch bei total klarer Sicht. So wie ich letztes Jahr oft mit diesiger Sicht zu tun hatte, so dass ich fast dachte, ich werde gar keine Alpen sehen, so war es jetzt viel klarer und sollte auch so bleiben, schön. Wenngleich mir jemand mitteilte, dass das kein Gutwetterbote ist, wenn es so klar ist. Nun denn, ich genieße den Moment.

In der Harderbahn geht es steil nach oben und durch den groovy Tunnel

Schon saß ich in der Zahnradbahn, die für die 1300 Meter 10 Minuten braucht, nicht lange, aber spannend, sogar durch einen dunklen Tunnel ging es hindurch. Mit mir auch nur eine Handvoll Leute, somit wird es oben schön ruhig werden. Also gut, dass ich gestern nicht hergekommen bin, erstens voll und zweitens war abends die Sicht auch nicht mehr so gut gewesen. Oben angekommen geht man einen kleinen Weg zum Plateau und oh...

Blick von oben auf Interlaken mit dem Brienzer See links und dem Thuner See rechts und der berühmten Alpenkette: Eiger, Mönch und Jungfrau

...wie schön, was für eine Aussicht! Ich sage ja immer, wenn man schon mal hier ist, dann sollte man doch mal mit der Bahn hochfahren und wenn es nur die kleine hier ist, die ist gleich ums Eck und hat eine grandiose Aussicht auf Interlaken, zwischen den Seen gelegen und eben die gesamte Alpenkette mit den drei Klassikern, dazu noch Schreckhorn und Breithorn nicht zu vergessen, die stehen rechts der Jungfrau.

Auf dem Aussichtsplateau auf 1322 m mit dem Panorama-Restaurant

Ich bemerkte gestern schon wie viele Menschen einfach auch nicht unversehrt durch die Gegend laufen, das ist mir jetzt so aufgefallen, eine Frau mit Stock, die sich den Weg hochbahnte, ein Kind mit Hörgeräten und die beiden Australier, mit denen ich auf der Plattform, die eigens zur besseren Sicht angebracht wurde, sprach. Sie erzählten, dass sie Häusertausch gemacht haben, sie sind hier in der Schweiz und die, in dessen Haus sie wohnen, sind bei sich in Australien. Sie schauen sich die Welt an, waren auch schon Rentner und hatten eine furchtbare Schiffstour von Durban nach Griechenland hinter sich. Sämtliche Leute wurden schwer krank auf dem Schiff mit Übelkeit und Erbrechen, Fieber, Schmerzen, einer sei sogar gestorben. Oh je! Und die beiden sind froh, dass sie das überlebt haben, knabbern aber immer noch dran und sind nicht richtig fit. Nachdenklich ging ich von dannen. Wie viele Menschen sind einfach mal nicht gesund? Die Gesundheit als Selbstverständlichkeit zu sehen, so ist es mir ergangen. Okay, mal zuppelt es hier und da, aber doch nichts großes. Es ist schon ein Hammer.

Was ist das wichtigste im Leben? Viele würden sagen: die Gesundheit. Ich würde es etwas relativieren. Das wichtigste ist, dass ich gut leben kann und glücklich bin. Dazu kann man auch nicht ganz gesund sein, aber wenn eine Krankheit einen total im Alltag behelligt und man sich damit nicht wohl fühlt, bzw. unglücklich ist, nein, das will ich nicht. Ich möchte leben und ich möchte schön leben. Das hat nichts mit Geld oder so zu tun, sondern einfach nur mit dem Sein, ich möchte in meinem Sein mich gut fühlen.

Mit letztem Blick auf die Jungfrau geht es wieder runter nach Interlaken und über die Aare.

Hier kann man im Hintergrund schon den markanten Niesen sehen, der mich am Thuner See begleiten wird

Ich nahm also die nächste Bahn wieder runter nach Interlaken, holte meinen Rucksack, schnürte ihn um und ging nun los. Normalerweise finde ich losgehen immer ganz großartig, heute hatte ich ein leicht mulmiges Gefühl, ich ging auch ganz langsam. Im Ort herrschte nun frohes und buntes Treiben, die Straße war abgesperrt und es gab viele Stände, schön war das, das gefiel mir gut. Kurze Zeit später wurde es ruhiger, die Straße ging aus dem Ort raus und bog in einen Fußgängerweg die Aare entlang ab. Ein Schild sagt, dass es 3,5 Stunden bis nach Merligen sind, aha! Hier fließt nun die Aare, die mit ihrem türkisfarbenen Wasser einfach klasse aussah und die gerade aus dem Brienzer See durch Interlaken floss, weiter in den Thuner See, um dann durch Thun weiter nach Bern zu fließen und irgendwann den Rhein zu erreichen. Wie ich schon mal erwähnte, die Aare ist der größte Zufluss des Rheins in der Schweiz.

Mein mich nun wieder begleitender Wegweiser: Via Jakobi 4 und die reißende Aare mit ihrem türkisen Wasser

Der Weg war eben und ich fühlte mich kräftig und gut, die brausende Aare neben mir erfrischte von der Seite, toller Fluss. Wenig später kam ich bei der Mündung in den Thuner See im Naturschutzgebiet Weissenau an, hier war es sehr sumpfig und es waren auch mehr Leute unterwegs. Zwischen den Sumpfgräsern war der See schon auszumachen an dessen anderem Ufer sehr markant ein spitzer Berg auftauchte, der Niesen (2362m). An Neuhaus mit seinen Liegewiesen und Campingplatz ging es vorbei den Berg hoch. Der Trubel ist hinter mir gelassen, es wird einsam.

Am Anfang des Thuner Sees im Naturschutzgebiet Weissenau mit dem Niesen im Hintergrund

Wenig später stehe ich auf DEM Weg. Der Weg, den ich als ich krank zu Hause lag und halbblind an die Decke starrte mir vorgestellt hatte. Da war er, schmal, links ging es in den Abgrund, der türkise See, dahinter die Alpen, die Sonne schien. Ich stand sprachlos da und fing einfach an zu weinen, erst vor Glück es tatsächlich hierher geschafft zu haben und dann um das ganze Leid, das ganze vergangene, meinen jetzigen Zustand, der immer noch nicht wirklich gut war, um weiter vergangenes, alles kam hoch. Ich setzte mich auf eine vorhandene Bank mit diesem wunderbaren Blick, hatte Paul im Arm und weinte. Ich hatte keine Kopfschmerzen, das machte mich happy, ich beruhigte mich langsam wieder, mein Herz war offen.

DER Weg oberhalb des Thuner Sees mit blauem See, Sonnenschein, Alpen im Hintergrund und mich mit neuem Pilgerhut

Wie schön, dass ich hier bin, dass ich hier sein kann, ich bin so so dankbar. Ich packte Paul wieder in die Seitentasche meines Rucksacks, ladete auf und machte mich wieder auf den Weg mit ganz erleichtertem Herzen und gespannt was noch kommen mag. Klein lugte der Eiger hinter den davor stehenden Bergen vor, toll. Es wurde sehr bergig, Berg hoch und Berg runter, dazu wurde es immer wärmer, das war schon anstrengend, ich muss vorsichtig sein. Nicht zu viel, also immer wieder Pausen. 

Pilgerweg-Wegweiser, Eiger lugt hinter den Bergen hervor, ein Gebirgsfluss läuft über den Weg und mein Rucksack mit Paul in der Seitentasche

Nach einigen in Stein gehauenen Treppen kam ich bei den Beatushöhlen an, was gut war, denn ich brauchte Wasser. Ein großer Wasserfall schoss aus dem Gestein, das sah schon klasse aus. Oben tobte der Bär, was mir zu viel war und so holte ich mir Wasser, ging noch in die Vorhöhle, die eine kleine Bank besaß und die so richtig schön kühl war, top zum Pause machen. Mir gegenüber war eine Szene darstellt wie der heilige Beatus hier in den Höhlen wohl gelebt haben musste, auch schön. Die Höhle selber wollte ich mir nicht anschauen. 

Steil geht es hoch zu den Beatushöhlen

Nach einer Legende soll Beatus von Petrus den Auftrag bekommen haben, den Einwohnern dort den christlichen Glauben zu verkünden. Nach einem Kampf mit einem Drachen vor der Höhle, den Beatus besiegte, zog dieser selber dort ein und lebte und lehrte bis er mit 100 Jahren starb. Das Höhlensystem verzweigt sich über 1 km in das Massiv des Niederhorns. Sicher spannend, aber ich gehe weiter. 

Eingang zu den Beatushöhlen und der hervorschießende Wasserfall

Höhlenausgang und der heilige Beatus in seiner Kammer

Ich merke, dass ich ganz schön k.o. bin, viel erlebt, na und die Berge und Hitze zollten ihren Tribut. Nach weiterem heftigen auf und ab begab ich mich dann runter zur Straße von Merligen, wollte keine Berge mehr, dann eben an der Straße lang nach Ralligen, was noch so 2,5 km entfernt war. Ich war im Eimer, aber total. Gegenüber sah ich eine Bushaltestelle, in 10 Minuten kommt der Bus, den nehme ich, ja! 

Man muss sich straßenmäßig in der Schweiz schon was ausdenken. Hier mal zwei sehr abenteuerliche Varianten

Er ließ mich in Ralligen raus, Google Maps erzählte mir komische Sachen, ich müsste nochmals 3 km irgendwohin gehen, ich war den Tränen nahe, fragte eine Frau, die gerade ums Eck kam: "Nein, nein, nur den Weg hier hoch, da ist es" Ein Schild besagt: Pilgerherberge. Erleichtert betrete ich das Kloster, die Christusträgerschaft Ralligen im Gut Ralligen, das ehemalige Rebgut des Augustiner-Klosters Interlaken. Schön ist es hier und still. Christa ist für die Pilger da und kümmert sich rührend um mich und zeigt mir mein Zimmer, ein 5-Bettzimmer, natürlich für mich alleine.

Ich packe mich erst mal aus, gehe duschen und liege auf meinem Bett, ich bin total im Eimer, völlig fertig und hoffte, dass es besser werden würde. Ich war so kaputt, dass ich dachte: "Maika, kannste abhaken, das wirst du nicht schaffen, geht nicht."

Mir kommt immer wieder dieses Lied in den Sinn:

Gott lass meine Gedanken 

sich sammeln zu dir

bei dir ist das Licht, 

du vergisst mich nicht

bei dir ist die Hilfe, 

bei dir ist die Geduld.

Ich verstehe deine Wege nicht, 

aber du weißt den Weg für mich

 

Ich ging rüber zum Haupthaus, saß mit Christa draußen an einem Tisch auf einer großen Rasenfläche mit ein paar Liegestühlen, sieht alles total nobel aus hier, mit Blick auf die Berge gegenüber, vor allem den markanten Niesen, und den See darunter, einfach nur toll. Es gab lecker Essen, sie hatte gekocht, viel gekocht, konnte ich gar nicht alles aufessen. Ich zog mich danach zurück, wieder aufs Bett legen. Hmm, wie geht es weiter, kann ich überhaupt weiter? Sie selber hatte mir gesagt, dass der Weg bis nach Thun noch schlimmer wird, noch bergiger und krasser, die meisten fahren ab Grunten mit dem Boot nach Spiez und wandern da weiter, da soll das nicht so sein. Nun, dann mache ich das jetzt einfach auch, und ein bissl Bootfahren ist auch schön. Letztendlich gibt es immer irgendwo ein Gefährt hier in der Schweiz, da ist man ja gut aufgestellt hier.

Ralligen: Die wundervolle Christusträger-Unterkunft mit lecker Essen und toller Aussicht auf den See und den Niesen

Es gab einige kleine Holzhäuschen für die Gäste, es werden Seminare hier abgehalten und morgen kommt eine Schweigegruppe, die sich dann mit einem vorgegebenen Thema einfach in die Wiesen setzen und schweigen, schön. Vielleicht sollte ich hier bleiben und mitschweigen :-) Ich bin abends doch noch mal raus und schaute mir das Gelände an, oben, so sagte Christa, ist eine kleine Holzkirche, eher ein Schuppen zur Kirche umfunktioniert, die wollte ich mir anschauen und beten. Oben angekommen bestand der Altarraum einfach nur aus vielen Strohballen als Sitzbänke, einem Jesuskreuz und ein Christuskind in der Krippe. Durch die Luken der Holzstämme kam das Sonnenlicht herein, schön war es hier und still. Ich vertiefte mich in ein Gespräch mit Gott auf einem Strohballen sitzend. 

Die kleine Wegkirche oben auf dem Berg mit spannendem Interieur

Wenig später stieg ich den Berg hinunter, die Sonne machte sich bereit unterzugehen. Unten waren noch kleine Gärten, viel Gemüse wird angebaut, und weiter runter kam die Straße und der See, an dessen Rändern große Palmen standen, krass. Ich befinde mich gleich gegenüber dem Niesen, der wie ein klassischer Vulkankegel aussah, dahinter die schneebedeckten anderen Alpen. Ruhig ist es in der Straße geworden, die doch ganz schön viel Verkehr tagsüber hatte. Nun der Berg geht hier steil nach oben, da gibt es für eine Straße nicht so viele Möglichkeiten, teilweise quetscht sie sich abenteuerlich in den Felsen oder wurde außerhalb des Felsens auf Stützen angebracht, doch ein wenig unheimlich, finde ich. 

Thuner See-Ansichten am Abend

Die untergehende Sonne färbt die Gipfel der schneebedeckten Berge rosa, toll sieht das aus. So mache ich mich auf den Rückweg, zum Glück ist es etwas kühler jetzt geworden. Ich verbringe eine gute Nacht alleine in meinem Stockbett.

Sonnenuntergang und Alpenglühen von ferne

3.6.19

Ralligen nach Thun 10 km 

(10 km, hätte ich nicht gedacht)

Ich wache morgens auf, die Sonne scheint, das ist toll, aber ich fühle mich immer noch nicht gut, immer noch sehr schlapp und ich zweifel immer mehr, dass ich überhaupt weiterpilgern kann. Nun, erst mal rüber zum Haupthaus was frühstücken. Der Kaffee schmeckt lecker und die selbstgemachte Brombeermarmelade ist ein Genuss, das muss ich jetzt mal sagen. 

Morgens bei strahlend blauem Himmel am Thuner See und rechts der Wanderweg

Christa kommt hinzu und führt mit mir ein Gespräch über Achtsamkeit. Ich bin sehr k.o. und sie rät mir nicht nur das Boot nach Spiez zu nehmen, sondern auch einfach in den Bus nach Thun zu steigen, wenn ich k.o. bin. Es ist alles möglich, somit ganz unproblematisch. Mein linkes Auge nervt, kann immer noch nicht klar sehen, also erst mal mit Tropfen und Salbe zuschütten, was es von der Sicht her gesehen auch nicht besser macht, nun denn. Ich packe meine Sachen zusammen, Christa kommt nochmal vorbei, hat mir ein Holzkreuz mitgebracht mit Einschnitten. Sie meint im Kreuz ist das Heil, auch wenn man Verletzungen hat, Narben vorhanden sind, es sind die Verletzungen Jesu an Händen, Füßen und der Seite, es sind auch die eigenen Narben, die man durch Verletzungen behalten hat. Das Kreuz hat eine glatte und eine raue Seite und verkörpert uns selbst mit eben diesen Seiten, die guten und die schlechten Zeiten. Ich bin so gerührt ob diesen Geschenkes und der Bedeutung dahinter, dass ich anfange zu weinen und es nicht leicht habe mich wieder zu beruhigen. Sie wartet ab, legt ihre Hand auf meinen Kopf und schenkt mir Gottes Segen und drückt mir das Kreuz in die Hand. Ich verabschiede mich von ihr und gehe sehr bewegt meinen Weg nach Grunten zum Anleger. Was für eine wunderbare Unterkunft, was für wunderbare Menschen. Mein großer Dank geht an Christa, die so für mich da war, als es mir nicht gut ging. Schön.

Morgen-Ruhe am See

Mit erleichterten Herzen kam ich in Grunten am Anleger an, hatte noch 45 Minuten Zeit bis das Boot kommt. Wollte mir lieber mehr Zeit einräumen, muss ein bissel langsamer machen. Ich sitze auf der Bank und genieße die Sonne, die noch nicht so brennt, und die schöne Aussicht auf den See, auf der gegenüberliegenden Seite kann ich Spiez schon ausmachen.

Grunten, Anleger

Eine Frau kommt des Weges, fragt auf Englisch, ob ich ein Foto von ihr mache. Wir kommen ins Gespräch, sie ist Serbin, eigentlich Ingenieurin, aber seit dem Krieg ist es schwierig in ihrem Land einen Job zu finden. Die Infrastruktur ist schlecht und Jobs gibt's auch kaum, deshalb ist sie hier in der Schweiz und pflegt einen Patienten zu Hause, ist dort 24h-Kraft bei einem Mann, der wohl ätzend sein soll, keine schweizer Pflegekraft will da mehr hin, sie macht es jetzt und geht dann wieder zurück nach Serbien. Sie braucht das Geld für ihre Kinder, für sich. Oh man, was für ein Scheiß, sie tut mir sehr leid und als sie wieder aufbricht, den Berg hoch zu diesem Typen, schaue ich ihr lange nach. Am liebsten würde ich sie einfach mitnehmen. Ja es gibt viel Leid auf der Welt. Das Boot ist da, wir steigen ein. Viele Menschen sind nicht darauf, angenehm. Die Fahrt über den See finde ich total großartig, echt schön. Spiez kommt näher, liegt total schön vor dem Niesen, mit Schloss, Kirche und einem kleinen Weinberg. Ganz nett. Irgendwie hatte ich bei der Planung gedacht, nee die Seite laufe ich nicht, denn da geht die Autobahn lang. Diese ist aber wesentlich oberhalb der Stadt, von der ist nichts mitzubekommen. Es ist ganz ruhig am Anleger. Überall stehen Segelboote, kreischen sogar Möwen und was seh' ich da, eine Liegewiese direkt am Wasser, dahinter ein Weinberg, hmm, da werde ich mal vorbeischauen. Aber erst mal gehe ich die Treppe hoch zum Schloss, habe dort einen tollen Blick zur anderen Seeseite, von hier aus sieht es gar nicht so steil aus. Nun denn, gleich nebenan ist eine alte Kirche, die ich ebenfalls besuche. Sehr schlicht gehalten und kühl.

Das schöne Spiez mit seinem kleinen Weinberg, dem Schloss und der Schlosskirche und natürlich gleich dahinter: der Niesen mit etwas Schnee drauf

Ich begebe mich den Berg runter zu der Liegewiese, breite mich dort aus, lege mich hin und bewege mich keinen Meter mehr vorwärts. Schön! Zwischendurch teste ich mal mit meinen Füßen die Wassertemperatur, brr, kalt. Es ist noch früh im Sommer und der See wird von der Aare, die wiederum Schmelz-Gebirgswasser beinhaltet, gespeist. Dass das kalt ist kann man sich vorstellen. Eine kernige Frau wagt es aber doch und geht schwimmen, ja, ja, die kernigen Schweizer!

Schloss-Ansichten-und Aussichten

Nach einer Weile liegen, schauen, essen und trinken entscheide ich mich das Wandern heute sein zu lassen. Ich werde nachher das Boot nach Thun nehmen, eine schöne Bootstour, ja das mache ich. An einer Bank steht ein Spruch: "Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel anders setzen". Das hat Aristoteles gesagt, das ist mein Zeichen, ich setze die Segel anders und fahre Boot. Warum gleich aufgeben? Nein, schauen was ich für andere Möglichkeiten in meiner jetzigen Situation habe und somit wird es eben heute das Boot sein. 

Liegewiese mit Ambiente und dem kleinen Weinberg nebenan

Am Anleger stehen Palmen, es blüht in allen Ecken und Enden, die Leute sitzen draußen, andere warten aufs Boot und es gibt einen Eisladen. Heute ist mir alles egal, worauf habe ich jetzt Bock? Ja, Eis essen, auch wenn die Kugel 3,50 Franken kostet, egal! Lecker Pistazien-Eis soll es sein, ich genieße es in vollen Zügen. Da kommt mein Boot. Eine Stunde werde ich unterwegs sein, dabei einige Orte, Schlösser und Kirchen sehen und natürlich die immerwährende Sicht auf die Berge, nun auch wieder auf Eiger, Mönch und Jungfrau, die wieder hinter den anderen Bergen hervorluken und mir kurz abhanden gekommen waren. Ich sitze draußen, eine angenehme Brise umweht mich, schön ist das. 

Grunten wird als Perle des Thuner Sees bezeichnet und Oberhofen als Riviera des Thuner Sees. Na die heben hier ganz schön ab. Aber die grünen Berge, die tollen Schlösser, auch in Oberhofen erwartet uns schon eine ganz tolle Anlage, das hat schon was. Weiter geht's nach Hilterfingen mit Schloss und Türmchen. Schon toll. Am Brienzer See gab es nicht so viele Schlösser, kann mich nicht erinnern, dass ich überhaupt eins gesehen habe.

Entlang des Thuner Sees gibt es viele mondäne Häuser, Hotels, Schlösser und natürlich tolle Bergsichten

Kurz vor Ende des Sees wendet das Schiff und fährt rückwärts in die Aare rein, mal wieder an einem Schloss vorbei, dem Schloss Schadau mit schönem Schlosspark, durch den ich morgen wandern werde. Angekommen kämpfe ich mich durch den Trubel, überquere die Aare-Holzbrücke, die echt klasse aussieht und von der ein paar Jungs tatsächlich in den tosenden Fluss springen um 100 Meter weiter wieder rauszuklettern. Ist schon krass. Der Fluss ist ja wirklich reißend. Nun, jeder muss wissen was er macht. 

Thun an der tosenden Aare gelegen mit Schlossberg, Schloss, Kirche und vielen schönen Holzbrücken über dem Fluss

Es hat sich zugezogen und fängt langsam an zu tröpfeln, kurz vor Einsetzen des Regens komme ich im Refugio St. Marien an und werde von Marcel begrüßt, der sich hier um die Pilger kümmert und auch selber schon in Santiago war. Es gibt einen großen Raum mit fünf Betten jeweils unter einem Fenster, einen großen Tisch mit Pilgerlektüre und Stempel. Die Dusche ist leider ziemlich weit entfernt beim Gemeindehaus, über den Hof rüber und dann in den Keller. Ich war etwas genervt, fühlte mich sehr k.o. und er redete und redete. Dann ging er aber und ich nahm meine Wanderung zur Dusche auf, die selber aber ganz gut war. Noch ein wenig lag ich auf dem Bett zum Ausruhen. Es sollten noch andere Pilger kommen heute, die dann aber nie auftauchen, so blieb ich auch heute allein, kenne ich ja schon.

Thun ist sehr schön gelegen, die Aare fließt scheppernd durch den Ort, bildet eine kleine Insel und kommt dann wieder zusammen. Darüber gibt es malerische Holzbrücken mit Dach und oben auf dem Berg kann man das Schloss und die Thuner Kirche sehen, welche über kleine Treppchen zu erreichen sind, ganz malerisch und süß. Man kann an Thun auch vorbeigehen, wenn man auf der Spiez-Seite des Sees langgeht, wäre aber schade, denn der Ort hat einfach viel zu bieten. Auch eine Apotheke, die ich aufsuche, da ich mir für mein Fußgelenk eine Bandage in blau, wie schön, kaufe. Never change a running system kann ich nur sagen. Ich brauchte zwar neue Besohlung meiner Wanderschuhe, das ließ sich nicht vermeiden, aber die Einlagen hätte ich einfach so lassen sollen. Ich merkte jetzt schon, dass da eine Blase am Entstehen war. Ich hatte ja lange keine Blase gehabt. Okay Blasenpflaster rauf, damit nichts schlimmeres draus wird. Auch bekam ich mit den Bändern ein paar Probleme, also wickeln. Nun Knie links gewickelt, Fuß rechts gewickelt, wenn ich so weitermache gehe ich als Mumie durch :-) 

Thuner  Altstadt-Ansichten mit viel Fahne/Wappen: von Thun, Berner Land und Schweiz

So schön das mit dem Fluss auch ist, Hochwasser möchte ich hier nicht erleben, ist doch alles dichte bi. Ich ging durch die Obere Hauptgasse, die von netten alten Häusern umgeben war, über der Straße wehten Fahnen sämtlicher schweizer Kantone. Man muss schon sagen, dass die Schweizer ein stolzes Volk sind, Fahnen wehen überall, meistens die Schweizer Fahne und dann der eigene Kanton, zusätzlich noch der Stadt selbst. Hier befinden wir uns immer noch im Kanton Bern, was sich aber bald ändern wird. Ich mache mich an den Aufstieg, kleine süße Treppchen, links und rechts Häusereingänge, ist schon klasse. Oben von der Burg hat man eine schöne Aussicht über die Stadt, die Kirche sieht auch klasse aus, innen eher schlicht, was mir nun häufiger begegnen sollte. Die reformierten Kirchen in der Schweiz beinhalten mitunter außer Stühlen und Tisch/Altar nichts. Der Calvinismus hat hier Einzug gehalten und der war da nun sehr spartanisch. Also in eine Kirche zu kommen und da ist nicht mal ein Jesus, finde ich persönlich auch eigenartig. Hier hält es sich aber noch in Grenzen, es gibt ein Kreuz und das ein oder andere Bild, ist doch was. Ich mache mich auf den Abstieg und Weg zu meinem Refugio, kurze Zeit später schüttet es in Strömen, Sommergewitter. 

Die Treppen zum Berg hoch mit Häusereingängen rechts und es braut sich was in den Bergen zusammen

Ich esse nun ab heute wieder mein obligatorisches Brötchen mit Appenzeller und dazu ein kühles Quöllfrisch. Marcel kommt mich noch besuchen, wir schnacken ein wenig, ich bekomme mehr Zuversicht, dass ich doch weiterwandern kann morgen. Er meinte: "Du hast immer die Möglichkeit irgendwo einen Bus zu ergattern, wenn nichts mehr geht. Und der Weg aus Thun raus ist ein schöner". Okay, packen wir's :-)

Morgen wollen wir zusammen frühstücken, vielleicht das erste Mal draußen, sagt er, um 8 Uhr, schön.

Es gibt eine Kapelle im Haus. Vorm Schlafengehen schleiche ich mich noch einmal runter. Sie ist klassisch mit Kreuz, Jesus, Kerzen, klar ist katholisch. Ich zünde zwei Kerzen an, lange sitze ich im Gebet versunken da und bekomme von Minute zu Minute mehr Zuversicht. Manchmal braucht man Menschen, die einen gut zureden, ziemlich häufig sogar :-)

Ja ich werde morgen wieder pilgern :-)

In der Kirche des Refugios St. Marien mit dem schönen Bild: Vater, Sohn und Heiliger Geist

4.6.19

Thun nach Wattenwil 18 km

Wie besprochen verabredeten wir uns vor der Tür des Gemeindehauses zum Frühstück. Die Sonne schien wieder, das Gewitter ist vorüber gezogen und Marcel hat den Tisch draußen schön gedeckt. Es gab ein frisches Brot (in der Schweiz isst man kaum Brötchen, sondern nur Brot), Marmelade, Käse, Jogurt, alles was das Herz begehrt. Nett war es, aber nach einer Weile kam etwas Unruhe in mir auf, ob des langen Weges heute. Es wird wieder ordentlich warm werden, ob ich alles wandern werde, weiß ich noch nicht, ist auch egal. Mittlerweile freue ich mich daran, dass ich überhaupt hier bin und beschreite meinen Pilgerweg halt nach meinen Möglichkeiten und die sind noch ein wenig begrenzt. Gemeinsam gingen wir dann los, er begleitete mich noch bis über die Aarebrücken, dann musste er abbiegen, wollte seine Mutter besuchen. 

Losgehen auf der Aarebrücke, Thun

Wir verabschiedeten uns und ich machte mich nun nach der Pause von gestern mit Sack und Pack auf den Weg nach Thun raus und an der Aare entlang. Ein schöner Weg, der mich dann zur Kirche "Unserer lieben Frau zu Scherzlingen" führte, die ich gestern schon vom Boot aus sah. Süß ist sie und uralt. Sie wurde im Jahr 762 urkundlich erstmals erwähnt und man kann an den Wänden die alten Malereien teilweise noch erkennen. Na und einen Stempel gibt es auch.

Es geht die Aare runter Richtung Thuner See und an der hübschen Kirche: Unserer lieben Frau zu Scherzlingen vorbei

Wenig später kam ich direkt am Schloss Schadau an, ging durch den Schlosspark hindurch und dahinter dann über einen kleinen Weg weiter. Ein toller Blick über den See mit der Dreiertruppe, daneben den Niesen, dann die Blüemlisalp-Kette mit ihren 3661 m. Toll sieht das aus und so schön ruhig ist es hier. 

Schloss Schadau mit Thuner See und Blüemlisalp-Kette im Hintergrund und Kunst am See

Wenig später landete ich auf der Hauptverkehrsstraße, was weniger erheiternd war. Ich entschied mich hier den Bus nach Gwatt zu nehmen, der in drei Minuten kommen sollte, und dann von dort aus den See über den Berg zu verlassen. Wenig später führte mich mein Weg nun einen schmalen Pfad bergauf über Wiesen Richtung Amsoldingen. 1:20 h heißt es auf dem Schild, Die Schweizer schreiben nicht die Kilometer auf die Wegweiser, sondern die Stunden. Nun was so ein kerniger Schweizer ist, der ist sicher schneller unterwegs, somit rechne ich noch ein bissel was drauf. Es ist einsam und still, außer den Gesang der Vögel, das Rauschen des Windes in den Baumwipfeln und das Summen der Insekten. Schön ist es hier. Nach einer Weile ist der Berg erklommen und es wird ebener, wechselt in einen Trampelpfad. Die wunderbare Seeaussicht mit den Alpen lasse ich hinter mir. Das war's dann jetzt erst mal mit See, der nächste wird, so Gott will, der Genfer See sein. Ich bin gespannt.

Die Sonne steht hoch, es ist wieder sehr warm geworden und ich freue mich über ein wenig Schatten von den links am Feldrand stehenden Bäumen, da kommt ein Radfahrer daher. Er bleibt stehen und wir quatschen eine Weile. Er muss heute noch zur Arbeit, arbeitet in Thun und macht jetzt ein bissel Ausgleichssport, kernig. Ich gehe froh und gestärkt weiter. Solche Begegnungen und Gespräche erheitern mich immer wieder, ich find's toll. Im Hintergrund jetzt ohne See ragt die Dreiertruppe über die kleineren Berge. Ich hatte tatsächlich gedacht, dass ich Eiger, Mönch und Jungfrau nach Verlassen von Interlaken nicht mehr sehen werde. Falsch gedacht, ich freue mich darüber. Ich kann sie von hier aus sogar besser sehen als von Orten davor. 

Schöne Wiesenwege Richtung Amsoldingen

Ich gehe weiter, die Sonne brutzelt als Amsoldingen endlich in Sicht kommt. Eine kleine süße Kirche erscheint, davor gibt es einen Trinkwasserbrunnen, an dem ein Schild steht: "Wasser für Dich". Ich freue mich total und nehme erst mal ein paar ordentliche Züge vom schön gekühlten Quellwasser, welches aus einem Wasserhahn sprudelt. Daneben steht ein Schild: "Wiese zum Ausruhen für dich". Wie süß, das Angebot nehme ich gerne an, bin nämlich k.o., packe mich auf die Wiese, es ist Zeit für Füße lüften, Käsebrot essen und einfach mal hinlegen. Wenig später gehe ich noch ums Eck in die Kirche, evangelisch-reformiert, aha. Heißt es gibt nix. Naja doch, eine schöne Orgel hat sie und altes Gestühl, auch einen alten Altar, das war's. Die Mauern und der Boden sind aus Stein, 1000 Jahre soll sie alt sein und sie ist schön kühl. Ich setze mich hin für ein Gebet, dann eben ohne Jesus. Dahinter ist ein kleiner Garten mit vielen, vielen, Margeriten und einem alten Holzkreuz. Alles ganz liebevoll angelegt und überall gibt es diese kleinen Schilder: "Wiese für dich, Kirche für dich"... Da hat man ein sehr willkommendes Gefühl. Einen Stempel  gibt es sogar auch. Klar: "Stempel für dich." Das ist wirklich einfach nur Hammer und eine tolle Überraschung, Jesus hin, Jesus her, der Ort ist hier ganz wunderbar. 

Die reformierte Kirche von Amsoldingen mit Kirche, Brunnen, Garten für Dich :)

Nach meiner langen Pause und noch einen ordentlichen Humpen kalten Wassers mache ich mich wieder auf dem Weg über die hügelige Landschaft. Wieder gibt es viele Wildblumen, was das Pilgerherz erfreut und mich im besonderen, da ich Wildblumen-Fan bin. In den schattigen Gebieten wächst die Teufelskralle, diesmal in einer enormen Größe, wie ich finde, schön anzusehen, auch der Waldmeister ist zugegen. 

Schöne Blumen gibt es überall: Klatschmohn, Waldmeister, Teufelskralle und rote Lichtnelke

Ich gehe über die Hügel auf asphaltiertem Weg nach Uebeschi, ich bin echt k.o., die Sonne brennt, der Asphaltweg ist anstrengend, kein Baum in Sicht, da fange ich an zu singen: "Alle haben Wald gern, das ist wirklich wahr, alle haben Wald gern, das ist sonnenklar". Das Lied hat Ernie aus der Sesamstraße mal gesungen, aber mit dem Titel: "Alle haben Eis gern". Nun die Bedingungen ließen mich eine Umkreation des Hits gestalten. Ein kleines bisschen Verlaufen war auch noch dabei, da meine App und der eigentliche Weg unterschiedliche Sprachen sprechen, das sollte mir später auch noch oft passieren. Ja man kann sich im Leben eben auf nichts verlassen, außer auf den Tod, der kommt bestimmt. Was soll man sich grämen und rumwüten, so ist es eben im Leben. Einfach leben. Nun, wenn man schon k.o. ist und der Planet brennt, dann ist das nicht so angesagt. Was soll's, umkehren und nochmals umkehren, zumindest komme ich an schönen schweizer Holzhäusern vorbei, typisch für das Berner Land. Kühe mit Gebimmel sind natürlich auch wieder von der Partie, jetzt aber Gefleckte, die klassische Almkuh ist eher seltener zu sehen. 

Durch Uebeschi mit tollen Alpen-Ansichten

Mein Waldlied singend geht es weiter, in der Ferne ist ein Baum auszumachen und was sehe ich da? Eine Bank! Wie geil ist das denn? Die steht im Schatten und hat den Blick auf die klasse Alpentruppe gerichtet, toll! Meine! Ich packe mich aus und lege mich nur noch im BH bekleidet auf die Bank und mache Pause. Später breche ich auf nach Blumenstein, dort möchte ich den Bus nach Wattenwil nehmen. Beim nächsten Haus ist ein kleines Kabuff davor: "Pilgern gibt Durst, bedienen sie sich". Drinnen einige Flaschen Brause und ein Wasser. Toll, ich sage ja, die netten Schweizer, das Wasser kommt gerade recht, das nehme ich. Brause wäre jetzt nicht so angesagt. In einem Zug trinke ich die Pulle aus und gehe frohgemut weiter, es wird tatsächlich waldig und somit auch schattig und kühler.

Berner Holzhaus mit Geranien-Ensemble, Pause auf der tollen Bank mit super Aussicht auf Wiese und Alpen und die Nettigkeit der tollen Schweizer

Der Wanderweg geht schmal zwischen zwei Bächen im Grünen entlang und endet an der Hauptstraße von Blumenstein. Ich habe noch etwas Zeit. Wenig später kommt der Bus ums Eck. Ist zwar nicht mehr so weit, aber 4 km noch in der prallen Sonne, nix für mich, ahnte ja nicht, dass ich auf der Suche meiner Unterkunft in Wattenwil noch rumirren werde in ebendieser hotten Sonne, nun denn.

Google Maps hat mal wieder rumgesponnen, ich irrte hier und da, bis ich auf ganz klassische Art und Weise einfach mal jemanden fragte, es waren zwei Mädchen, die mich sogar noch ein Stück begleiteten. Wenn sie sich unterhielten habe ich kein Wort verstanden, Schwyzerdütsch eben, kannste nichts machen. Irgendwann auf einem weiteren Berg, der Ort war schon fast zu Ende, rief ich einfach die Gastgeberin an, die etwas genervt mich wieder zurücklotete (sie hatte auch einen anstrengenden Tag erfuhr ich später). Endlich angekommen! Nee noch mal in den Ort zum Einkaufen? Oh je! Meine beiden Gastgeber mussten aber noch einkaufen gehen und brachten mir dann noch ein Brot und ein schönes kühles Quöllfrisch mit, geht doch :-) Somit wurde nach ein bissel Gezeter und die ein oder andere Erschöpfungsträne alles am Ende gut. Ich saß in diesem Blumenwiesengarten an einem kleinen Tisch, die Grillen zirpten wie die Irren, im Hintergrund die Dreier-Alpentruppe, davor die Apfelbäume, hinter mir die Margeritenwiese und aß mein Abendbrot (Brötchen hatte sie nicht verstanden, brachte also ein Brot mit, das aber Hammer war), schrieb meine Zeilen und genoss den lauen Abend. Hach schön!

Man kann's nicht anders sagen, aber ich wohne doch sehr nett und ländlich, schön ist es hier

Und es gab eine Erkenntnis. Zwar spät, aber besser spät als nie. Ich schleppe seit Biberach an der Riß meinen schweizer Adapter mit mir rum, weil ich irgendwie der Meinung war, dass ich den bräuchte. Heute steckte ich einfach mal meinen Handystecker in die Steckdose und siehe da, kein Problem. Den braucht man nur, wenn man keinen Flachstecker hat. Na toll und der wiegt auch einiges. Nun was tun? Ins Regal packen, vielleicht braucht ihn jemand mal. Rucksack ist nun wieder etwas leichter!

5.6.19

Wattenwil nach Schwarzenburg 

18 km

Dank der Holzläden vor dem Fenster, die es hier viel in der Schweiz gibt, war es wunderbar dunkel und ich konnte wunderbar schlafen. Schön. Meinem Kopf ging es gut, keine Schmerzen, die Tabletten und auch das Wandern halfen gut. So langsam kommt mein komplettes Augenlicht auf der linken Seite wieder zurück und ich kann alles scharf sehen, das macht glücklich, es scheint so richtig aufwärts zu gehen, toll!

Ich frühstückte mit Blick in diesen schönen Garten und packte dann meine Sachen, verabschiedete mich und ging los. Nun kannte ich ja schon einen Teil des Weges, da ich ja etwas rumirrte gestern. Also auf Google Maps ist auch kein Verlass. Na sage ich ja, freu dich wenn was klappt, aber hundertprozentig verlassen kannst du dich nur auf den Tod. Hört sich jetzt makaber an, ist aber so. Und wenn man sich noch so absichert, alles durchexerziert, sich vorbereitet, es kann doch anders kommen als gedacht. Wie hieß unser Insider-Spruch? "Lebe, liebe, sei glücklich und frei". In diesem Sinne. Weiter geht's bei strahlendem Sonnenschein in den Ort Wattenwil hinein, denn ich wohnte hier etwas außerhalb. Dort gab es eine kleine Kirche, ob die wohl auf hat? Hatte sie und einen schönen Stempel hatte sie auch. Evangelisch reformiert, also nichts drin :-)

Ja ich habe mal so überlegt, wie das hier so ist. Der schweizer Reformator Johannes Calvin (1509-1564) war der Begründer der religiösen Lehre des Calvinismus. Er wird wie Martin Luther zu den Reformatoren gezählt. Die reformierten Kirchen in Schottland, England, Frankreich, in der Schweiz und in Holland sowie die Hugenotten, Puritaner und die Southern Baptists in den USA sind von ihr beeinflusst worden. Die Theologie Calvins betont die unbedingte Heiligkeit Gottes. Alles Menschenwerk, sogar die Glaubensentscheidung und nicht zuletzt der Kultus der katholischen Kirche mit Sakramenten, Reliquien oder Ablass galten ihm als Versuche, die Souveränität Gottes einzuschränken und an Irdisches zu binden. Nun jetzt wissen wir warum die Kirchen so leer sind, denn hier in der Schweiz ist der Calvinismus sehr zugegen. Einiges kann ich davon nachvollziehen, ich tendiere aber eher zur goldenen Mitte und nicht zu Extremen, Extreme sind nie gut. Wie mit meinem Bild auf der Schynige Platte, der Gratwanderweg: Pass auf! Nicht zu weit links oder zu weit rechts gehen, du könntest abstürzen!

Mir ist das zu kahl. Ich habe von reformierten Kirchen bisher aber nicht viel mitbekommen, da ich vielerorts in katholischen Sektoren unterwegs war, deshalb ist mir das jetzt hier völlig neu. Nun, aber spannend. Außer Chorgestühl, Stuhlreihen und Tisch gab es auch in hiesiger Kirche nichts, aber die Fenster waren schön, das ist doch was. 

Bergauf geht es Richtung Rüeggisberg

Ich starte bei 620 Höhenmetern in Wattenwil und mache mich auf den Aufstieg Richtung Rüeggisberg mit tollen Aussichten auf die Schweizer Bergwelt und die immer kleiner werdenden Ortschaften unten. Ich fühle mich fit und freue mich darüber. In Burgistein, einem weiteren kleinen Weiler, erreiche ich die 760er Marke, weiter geht's bergauf nach Riggesberg an schönen schweizer Holzhäusern vorbei, deren  Balkone mit üppigen, rankenden Geranien bestückt sind.

Durch die Schweizer Berglandschaft, immer noch im Berner Land unterwegs, mit den typischen Häusern

Der Asphaltweg geht über in einen hellen Schotterweg, der sich durch die Bergwelt schlängelt, schön ist es hier. Ab und an fange ich wieder an zu zählen, da es stetig bergauf geht, das mache ich immer so, wenn es sehr steil wird, um dann bei 80 zu pausieren. An blumigen Wiesen und viel Gerste vorbei komme ich in den Ort Riggisberg (da kann man ja auch durcheinander kommen, hören sich sehr ähnlich an) Hier gibt es ein paar Irrungen, da der Weg durch eine Baustelle versperrt ist. Doof, also einen Umweg gehen. Leider versagt Google Maps auch dieses Mal, deshalb frage ich wieder einen Passanten. Es geht weiter steil den Berg hoch zum Spital. Toll, ich freue mich, denn da werde ich meine Wasserflasche auffüllen und kann wieder an meinen Weg anknüpfen.

Gemacht, getan, raus aus dem Krankenhaus und weiter einen schönen Schotterweg den Berg hoch. Rückblickend kann ich die ganze Alpenkette erkennen, neben mir die quietschgrüne Gerste. Kurz vor Rüeggisberg 930 m, brauche ich dringend Pause. Ich packe mich auf eine Wiese, hoffe, dass sie nicht gerade erst gedüngt ist, denn das kann passieren, riecht aber ganz gut und lege mich der Länge nach hin. Unterhalb der Wiese sehe ich eine Bushaltestelle, die lacht mich an. Aber nein, ich will weiterwandern. Eine kleine Gruppe Pilger kommt an der Haltestelle vorbei, sie sehen mich nicht, aber ich sie. Lass sie laufen, ich bleibe hier erst mal liegen, esse mein Brot und schaue dem Treiben der oben am Himmel fliegenden Rotmilane zu, die sich entweder lieb haben und spielen oder sich gerade nicht liebhaben und sich bekämpfen, so genau kann ich das nicht beurteilen. Sie machen jedenfalls viel Getöse und fliegen wenig später fast in mich rein, bekommen aber gerade noch die Kurve. Spannend ist es hier auf der Wiese. Aber irgendwann ist Zeit zum Aufbruch, auf nach Rüeggisberg, der höchste Punkt dieser Etappe.

Oben! Und die kleine Kirche von Rüeggisberg wartet auf mich, nebenan im Museum der Stempel, schön!

Oben angekommen steht neben der Kirche ein Brunnen mit kaltem klaren Wasser, mmh lecker! Mir läuft der Schweiß runter, bin k.o., aber total happy, dass ich den ganzen Weg hier hoch geschafft habe und einen tollen Stempel gab es dazu dann auch noch. Nach dem Pilgern ist ja bekanntlich vor dem Pilgern und somit habe ich mir wieder was neues zugelegt, einen Pilgerhut. Das Cap, was ich vorher hatte, war zu schwitzig, der Hut ist etwas luftiger und schützt gleichzeitig noch den Nacken, schöne Sache und sieht total nach Pilger aus. Vielleicht sollte ich mir auch meine Pilgermuschel an den Rucksack hängen. Hatte das bisher aus Gewichtsgründen und aus Gründen das Handhabens des Rucksacks sein lassen, nun muss ich mal drüber nachdenken. Auch, denke ich, brauche ich alsbald nicht mehr diesen warmen Schlafsack, ein leichter, dünner würde es wohl auch machen. Wir kommen ja langsam in südlichere Gefilde. Nun, kann man sich auch täuschen, aber es gibt eigentlich immer Decken in den Herbergen, die man dann drüber packen kann.

Nette Bergwiesen-Wege, natürlich in der Schweiz, nicht zu vergessen :)

Vor der Kirche auf einer Bank sitzt eine Truppe Pilger, ich grüße und gehe in die Kirche, reformiert, klar. Es ist erstaunlich, diesmal scheinen mehr Pilger unterwegs zu sein, vorhin habe ich noch ein Pärchen gesehen und dann noch eine kleine Gruppe. Ich trete jedenfalls aus der Kirche und gehe weiter, es geht bergab Richtung Wislisau. Mal wieder eine Veränderung der Schuhe ist vonnöten, da ich mir nun echt eine Blase gelaufen hatte, die Einlagen kommen raus und ich laufe ohne, komisches Gefühl so platt. Wenig später sollte ich mir noch eine Bandage für das Fußgelenk auf der linken Seite holen, diesmal in grün, also echt trendy, damit konnte ich dann ohne weitere Blasen und fest genug im Schuh ohne Einlage weiter pilgern, wobei dann irgendwann mein ehemals gebrochener zweiter linker Zeh aufmuckt und sich immer wieder verkrampfte, also Einlage wieder rein, die Unter-Einlage raus, gewickelte Füße, oh man! Das mit den Füßen war schon ein Thema, das hatte ich ja lange nicht gehabt und hätte nicht mit gerechnet, dass das noch mal auftauchen sollte. Ja ja, nochmals: Never change a running system, grr! Jedenfalls fühlte es sich jetzt gut an, das ist doch mal was und das Pilgerherz schlägt höher, gibt nichts bekloppteres, als wenn die Füße mucken. Naja gut, die Gelenke sollten auch mitmachen und die Schultern und natürlich ohne Kopfschmerzen und..... :-)

Es geht einen schmalen netten Weg in den Wald hinein, neben mir eine Schlucht mit einem kleinen Bach, eine Brücke zum hinübergehen, seicht geht es weiter und Schatten ist Gott sei Dank auch mit dabei. 

Nette, schattige Waldwege mit kleiner Holzbrücke über den Bach Richtung Wislisau

Einige Zeit später überquere ich den Fluss Schwarzwasser und lande direkt in einer Gaststätte, setze mich dort draußen hin und bestelle mir einen Milchkaffee und bleibe da einfach mal sitzen. Von hier aus werde ich den Bus nehmen, ich bin k.o. und es ist heiß und nun ist gut. Noch ein zweiter Kaffee wird es sein und noch ein Wasser, dann fühle ich mich wieder frisch und stelle mich an die Haltestelle gleich neben der Gaststätte und warte auf den Bus. Aus den Büschen kommt die Pilgertruppe, die ich auf der Bank sitzend vor der Kirche in Rüeggisberg getroffen habe, einer von ihnen winkt mir von weitem, ich winke zurück. Wahrscheinlich denkt der jetzt, die schummelt! Ist mir egal, ich bin achtsam mit mir, ich bin froh, dass ich überhaupt hier bin und eigentlich kann es mir ja auch total egal sein was andere denken. Nun so ein bissel nagt es schon an mir, als ich aber im Bus sitze, der in einem großen Bogen nach Schwarzenburg fährt, die ganze Landschaft fahrend an mir vorbeizieht, bin ich doch happy über meine Entscheidung.

Is scho schee :)

Am Bahnhof steige ich aus, muss noch was einkaufen für das Abendbrot abends. Eine Frau bemerkt mein Suchen nach einem Laden und fragt mich ob ich den Jakobsweg suche. Nee nur einkaufen. Sie sei den jedenfalls auch schon mal gepilgert und überhaupt hat sie den gleichen Weg, dann kann sie mir den Laden zeigen zum einkaufen. Sie erzählte, dass noch ein schöner Weg vor mir liegt, gab mir Tipps zum Weg und dass man am Genfer See auch das Boot nehmen könnte und so weiter, schön. Lange standen wir noch vor dem Laden, bevor wir uns verabschiedeten. Danach ging es noch den Kilometer den Berg hoch zur Unterkunft, wieder eine private Unterkunft. Die Kinder sind aus dem Haus und somit werden die Zimmer untervermietet. Die Familie ist eine sehr nette. Ich richte mich erst mal ein und gehe duschen. 

Danach kann ich mich draußen auf der Veranda hinsetzen. Die Frau arbeitet noch im Garten, aber ihr Mann ist sehr gesprächig und packt mir sämtliche schweizer Bücher über die Umgebung auf den Tisch, als er bemerkt, dass ich Interesse an der Umgebung zeige. "Was sind denn das für Berge da hinten?" "Ja das ist das Juragebirge". Toll, da freue ich mich drauf. Der Genfer See ist eingeschlossen von der einen Seite vom Juragebirge und von der anderen Seite dann den französischen Alpen mit dem Mont Blanc. Ein zweiter großer Wunsch für diese Tour war für mich den Mont Blanc zu sehen, ob das klappen wird? Der höchste Berg Europas, das wäre schon toll. Ich aß mein Abendbrot-Klassiker: Brötchen mit Appenzeller, Quöllfrisch, noch ein Schokolädchen. Irgendwann meinte der Herr des Hauses er müsste mir Wein vom Genfer See kredenzen, da gibt es tolle Weine, muss ich mal probieren. War auch lecker, machte aber schon leicht beschwipst. Seine Frau kam irgendwann aufgeregt daher, es kommen noch vier Pilger, so plötzlich, hätten sich gerade erst angemeldet. Na das ist ja mal was, ist ja ein bissel kurzfristig, ja das passiere häufig so, sagte sie. Auch sollte ihre Enkelin noch kommen, da die Mutter krank sei, Krebs, sieht nicht gut aus. Oh je, ich war total geschockt über die Geschichte. Wie dankbar kann ich sein, dass ich nur diese Zoster-Erkrankung habe und nicht sowas. Furchtbar! Es hat mich total mitgenommen und ich merkte wie ich den Tränen nahe war. Ich sagte ihr beim Verabschieden am nächsten Tag noch, dass ich für ihre Tochter beten werde, was ich dann auch in der nächsten Kirche tat. Es gibt so viel Leid auf der Welt. Die Frage nach dem Warum ist müßig, es gibt keine Antwort darauf, also lebe jetzt, du weiß nie was morgen sein wird.

Die anderen Pilger kamen ums Eck, ein Pilger musste woanders übernachten, die beiden Männer und die Frau blieben hier. Es war die Pilgertruppe, die ich vorhin an der Kirche getroffen und wo der eine mir zugewunken hatte. Später setzte ich mich einfach dazu, wusste nicht wie das sein würde. Ist ja mit so einer Gruppe nicht so leicht da rein zu kommen. Ich unterhielt mich erst mal mit Vanessa und bekam raus, dass die sich auch erst alle auf dem Weg getroffen hatten und sich vorher gar nicht kannten. Sie ging alleine und wollte nach Santiago, die beiden Bayern waren Freunde, gingen zusammen und wollten nach Genf und der Schweizer war alleine unterwegs und wollte nach Fribourg. Wir haben richtig lange und toll geschnackt, das tat richtig gut. Morgen werden wir gemeinsam frühstücken, mal seh'n wie es dann weitergeht. Ich hatte mein Zimmer ja alleine, die anderen teilten sich zu dritt das andere Zimmer.

6.6.19

Schwarzenburg nach Fribourg 

20 km

So sitzen wir also hier gemeinsam beim Frühstück. Schön ist das, macht Spaß. Aber gemeinsam gehen, in einer Gruppe? Nun, ich probiere es mal aus, sowas habe ich noch nicht gemacht. Wenn es ganz blöd ist, dann kann ich mich ja absetzen. Also machen wir uns alle fertig, bekommen von Familie Christen noch einen Stempel und ziehen gemeinsam los in den Ort runter und wenig später zu dem Platz, wo wir uns mit René treffen wollen, das ist der Schweizer, der keine Unterkunft hier mehr bekommen hat. Hätten wir uns vorher gekannt, dann hätte Vanessa mit in meinem Zimmer schlafen können und die drei Jungs drüben in dem 3-Bett-Zimmer. Nun denn, war aber nicht so. So standen wir da und warteten: Josef, Richard (die beiden Bayern), Vanessa (aus dem Allgäu) dann kamen noch Christa und Edgar (aus Beuron, Schwabenland) hinzu und wenig später dann René. So gingen wir in einem relativ großen Grüppchen aus Schwarzenburg raus und kurze Zeit später in den Sensegraben, der die beiden Kantone Bern und Fribourg voneinander trennt. 

Gemeinsames Wandern im Sensegraben auf alten Römerwegen

Ein spannender Weg, durch tolle Landschaft am Graben langgehend und auf historischen von den Römern gebauten Steinwegen. Zum Laufen nicht ganz einfach, aber klasse. Links und rechts kommen steile Felsen mit hinzu, hat schon was uriges. Wir haben alle unsere Regenkleidung in petto, denn es hat sich zugezogen und es wird wohl noch Regen geben. Nun, momentan ist es moderat und angenehm. Wir quatschen und lachen viel, gehen gemeinsam die Schlucht runter. Schön finde ich, dass wir ein ähnliches Tempo haben, dass immer wieder der ein oder andere stehen bleibt um ein Foto zu machen, auch ein ganzes Gruppenfoto, worüber ich mich sehr freue. Für mich ist das Wandern in der Gruppe wirklich eine neue Erfahrung. Auf der einen Seite finde ich es sehr schön, bräuchte es aber auch nicht dauerhaft. Kurze Zeit später, unten am Fluss angekommen geht es über eine tolle Holzbrücke, die historische Sodbachbrücke aus dem Jahre 1867, welche nun die Kantone verbindet.

An der Brücke über die Sense, Holzbrücke für die Fußgänger mit dem Berner Wappen auf der einen Seite und dem Fribourger Wappen auf der anderen

Nun sind wir in Fribourg (Freiburg auf deutsch), wie spannend, es wird französischer. Pays de Fribourg, Freiburger Land steht auf einer Tafel. Wenig später hängt an einem Hof ein Schild, dass wir im Land des Gruyère sind, der hier produziert wird. Nun da wird mein neuer Käse doch mal ein anderer werden gell? Noch sind wir nicht in der französischen Schweiz. So ein bissel Bammel habe ich schon. Eigentlich wollte ich schön Französisch lernen, aber erstens fiel der Volkshochschulkurs, den ich belegen wollte, aus und zweitens kam meine Krankheit dazwischen, da hatte ich nun wirklich keinen Sinn auf lernen. Übrigens geht es mir recht gut, ich brauche nur noch zweimal täglich Augentropfen und Salbe, somit ist es nicht mehr so abenteuerlich so auf einem Berg oder irgendwo zu stehen und zu träufeln, und zweitens haben sich die Kopfschmerzen gut zurückgezogen, das Wandern und die Ablenkung tun mir gut. Nun, mit den Jungs und dem Mädel sowieso.

Nach etlichen Fotos ging es auf Römerpfadsteinen steil den Berg auf der anderen Seite der Sense hoch, auf ein Wiesenplateau mit einem schönen Jakobsweg-Stein und wenig später an einem Jakobus-Gebetsplatz vorbei. Wir sind im katholischen Sektor angekommen, die reformierten Es-gibt-nur-Tisch-und-Stuhl-Kirchen sind erst mal passé. Wir haben auch echt gelacht, das muss ich jetzt mal sagen. Die bayerischen Katholiken, ich als Protestant und René als Reformierter. Die Bayern wundern sich warum es kein Weihwasser am Eingang gibt, ich vermisse ganz einfach Jesus und René versteht das Ganze überhaupt nicht, zu köstlich! Christa und Edgar haben wir mittlerweile verloren, die sind etwas langsamer, gehen aber eh alleine, sie wollen nach Santiago

Es geht weiter durch sanfte und saftige Hügel auf einem schönen Feldweg Richtung Heitenried. Hoch oben ist eine Kirche zu sehen. Alle wollen da hin, ich nicht, denn ich weiß nicht, ob ich dann den Weg heute bis Fribourg schaffe, muss doch mit den Kräften haushalten und bin mir da noch unsicher. Somit trennen sich unsere Wege hier. Nun bin ich wieder alleine unterwegs, genieße ich auch gerade. Es ist still, ein leichter Anstieg, ein toller Weg. Nach einer Weile fängt es ein wenig an zu pieseln.

Ich weiß, dass es im nächsten Ort St. Antoni zwei Kirchen gibt, da werde ich mich in eine reinsetzen und Pause machen. Als es stärker regnete sprang ich in die erste Kirche, die mich aber nicht ansprach, erstens eine Nur-Tisch-und-Stühle-Kirche und zweitens saugte eine Putzfrau gerade zwischen den Bänken rum, fand ich doof. Also schnell weiter zur nächsten Kirche, die nicht weit entfernt auf einem kleinen Hügel stand. Mittlerweile regnete es richtig stark. Schnell rein gesprungen: katholisch, mit Weihwasser und Jesus :-) Und was noch viel wichtiger ist, angenehm warm, ein schöner Pausenort. Die St. Antonius ist dezent gehalten, aber mit einem tollen großen Jesus, der auf sein Herz zeigt und der Jakobsmuschel inklusive Stempel, das ist doch mal toll. Auch kann man in einer keinen Seitenkapelle eine Kerze anzünden, was ich nach meinem Mittagessen dann auch mache. Ich zünde zwei Opferkerzli an (so steht es auf einem Schild) und gehe in mich. Es ist still, nur der mittlerweile strömende Regen ist zu hören. Och nee, habe keine Lust im Regen rumzulaufen. Ich bleibe einfach hier sitzen. Es gibt einiges nachzudenken.

Ich bin unheimlich dankbar, dass ich das hier alles machen kann, dass ich wirklich losgefahren bin, es gewagt habe. Es war ja doch alles sehr, sehr unsicher, ob das so gehen wird. Mittlerweile fühle ich mich aber schon gut gestärkt, na und die Truppe hat mir auch gut getan. Wo bleiben die eigentlich? Lange sitze ich in der Kirche und denke, dass wir uns verpasst haben und sie schon vorbei sind. Ich werde traurig, habe mich an die Truppe doch gewöhnt und möchte so gar nicht alleine jetzt weitergehen. Ich warte noch ein bissel. Plötzlich höre ich Stimmen, freudig springe ich auf und mache die Kirchentür auf. Gegenüber auf der anderen Seite sehe ich eine unglückliche, total durchnässte Vanessa, dann kommen die Jungs ums Eck. Ich bat sie alle rein. Für die drei Katholiken ist es ungewöhnlich Pause in einer Kirche zu machen, für mich völlig normal. Ja so unterschiedlich sind die Menschen. Die haben glatt auf einer Bank unter einem Häuserdach gesessen und da ihre Brote gegessen. Ist natürlich dann auch kalt geworden so mit dem Feucht und allem. Da kann ich verstehen dass Vanessa so trübe dreinschaut. Wir entscheiden uns in eine Wirtschaft zu gehen, wie die Bayern eine Gaststätte so nennen. Also schnell durch den Regen runter in den Ort und in die Wirtschaft gesprungen. Erst mal einen heißen Kaffee, das tut gut. Und dann einfach noch einen. Die Jungs trinken Bier. Das wäre ja gar nichts für mich, das geht so in die Beine, obwohl dann kann man sich das Wetter auch schön trinken :-) Sowieso kann man doofes Wetter gemeinsam besser ertragen als alleine, finde ich. Vanessa entscheidet sich den Bus zu nehmen nach Fribourg, hat keine Lust mehr. Wir wollen weitergehen. Nach einer Weile wird es etwas weniger mit dem Regen und wir brechen auf. Unsere Apps sagen, dass es bald aufhören wird, nun denn. Es geht den Berg runter in den Seliggraben zu einen kleinen Weiler. Josef hat seinen Regenschirm aufgespannt, sieht auch witzig aus, nun jeder hat seine eigene Kluft. Sie haben aber keine Regenhose, das ist sicher nicht so klasse, die Erfahrung habe ich ja auch schon mal machen dürfen. Nee, auf die Hose verzichte ich wahrlich nicht. Und auch gut, wenn die Schuhe wasserdicht sind, der schmale Weg, der dann folgt, umrandet von hohem sehr feuchtem Gras, machen es Füßen, die nicht in wasserdichten Schuhen hocken, nicht leicht. 

Es geht in den Seliggraben mit Regenschutz, an der Taverna entlang mit Rückblick auf die St. Antonius-Kirche oben auf dem Berg und am Marien-Gebetsplatz vorbei

Es geht an einem Bach entlang mit dem schönen Namen Taverna nach Tafers. Schön ist es hier in Tafers mit dem Kirchentrio. Es gibt die Jakobuskapelle, die das Galgenwunder auf der Vorderseite aufgemalt hat und innen drinnen befindet sich ein kleiner Altar mit dem heiligen Jakobus und diverse Pilgerstöcken mit Jakobsmuscheln, der Stempel ist natürlich inklusive und ganz süß. 

Die Jakobuskapelle von Tafers mit dem Galgenwunder und den vielen Pilgerstäben mit Muschel, dahinter zu sehen das Beinhaus (Totenkapelle)

Dann die zweite Kirche dahinter, die St. Michaelskirche oder Beinhaus genannt, welche, wie der Name sagt, dem Erzengel Michael geweiht ist und als Totenkapelle dient. Und dann die katholische Kirche St. Martin, im dezenten Barock gehalten und schön hell. Eine Menge Kirchen an einem Fleck.

Das Beinhaus und die schöne St. Marienkirche, in sehr dezentem Barock gehalten

Am Sigristenhaus (Sigrist ist der Küster), welches noch mal so ein tolles schweizer Holzhaus mit Geranien ist, was man seit Kantongrenze kaum noch sieht, hier wird nicht mehr aus Holz gebaut, geht es vorbei und aus dem Ort raus über Wiesen und Getreideflächen. René und ich verlieren die beiden anderen, da die noch ein Bier trinken gehen wollen und gehen zu zweit weiter. Ich wollte eigentlich gerne nicht alleine nach Fribourg reingehen, ab da ist es französisch und ich freute mich mit der Truppe da hinzukommen, aber so blieb ich am Ende doch alleine, denn René wollte ja heute von Fribourg und noch nach Hause fahren und ich konnte sein Tempo nicht mithalten, brauchte eine Pause und verabschiedete mich von ihm. 

Da saß ich nun auf einer Bank, aß noch ein paar Schokolädchen, vor mir ein Schild mit französischem Straßennamen. Und ein weiteres Schild besagt: Wir befinden uns nun auf dem Chemin de St-Jacques. Okay, dann packen wir's an. Ich fühlte mich wieder besser und ging runter in die Stadt geradewegs in eine Apotheke, da ich noch Blasenpflaster brauchte. Leider habe ich mir am linken Fuß eine Blase gelaufen, die auch nicht weggehen will. Blöd halt mit den neuen Einlagen. Meine erste Begegnung in Fribourg war ganz wunderbar, die Apothekerin sprach mich erst auf Französisch an, dann aber auf Deutsch weiter und war einfach total süß. Beschwingt bin ich aus dem Laden, eine kleine Treppe runter zur Brücke über die Saane oder auf Französisch: Sarine. Der Fluss teilt nun den deutschen und den französischen Teil der Schweiz. Eine tiefe Schlucht, eine hohe Brücke und drüben auf einem hohen Felsen klebte oben drauf die Altstadt, was für ein Hammer-Anblick, beeindruckend. Und ich hatte eine Unterkunft im Franziskanerkloster mitten in der Altstadt und wie sich wenig später auch herausstellte an eben diesem Abhang, toll. Die große Kathedrale St. Niklaus lugte hoch hinter den Häusern empor und weiter hinten konnte man die noch recht neue Pont de la Poya von 2014 sehen, sieht schon klasse aus. 

Auf der Sarine-Brücke stehend mit Blick auf die Altstadt von Fribourg und Richtung Pont de la Poya

Am anderen Ende der Brücke angekommen ging's für mich gleich in die Kathedrale, Stempel holen. Der Kirchenaufseher sah mich und fragte: "Vous voulez un timbre? C'est là-bas" und zeigte in eine Ecke. "Oh merci beaucoup". Aha französisch! Nun man gewöhnt sich an alles. So ein bissel kann ich ja auch, könnte aber jetzt keine langen Gespräche führen. Die Kathedrale schaue ich mir später an, möchte jetzt ankommen. Bin doch k.o., aber stolz, dass ich den ganzen Weg nach Fribourg geschafft habe, 20 km ohne Bus. Toll, geht doch. Die Empfangsfrau des Klosters spricht aber deutsch und zeigt mir alles. Es ist voll, nebenan eine Schulklasse, die leider auch gerade angekommen ist, aber trotz alledem sollte ich schnell eine Dusche ergattern. Vanessa saß tiefenentspannt auf dem Hochbett, geschniegelt und gebügelt, das Busfahren hat ihr gut getan, alle anderen werden heute auch hier unterkommen. Christa und Edgar, die beiden Schwaben, sind auch schon da, sind auch Bus gefahren. Ich schlafe unter Vanessa und sortiere erst mal meine Sachen, hänge alles auf, die Bandagen und Socken müssen dringend gewaschen werden, da sie anfangen zu müffeln. Zum Glück geht tatsächlich die Heizung. Nicht das wir sie bräuchten, so kalt ist es ja nicht, aber zum trocknen ist es gut. Wird kuschelig im Zimmer. Ist auch sehr spartanisch eingerichtet, die Betten sind die absolute Billigausführung, aber was soll's. Ich baue mir wieder eine Koje mit meinem Sarong und meinem Regencape, dann sollte es klappen.

Im Kloster ist es geräumig und es gibt eine nette Küche: hier die Köchin, der gedeckte Tisch und der schöne Abend mit allen.

Vanessa ist total heiß darauf heute zu kochen und überredet Christa mit zum einkaufen zu kommen, wenig später kommen die Jungs. Und was soll ich sagen? Die beiden Frauen haben ein tolles Spagetti-Mahl gezaubert, mit Salat und dann noch ein Schokolädchen am Schluss, es gab Bier und Wein (die Jungs sind der Meinung, dass man jeden Abend auf dem Jakobsweg einen Rotwein (Rioja) trinken sollte, okay, dann machen wir das mal) Wir saßen gemeinsam dort und quatschen, beschlossen auch, dass wir uns morgen gemeinsam Fribourg anschauen wollten, es war so richtig klasse.

Alsdann gingen wir schlafen, was nicht so klasse war, Männer im Zimmer können echt eine Herausforderung sein, selbst durch Ohrstöpsel hindurch. Ich hätte sie würgen können, zum Glück sind sie von ihrem Schnarchen gegenseitig wach geworden. Sachen gibt's :-)